1909-06-02-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 13187
Zentraljournal: 1909-A-10078
Erste Internetveröffentlichung: 2009 April
Edition: Adana 1909
Praesentatsdatum: 06/13/1909 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: J.No. 802/ 44
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Vizekonsul in Jaffa (Rößler) an den Reichskanzler (Bülow)

Bericht



J.No. 802 / 44
S.M.S. Lübeck hat vom 29. Mai bis zum 1. Juni vor Jaffa gelegen. Der Besuch, welcher dem von S.M.S. Hamburg in einem Abstande von nur 14 Tagen gefolgt ist, hat bei Deutschen, bei Fremden und bei den einheimischen Christen den ausgezeichnetsten Eindruck hinterlassen und die gewünschte Wirkung auf die muhammedanische Bevölkerung hervorgebracht. Die Deutschen fühlen sich durch den Besuch gehoben und gestärkt, die Fremden erkennen an, dass Deutschland am promptesten gehandelt hat, um zur Beruhigung der aufgeregten Gemüter beizutragen und hoffen, dass Deutschlands Beispiel auch andere europäische Mächte zur Entsendung von Kriegsschiffen veranlassen wird und die einheimischen Christen, welche die lebhaftesten Befürchtungen für ihre Leben hegten, erwarten ihr Heil von Deutschland.

Die durch die Muhammedaner gehende Unruhe hat sich in den letzten 14 Tagen äusserlich weniger bemerkbar gemacht als vorher, hat aber darum nicht aufgehört, so dass die Stationierung des Cormoran im östlichen Mittelmeer auch im Interesse der Deutschen des Bezirks Jaffa nach wie vor dringend erwünscht erscheint. Die 100 Mann der hiesigen Garnison, welche am 20. April nach Mersina gesandt worden waren, gehören zu denjenigen Truppen, welche sich an Mord und Plünderung in Adana beteiligt haben. Es ist von den hiesigen Deutschen sehr übel vermerkt worden, dass diese Leute nach Jaffa zurückgebracht worden sind ohne dass ihre Bestrafung erfolgt ist. Einzelne davon haben sich hier der Zahl der von ihnen Erschlagenen und der Menge des durch Plünderung gewonnenen Geldes gerühmt.

Ich darf bei dieser Gelegenheit noch eines anderen Umstandes gedenken. Unter den türkischen Beamten, welche sich bei den Massakres in Adana durch Eifer und Grausamkeit einen besonderen Namen gemacht haben, steht Assaf Bey, der Mutesarrif von Dschebeli Bereket, an der Spitze. Es ist derselbe, der 1907/1908 Kaimmakam von Jaffa war und hierselbst im März v.J. auf eigene Faust ein Judenmassakre im kleinen veranstaltete, welches ihn infolge des Eingreifens Euerer Durchlaucht seine hiesige Stellung kostete. Wäre Assaf Bey jetzt noch hier gewesen, so ist nicht daran zu zweifeln, dass es in den kritischen Apriltagen nicht bei der Ansage von Metzeleien geblieben wäre. Er ist in Adana vor ein Kriegsgericht gestellt und, wenn die hierher gelangten Privatnachrichten zutreffend sind, gehängt worden.

Zwischen den Offizieren und Mannschaften S.M.S. Lübeck und den hiesigen Deutschen waren sehr rasch die freundschaftlichsten Beziehungen geknüpft. Am 30. d.M. war der Kommandant mit 9 Offizieren und 230 Mann in Jerusalem, am 31. waren 100 Mann in Gruppen von je 2 bei deutschen Familien von Jaffa und Sarona zu Tisch geladen und vereinigten sich des nachmittags zu einem harmonisch verlaufenen Familiefest in Sarona. Anmarsch und Abmarsch der Abteilung erfolgten mit Musik. Die Haltung der Leute war musterhaft. Irgend welche Reibungen mit der Bevölkerung sind nicht vorgekommen.


Rößler



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