1916-03-27-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R13196
Zentraljournal: 1916-A-08212
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 03/29/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: C.B. Geheim! 315
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Staatssekretär des Reichsschatzamts (Helfferich) an den Staatssekretär des Auswärtigen Amts (Jagow)

Schreiben



C.B. Geheim! 315
Berlin W. 66, den 27. März 1916.
Wilhelmplatz 1.

Euer Exzellenz beehre ich mich in der Anlage Abschrift eines Berichts des Geheimen Hofrats, Professors Dr. von Schulze-Gaevernitz über die Lage in Konstantinopel vom März 1916 zur gefälligen Kenntnisnahme zu übersenden.

Helfferich


Anlage

Abschrift. Vertraulich.

Bericht des Reichstagsabgeordneten von Schulze-Gaevernitz über die Lage in Konstantinopel, März 1916,

gelegentlich seiner Reise mit Herrn Mac Clure, erstattet auf Grund eingehender Gespräche mit den leitenden türkischen Staatsmännern sowie bestunterrichteten Deutschen und Amerikanern.

[Die Anlage enthält vor allem Ausführungen zur politischen und wirtschaftlichen Lage in der Türkei. Hier wird nur der die Armenier betreffende Teil als Auszug wiedergegeben]

IV. Kriegsziele der Türkei.


Nach dem Verlust der europäischen Provinzen im Balkankrieg hat die Türkei durch die Armenier-Massakers während dieses Krieges nahezu eine nationale oder vielmehr religiöse Geschlossenheit erreicht. Die christliche Bevölkerung macht nur noch einen geringfügigen Bruchteil der Gesamtbevölkerung aus. Nach geringer Schätzung sind 500000 Armenier, wahrscheinlich erheblich mehr, umgekommen – von 1 ½ bis 2 Millionen armenischen Untertanen der Türkei. Insbesondere fielen auf dem Landtransport – Verpflanzung nach Mesopotamien – ungezählte Frauen und Kinder armenischen Volkstums dem Hunger und den Entbehrungen zum Opfer. Zu ihrer Rechtfertigung verweisen die türkischen Machthaber auf die allerdings unbestreitbare Tatsache einer armenischen Revolution im Rücken des türkischen Heeres zu einem höchst kritischen Zeitpunkt. Waffen, Bomben aus armenischem Besitz, revolutionäre Flugblätter und Embleme, das Staatswappen des neu zu gründenden Königreichs Armenien in verschiedenster Ausführung wurden in Wagenladungen nach Konstantinopel gebracht und uns von den dortigen Polizeibehörden vorgelegt. Im übrigen wertet der Türke das Menschenleben wenig – das seiner eigenen Soldaten, das der verhungernden und gänzlich unverpflegten Verwundeten, noch viel weniger das Leben von Rebellen, welche durch die Jahrhunderte hindurch Feinde waren. Talaat sagte mir von der Armenierverfolgung: “Es war ein Krieg im eigenen Lande”. Wie dem immer sei, zur Zeit herrscht die türkische Regierungsgewalt so unbeschränkt, wie noch nie zuvor bis nach Suez, z.B. auch in dem ganz französierten Syrien und in dem bisher nahezu unabhängigen Libanon.



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