1909-04-25-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 13185
Zentraljournal: 1909-A-07957
Erste Internetveröffentlichung: 2009 April
Edition: Adana 1909
Praesentatsdatum: 05/06/1909 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: J.No. 364/K.No. 44
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Generalkonsul in Aleppo (Tischendorf) an den Reichskanzler (Bülow)

Bericht



J.No. 364 / K.No. 44
3 Anlagen

Euerer Durchlaucht beehre ich mich in der Anlage 1) Abschrift eines mir gestern Abend zugegangenen Berichtes vom 22. d. Mts. des Kaiserlichen Konsularagenten in Antiochien Herrn M. Missakian über das Massaker der Armenier daselbst am 19. d.Mts. gehorsamst einzureichen. Herr Missakian, selbst Armenier, bezeichnet darin als direkten Anlaß des Ausbruchs der Unruhen in Antiochien den am 19. April daselbst von der hiesigen Wilajetsregierung eingetroffenen telegraphischen Befehl, sämtliche Mannschaften der Reserve und Landwehr sofort einzuberufen und binnen 24 Stunden nach Aleppo zu senden.

Dieser Befehl habe die größte Erbitterung der moslemischen Bevölkerung erregt, welche als Grund der Einberufung eine neue Revolte der Armenier bezeichnete, und gegen 51/2 Uhr habe die Niedermetzelung der Armenier und die Plünderung ihrer Häuser und der Kirche begonnen und bis zum folgenden Morgen gedauert: Unter den Opfern befanden sich der Bischof und der Pfarrer der Gemeinde. Von der armenischen Bevölkerung sollen nur 10 Männer übrig geblieben sein, die sich im Regierungsgebäude befänden und einige Frauen und Kinder in den Moscheen und in moslemischen Häusern.

Bei Abgang des Berichts soll noch immer die moslemische Bevölkerung in den vereinzelt stehenden Häusern nach Armeniern gesucht haben, während die Leichen der Ermordeten, soweit sie nicht in den Fluß Orontes geworfen worden waren, unbeerdigt in den Straßen und Häusern lagen.

In der Nachschrift hebt der Kaiserliche Konsularagent noch die sehr merkwürdige Haltung der obersten Militärbehörden hervor, welche wiederholten Ersuchen um Hülfe seitens des Kaimakams, des Chefs der Zivilbehörden der Stadt, nicht Folge geleistet, sondern die Redifs mit Waffen und Munition versehen und in voller Freiheit die Straßen der Stadt hätten durchstreifen lassen.

In Anlage 2) beehre ich mich, ferner ein von dem Kaiserlichen Vizekonsul in Alexandrette gestern Mittag aufgegebenes, am abend hier eingegangenes Telegramm abschriftlich einzureichen, wonach am 23. d. Mts. im Hafen von Alexandrette ein französisches und ein italienisches Kriegschiff eingetroffen sind. Trotzdem sei die Lage noch sehr besorgniserregend. Aus der Umgegend von Alexandrette und Antiochien, sowie von der Straße von Alexandrette nach Aleppo wird die Fortdauer des Mordens in von Armeniern bewohnten Ortschaften gemeldet, die mit großer Grausamkeit ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht niedergemetzelt wurden.

Die Flucht christlicher Familien aus der Stadt Aleppo dauert fort woselbst gestern reich mit Geldmitteln versehene und angeblich zur Aufhetzung des Volkes gegen die Armenier von Konstantinopel gesandte verdächtige Persönlichkeiten verhaftet worden sind.

Dem Angriff auf den französischen Konsul scheint die Lokalbehörde keine große Bedeutung beilegend zu wollen; man sucht die Tat als in der Trunkenheit begangen darzustellen, was nach dem Verhalten des Täters wenig wahrscheinlich ist. Derselbe ging, als der Konsul vorbeifuhr, auf die Stufe eines Bassins, um den Stoß von oben zu führen, der aber nur die Capote des Wagens traf.

In Anlage 3) füge ich noch Abschrift eines soeben eingegangenen Berichts des Herrn Belfante bei, welcher die Lage in und bei Alexandrette schildert.


Tischendorf

[Anlage 1]


Kaiserlich Deutsche Konsular Agentur Antiochien.

Abschrift.

Antioche, le 22 avril 1909.

J’ai l’honneur d’accuser réception de votre estimée dépêche d’hier, en réponse à la mienne du 20 cr., dont je tiens à vous remercier infiniment.

Je m’empresse cependant de vous donner, ci-après, quelques renseignements complémentaires au sujet de l’incident en question.

Le 19 avril lundi, une dépêche provenant du Vilayet invitait formellement les Autorités locales à envoyer tous les «Rédifs» et «Monstafigs» sans exception dans un délai de 24 heures. A peine que cette nouvelle a été répandue, une vive indignation et révolte s’est manifestée parmi la population musulmane de cette ville. Les musulmanes s’écriaient: «Les arméniens se sont révoltés encore; c’est pourquoi l’on nous envoie.» Ils ne pouvaient empêcher cette mesure qu’en soulevant naturellement un pareil incident.

Ainsi au jour ci-haut indiqué vers 5’h, ils ont attaqué les quartiers arméniens et n’ont fini qu’au lendemain matin. Ils ont massacré tous les arméniens, pillé et ruiné leurs maisons et leur église, l’évêque et le curé ont eu le même sort sans parler de l’évangile qu’ils ont mis en pièces et l’ont foulé aux pieds.

Des arméniens il n’en reste que dix hommes qui se trouvent au Konak du Gouvernement; quelques femmes et enfants ont été transportés soit dans des mosquées soit dans des maisons musulmanes; ils y sont actuellement. Certaines filles ont été emmenés dans des maison musulmanes avec promesse que les musulmans doivent les prendre en mariage. La peur et le danger règnent partout, et les renforts ne sont pas encore arrivés d’Alep. Quant aux rédifs, il ne sont pas partis encore, chose qui est vraiment étonnante.

Cependant la population musulmane ne cesse de parcourir les maison écartées des arméniens pour massacrer les personnes qui s’y trouveraient.

Une partie des cadavres a été traînée jusqu’à l’Oronte où elle a été jetée, l’autre partie se trouve soit dans les rues soit dans les maisons: il n’y a personne pour les ensevelir.

Conséquemment je vous prie instamment de bien vouloir prendre toutes les mesures efficaces en vue de nous sauvegarder et faire rétablir l’ordre et la tranquillité de la ville.

En attendant j’ai l’honneur etc. etc. etc.


L’Agent Consulaire Imp. d’Allemagne
[M. Missakian]

P.S. Le jour de l’incident le Kaimakam de cette ville a, à plusieurs reprises, et en personne, demandé du renfort à notre Bimbachi et Kol-Aghassi, pour maintenir l’ordre, mais ces derniers ont catégoriquement refusé. En outre, le Bimbachi a eu l’audace d’armer les rédifs et leur donner de munitions et pleine liberté de parcourir la ville; ce qui occasionna en grande partie l’incident.

[M. Missakian]
[Eigene Übersetzung]

Kaiserlich Deutsche Konsular Agentur Antiochien.

Abschrift.


Antiochien, den 22. April 1909.

Ich habe die Ehre den Empfang Ihres geschätzten Telegramms von gestern als Antwort auf meines vom 20. des Monats zu bestätigen und bin Ihnen dafür zu Dank verpflichtet.

Ich beeile mich Ihnen nachfolgend einige zusätzliche Informationen zu dem fraglichen Vorfall zu geben.

Am Montag den 19. April forderte das Vilayet formell die örtliche Behörde auf, alle „Rédifs“ [vom Arabischen „hinterherkommen“, Reservetruppen, vergleichbar der preußischen Landwehr im Gegensatz zu den Linientruppen, den Nizam] und „Monstafigs“ ohne Ausnahme innerhalb von 24 Stunden zur Verfügung zu stellen. Kaum hatte sich diese Meldung verbreitet, als sich eine große Empörung und Revolte unter der muslimischen Bevölkerung dieser Stadt breit machte. Die Muslime riefen: „Die Armenier haben wieder einen Aufstand verübt, deshalb holt man uns jetzt.“ Sie konnten diese Maßnahme nur verhindern, in dem sie einen ähnlichen Aufstand machten.

So haben sie an dem oben erwähnten Tag gegen fünf Uhr bis zum folgenden Morgen die armenischen Viertel angegriffen. Sie haben alle Armenier massakriert und ihre Häuser und ihre Kirche geplündert und zerstört. Der Bischof und der Priester haben das gleiche Schicksal erlitten, nicht zu sprechen vom Evangelienbuch, das sie in Stücke gerissen und mit Füßen getreten haben.

Von den Armeniern haben nur zehn Männer überlebt, die sich im Regierungsgebäude befanden; einige Frauen und Kinder sind in die Moschee gebracht worden oder in muslimische Häuser, wo sie sich noch befinden. Einige Mädchen sind in muslimische Häuser geführt worden mit dem Versprechen, daß die Muslime sie zu Frauen nehmen. Angst und Gefahr herrschen überall und Verstärkungen ist nicht aus Aleppo angekommen. Was die Rédifs anbelangt, so sind diese noch nicht fort, was wirklich sehr erstaunlich ist.

Derweilen durchsucht die muslimische Bevölkerung weiterhin entlegene Häuser der Armenier, um jeden zu massakrieren, den sie dort findet.

Ein Teil der Leichen ist zum Orontes geschleppt und hineingeworfen worden, der andere Teil befindet sich auf den Straßen oder in den Häusern. Es findet sich niemand, um sie zu begraben.

Ich bitte Sie deshalb inständig alle wirksamen Mittel zu ergreifen, um uns zu retten und die Ruhe und Ordnung in der Stadt wiederherzustellen.

Bis dahin habe ich die Ehre usw. usw. usw.


Der Konsularagent des Kaiserlichen Deutschland

[M. Missakian]


P.S. Am Tag des Vorfalls hat der Kaimakam dieser Stadt mehrfach persönlich versucht, Verstärkung bei unserem Bimbaschi und Kol-Aghassi zu bekommen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, aber diese haben sich kategorisch geweigert. Darüber hinaus hatte der Bimbaschi die Unverfrorenheit, die Rédifs zu bewaffnen, ihnen Munition zu geben und sie frei in der Stadt herumlaufen zu lassen, wodurch die Vorfälle größtenteils erst hervorgerufen wurden.

[Missakian]

[Anlage 2]

Abschrift eines Telegramms des Kaiserlichen Vizekonsulats in Alexandrette vom 24. April 1909, aufgegeben um 2 Uhr Mittags.

Consulat Général d’Allemagne Alep.

Hier cuirassé français „Venise“, aujourd’hui italien „Francesco Ferruccio“ arrivés Alexandrette. L’état des environs reste excessivement alarmant; ici panique prédomine toujours, autorités impuissantes à réprimer désordres, n’inspirent pas confiance. Par télégrammes communiqués à la mission protestante ici, j’apprends graves massacres eurent lieu au village Kessab et région Antioche. Centaines de veuves et orphelins chrétiens sans appui implorent secours.


[Belfante]
[Eigene Übersetzung]

Abschrift eines Telegramms des Kaiserlichen Vizekonsulats in Alexandrette vom 24. April 1909, aufgegeben um 2 Uhr Mittags.

An das deutsche Generalkonsulat in Aleppo.

Gestern ist der französische Kreuzer „Venise“ und heute der italienische „Francesco Ferruccio“ in Alexandrette angekommen. Die Lage in der Umgebung ist äußerst alarmierend, hier herrscht noch immer Panik vor. Die Behörden in ihrer Unfähigkeit, das Durcheinander zu verhindern, erwecken keinerlei Vertrauen. Durch Telegramme an die hiesige protestantische Mission erfahre ich, daß es schwere Massaker im Dorf Kessab und der Region Antiochien gegeben hat. Hunderte von schutzlosen christlichen Witwen und Waisen rufen um Hilfe.


[Belfante]
[Anlage 3]

Abschrift.

Alexandrette, le 23. Avril 1909.

J’ai l’honneur d’accuser réception de votre dépêche du 19 courant et je m’empresse de vous tenir au courant des événements qui se déroulent dans cette région.

La situation ne semble malheureusement pas s’apaiser au contraire, l’état d’anarchie s’empire par le fait que les Autorités sont incapable de réprimer les désordres et que la populace musulmane commet des atrocités, plus graves que celles qui ont marqué les massacres de 1895, pour ce qui concerne mon district.

Les nouvelles du massacre général des chrétiens à Kirikhan dont j’ai fait mention par mon rapport du 20 courant se sont confirmées. J’ai su par un musulman, venu de cette localité, que des bandes de circassiens et de Kurdes venues de l’intérieur, se sont jointes à la populace pour l’extermination des chrétiens en général et des arméniens surtout. Après avoir terminer leur œuvre dévastatrice à Kirikhan, ces hordes barbares, me dit-on, se sont dirigées en partie vers Antioche et en partie vers Beylan, en route vers la région d’Alexandrette. L’Agence Consulaire de la première de ces localités, devant vous tenir au courant de ce qui se passe dans mon district, je me borne à vous rapporter que Beylan a déjà été deux fois attaqué par ces bandes barbares, mais les troupes envoyées d’urgence d’Alexandrette pour les repousser, ont réussi jusqu’à présent de les tenir en échec, sans toutefois réussir à les faire battre en retraite.

Dans la région comprise entre Beylan et Alexandrette la populace continue à saccager et à brûler des fermes des chrétiens, divers habitants de ces fermes ont trouvé la mort, pendant qu’ils prenaient la fuite pour venir se réfugier dans la ville. Le Commandant Militaire de la place déclare se trouver dans l’impossibilité d’assurer la sécurité de la région et des villages du district devant employer toutes les forces dont il dispose 220 soldats de troupes régulières en tout, pour la protection de la ville même en cas d’invasion. La majeurs partie de ces troupes est employée à défendre la route de Beylan.

Dans la ville d’Alexandrette la panique et la désolation sont au comble, la foule manquant de confiance, et convaincue de l’impuissance des Autorités en cas d’invasion, se trouve toujours réfugiée dans les églises, dans les Consulats et dans les dépôts situés au bord de la mer. La situation sanitaire de ces réfugiés est sérieusement menacée, et trois cas de fièvre typhoïde viennent ce matin d’être constaté parmi les réfugiés de l’Église protestante. Cet état des choses, vu le climat malsain du pays et l’agglomération des nécessiteux dans les refuges, menace Alexandrette d’une forte épidémie. La misère, par le manque de travail devient de jour en jour plus grande, et toutes les affaires continuent à être paralysées.

Avant hier le cuirassé anglais «Triumph» est arrivé ici et s’est rendu dans les eaux de Payas, ayant à bord le Commandant militaire de la place, 50 soldats turcs et une commission composée de 9 notables de la ville composée de 3 musulmans, de 6 chrétiens, dont M. Balit drogman de ce Vice-Consulat invité à cet effet par les autorités locales comme privé.

Cette commission accompagnée par le commandant du «Triumph» et par le Gérant du Vice-Consulat d’Angleterre s’est rendu sur les lieux des hostilités, les négociations entamées avec les assiégeants n’ont malheureusement abouti à aucun résultat efficace par le fait que les Autorités tout en reconnaissant la nécessité de l’envoi de mille hommes de troupes pour repousser les hordes barbares qui assiégent le village, déclarent, ne pas posséder cette force armée à leur disposition. La garnison d’Alexandrette n’étant composée, comme il est dit plus haut que d’environ 200 hommes.

La commission a en tout cas réussi de convaincre les assiégeants de cesser temporairement les hostilités mais ses efforts pour rendre l’eau (dont le cours se trouve depuis quatre jours coupé par les musulmans) au village de Dortyol sont restés infructueux. La commission estime à 4000 hommes le nombre des assiégeants de Dortyol qui sont composés de bandes de Kurdes, de circassiens venue de l’intérieur et d’habitants musulmans des villages environnants. Les assiégés tout au nombre d’environs 8000 âmes, hommes, femmes et enfants, dont la moitié représente des réfugiés des villages chrétiens de la région, dont les habitations ont été saccagées et brûlées.

Suivant le rapport de la commission le village de Dortyol pourrait encore résister quelques jours par le fait que ses habitants s’y sont bien barricadées mais le manque de l’eau pourrait en précipiter la chute entre les mains des barbares qui l’assiégent. Les pertes en hommes tant de la part des assiégeant que des assiégés ne semblent pas jusqu’ici avoir été importantes.

En résumé cet état des choses ne saurait être attribué qu’à l’impuissance notoire des Autorités Ottomanes à maintenir l’ordre et à recouvrer la sécurité de cette malheureuse région.

Le «Triumph» est rentré avant hier même à 10 heures du soir avec le commandant militaire et la commission ramenant encore ici les 50 hommes de troupes laissant le sort de Dortyol à la merci des événements.!!

Le croiseur «Diana» est parti hier matin d’Alexandrette.

J’apprends que le vaisseau «Verité» de la marine française arrivera aujourd’hui même à Alexandrette.

Le Consul de France de cette ville a reçu l’ordre de son Gouvernement de distribuer des vivres aux réfugiés sinistrés actuellement à Alexandrette.

Veuillez agréer, Monsieur le Consul général, l’assurance de ma considération la plus distinguée.


Le Vice-Consul Impérial
[Belfante]
[Eigene Übersetzung]
Abschrift.

Alexandrette, den 23. April 1909.
Ich habe die Ehre Ihnen den Empfang Ihres Telegramms vom 19. des Monats zu bestätigen und beeile mich Sie über die Ereignisse, die sich in dieser Region abspielen, auf dem Laufenden zu halten.

Die Situation verbessert sich leider nicht, im Gegenteil, die Anarchie wird größer dadurch, daß die Behörden unfähig sind, die Ordnung herzustellen und der muslimische Pöbel Scheußlichkeiten begeht, die, was meinen Bezirks anbelangt, schlimmer sind als die Massaker von 1895.

Die Nachrichten über die allgemeinen Massaker an den Christen in Kirikhan, die ich in meinem Bericht vom 20. April des Monats erwähnte, haben sich bestätigt. Ich habe von einem Muslim, der von diesem Ort kam, erfahren, daß sich tscherkessische und kurdische Horden aus dem Landesinneren dem Pöbel angeschlossen haben, um die Christen im allgemeinen und die Armenier im besonderen auszurotten. Nachdem sie ihr zerstörerisches Werk in Kirikhan verrichtet hatten, haben sich die barbarischen Horden, wie mir berichtet wird, zum Teil nach Antiochien gewandt, zum Teil nach Beylan, die in die Region von Alexandrette führt. Die konsularische Agentur des ersten Ortes wird sie auf dem laufenden halten über das, was in meinem Distrikt geschieht, deshalb beschränke ich mich darauf Ihnen zu berichten, daß Beylan zweimal von den barbarischen Horden angegriffen worden ist, aber die von Alexandrette eilendst dorthin geschickten Truppen haben sie bislang aufhalten können, allerdings ohne sie zurückzuwerfen.

In der Region zwischen Beylan und Alexandrette verwüstet und brandschatzt der Pöbel weiterhin die Bauernhöfe der Christen, wobei verschiedene Bewohner dieser Höfe den Tod fanden , als sie die Flucht ergriffen, um sich in die Stadt zu retten. Der örtliche Militärkommandant erklärt sich außerstande, die Sicherheit der Region und der Dörfer des Distrikts zu gewährleisten, da er im ganzen nur über 200 reguläre Soldaten für den Schutz der Stadt selbst im Falle eines Angriffs verfügt. Die Mehrheit seiner Truppen sind damit beschäftigt, die Straße von Beylan zu sichern.

In der Stadt Alexandrette herrschen äußerste Panik und Hoffnungslosigkeit. Die Menge, die keinerlei Vertrauen mehr hat und von der Machtlosigkeit der örtlichen Behörden im Falle eines Angriffs überzeugt ist, hat sich in die Kirchen, die Konsulate und die Lager am Strand geflüchtet. Die sanitäre Lage dieser Flüchtlinge ist sehr ernst und heute morgen sind drei Fälle von Typhus in der protestantischen Kirche bekannt geworden. Alexandrette ist von einer schweren Epidemie bedroht angesichts des schlechten Klimas in diesem Land und der Anhäufung von Hilfsbedürftigkeit in den Fluchtunterkünften. Durch den Mangel an Arbeit wird die Misere von Tag zu Tag größer und jeglicher Handel ist völlig lahmgelegt.

Vorgestern kam der englische Kreuzer „Triumph“ hier an und hat sich in die Gewässer von Payas begeben. An Bord sind der hiesige Militärkommandant, 50 türkische Soldaten und eine Kommission aus neun Notabeln der Stadt, darunter drei Muslime und sechs Christen, sowie Herr Balit, der Dragoman dieses Vizekonsulats, der von den Behörden als Privatmann eingeladen wurde.

Diese Kommission, begleitet von dem Schiffskommandanten der Triumph und dem Geschäftsführer des englischen Vizekonsulats hat sich zum Ort der Feindseligkeiten begeben. Die Verhandlungen mit den Belagerern haben leider zu keinem Ergebnis geführt, weil die Behörden erklären, obgleich sie die Notwendigkeit der Entsendung von tausend Mann Truppen anerkennen, um die das Dorf belagernden barbarischen Horden abzuwehren, eine solche Streitmacht nicht zu ihrer Verfügung zu haben. Denn die Garnison von Alexandrette ist, wie oben gesagt, nur 200 Mann stark.

Der Kommission ist es immerhin gelungen, die Belagerer dazu zu bringen, die Feindseligkeiten vorerst einzustellen. Allerdings sind sie gescheitert mit dem Versuch, dem Dort Dörtjol wieder Wasser zu verschaffen (der Flußlauf ist seit vier Tagen von den Muslimen abgeschnitten). Die Kommission schätzt die Anzahl der Belagerer von Dörtjol auf 4000, die sich aus kurdischen und tscherkessischen Banden aus dem Innern zusammensetzen, wozu noch muslimische Einwohner der umliegenden Ortschaften kommen. Die Belagerten zählen etwa 8000 Seelen, Männer, Frauen und Kinder, wobei die Hälfte aus Flüchtlingen der christlichen Dörfer der Region besteht, deren Behausungen geplündert und in Brand gesetzt worden sind.

Nach dem Bericht der Kommission kann das Dorf Dörtjol sich noch einige Tage lang halten, weil sich die Bewohner stark verbarrikadiert haben, aber der Wassermangel könnte sie schneller in die Hände der Belagerer fallen lassen. Die Verluste an Männern scheinen sowohl auf Seiten der Belagerer wie der Belagerten bis jetzt nicht sehr groß zu sein.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Lage der Dinge allein der notorischen Unfähigkeit der osmanischen Behörden zuzurechnen ist, die Ordnung und Sicherheit dieser unglücklichen Region zu gewährleisten.

Die „Triumph“ ist vorgestern abend um zehn Uhr mit dem Militärkommandanten und der Kommission sowie den 50 Soldaten zurückgekehrt und hat den Ort Dörtjol seinem Schicksal überlassen!!

Der Kreuzer „Diana“ hat gestern Vormittag Alexandrette verlassen.

Ich erfahre, daß das Schiff „Verité“ der französischen Marine heute in Alexandrette ankommen wird.

Der französische Konsul dieser Stadt hat von seiner Regierung Befehl erhalten, Lebensmittel an die derzeit in Alexandrette gestrandeten Flüchtlinge zu verteilen.

Mit vorzüglicher Hochachtung


Der kaiserliche Vizekonsul
[Belfante]



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