1914-02-22-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R14083; R14084
Zentraljournal: 1914-A-03896
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 02/25/1914 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Paul Rohrbach an den Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amts (Zimmermann)

Privatschreiben



Berlin-Friedenau, den 22. Februar 1914

Abschrift.

Sehr verehrter Herr Unt. Staatssekr.!

pp. Anschließend hieran darf ich vielleicht noch mitteilen, daß im Zusammenhang mit den Bestrebungen, die neulich zur Gründung des deutsch-türkischen Schulkomitees geführt haben, eine deutsch-armenische Gesellschaft ins Leben gerufen werden soll. Ihr Zweck ist der, gute Fühlung zwischen den führenden und gebildeten armenischen Elementen und der deutschen Kulturgemeinschaft herzustellen. Es ist ja bekannt, welch eine Bedeutung die Armenier für das allgemeine Leben und speziell für die wirtschaftlich-kulturelle Entwickelung des Orients haben. Bei ihrem energischen Bildungsstreben wird ihr Einfluss in dieser Beziehung sicher noch steigen, und es wäre wünschenswert, Beziehungen mit ihnen zu gewinnen und ihre Interessen auf die Verbindung mit Deutschland hinzulenken. Ich lege ein Exemplar des zur Gründung der Gesellschaft verschickten Aufrufs bei und gebe die Versicherung, dass alles, was in eine politische bedenkliche Richtung führen könnte, bei der Sache vermieden werden wird.


[Dr. Paul Rohrbach.]


Anlage.

Aufruf!


Die politische Umgestaltung des Orients hat die Augen der europäischen Welt wieder auf Armenien gelenkt. Die Großmächte sind gegenwärtig damit beschäftigt, mit der Hohen Pforte einen Reformplan für die von Armeniern bewohnten Provinzen Ostanatoliens zu vereinbaren, um die Gefahren zu beschwören, die bei der Fortdauer der bisherigen Zustände von dort der Ruhe des Orients und dem Weltfrieden drohen. Es ist sichere Aussicht vorhanden, daß diesmal im Unterschiede von allen früheren Behandlungen der armenischen Frage ein befriedigendes Ergebnis erzielt wird. Es steht zu hoffen, daß die schlimmsten Übelstände beseitigt und dem armenischen Volke die Möglichkeit, sich kulturell und wirtschaftlich zu entfalten, in reicherem Maße als bisher gegeben wird.

Hieran hat Deutschland, dessen diplomatische Vertretung den Reformplan wesentlich gefördert hat, ein unmittelbares Interesse. Durch seine großen wirtschaftlichen Unternehmungen in Kleinasien, die teils in überwiegend von Armeniern bewohnten Gebieten gelegen sind, teils unmittelbar an solche Gebiete heranführen, wird es auf die Pflege engerer Beziehungen zu den Armeniern hingewiesen, die ja in allen diesen Gegenden die Träger des wirtschaftlichen und des kulturellen Lebens sind.

Dazu besteht bereits seit Jahrzehnten zwischen Deutschland und Armenien ein Austausch kultureller Art. Nach den Metzeleien von 1894 - 96 sind eine Anzahl deutscher Schulen, Waisenhäuser und Hospitäler in Armenien begründet worden, die dort deutsche Kultur verbreiten. Auf armenischer Seite wird schon längst das Studium deutscher Sprache, Literatur und Wissenschaft mit größtem Eifer betrieben. Mehrere Hunderte von armenischen Studenten sind auf deutsche Hochschulen gekommen und haben Verbindungen mit Lehrern und Schülern unserer wissenschaftlichen Institute angeknüpft. Auch für die Erschließung der reichen Schätze des eigenen Volkstums haben sie hier Anregung und Förderung empfangen, da die Erforschung der Sprache, Geschichte und Literatur Armeniens unter tätiger Mithilfe der deutschen Wissenschaft geschieht.

Alle diese Bestrebungen stehen aber ohne innere Verbindung zueinander. Weitverbreitete Vorurteile hindern die engere Gestaltung der deutsch-armenischen Beziehungen. Es gilt, unter beiden Völkern eine bessere Kenntnis der beiderseitigen Kultur anzubahnen und zu erhalten. Zu diesem Zwecke rufen wir alle Kreise auf, die aus wirtschaftlichem oder politischem, wissenschaftlichem oder allgemein kulturellem, humanem oder religiösem Interesse eine Pflege der deutsch-armenischen Beziehungen wünschen, sich mit uns in einer


"Deutsch-Armenischen Gesellschaft"

zu vereinigen.

Als Ziele einer solchen Gesellschaft kämen in Betracht:


Als Mittel zur Erreichung dieser Ziele sind folgende Arbeiten in Aussicht genommen:
Wir bitten alle, die mit uns in den vorstehend genannten Zielen übereinstimmen, zum Zweck der Begründung der "Deutsch-Armenischen Gesellschaft" ihre Adresse dem mitunterzeichneten Pfarrer Stier in Alten bei Dessau mitzuteilen.

Das Komitee.


Schriftsteller Kurt Aram, Berlin. Dr. Lepsius, Potsdam. Professor Dr. Marquardt, Berlin. Professor D. Rade, Marburg. Lic. Dr. Rohrbach, Friedenau-Berlin. Pfarrer Stier, Alten bei Dessau. Rechtsanwalt Dr. jur. Darbinian, Charlottenburg. Dr. rer. polit. James Greenfield, Berlin. Arzt Dr. med. Hairanian, Berlin. Dr. med. M. Muradian. Arzt Dr. med. Schahbasian, Berlin.


[Antwort Zimmermann 27.2.]

Von Interesse war mir auch die Mitteilung über das Entstehen einer deutsch-armenischen Gesellschaft. Ich möchte annehmen, daß die neue Vereinigung mit ihrer Tätigkeit zweckmäßig in Cilicien von der Grundlage der dort vorhandenen deutschen Interessen aus beginnen würde.

[Notiz Rosenberg 4.5.]


Dr. Lepsius überreicht im Anschluß an eine kürzlich gepflogene Unterredung mit dem Herrn U.St. den anliegenden Aufruf zur Gründung einer "Deutsch-armenischen Gesellschaft". Der Aufruf, der bisher nicht veröffentlicht worden ist, hat bis jetzt die aus der Beilage ersichtlichen Unterschriften gefunden.



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