1909-06-04-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/R 13187
Zentraljournal: 1909-A-09789
Erste Internetveröffentlichung: 2009 April
Edition: Adana 1909
Praesentatsdatum: 06/08/1909 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 137
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Botschafter in Konstantinopel (Marschall von Bieberstein) an den Reichskanzler (Bülow)

Bericht



Nr. 137
2 Anlagen.

In der Anlage beehre ich mich einen weiteren Bericht des Kaiserlichen Konsuls Christmann in Mersina zu senden.

Nach zuverlässigen Informationen sind die darin enthaltenen Adananachrichten falsch. Mein englischer Kollege sagte mir vorgestern, er habe den Abend zuvor ein Telegramm seines Konsuls in Adana erhalten, wonach dort vollkommene Ruhe herrsche und keinerlei Ausschreitungen mehr vorgekommen seien.

Den angeblichen Soldatenbrief, welcher dem Berichte beilag, habe ich übersetzen lassen. Vermutlich ist derselbe eine Fälschung irgend eines Armeniers. Selbst wenn er echt sein sollte, so kommt der Kundgebung irgend eines „miles gloriosus“ keinerlei Bedeutung zu.


Marschall
[Anlage]

Abschrift

Mersina, den 25. Mai 1909.

Kaiserlich Deutsches Konsulat.

J. Nr. 355.

Soeben erfahre ich, dass bei Ewerek, südlich von Kaisarea, Christenmetzeleien stattgefunden haben, ebenso in Farache, ein exklusiv von Griechen bewohnter Ort. Es scheint überhaupt, dass auch in der Ungegend von Adana die Ordnung noch lange nicht wiederhergestellt ist und, dass täglich vereinzelte Anfälle auf Christen noch vorkommen. Die Türken verhehlen auch garnicht, dass sie keinen Armenier am Leben lasen wollen, leider verschonen sie aber auch andere Christen nicht. Der Agent des Oesterr. Lloyd erzählte mir gestern, dass gestern längseits des hier verankert gewesenen Österr. Lloyschiffes „Imperator“ 3 Leichname, anscheinend Mann, Frau und Kind, angeschwemmt kamen und nach Aussage des Schiffarztes nicht länger als 4 bis 5 Tage getötet worden sein konnten, was also deutlich beweist, dass die Metzeleien einfach noch fortgesetzt werden.

Anliegend erlaube ich mir das fotographische Facsimile eines Briefes eines türkischen Soldaten - das Original wurde hier auf der Strasse gefunden - zu überreichen, der für sich selbst spricht.

In Adana befürchtet man ernste Reibereien zwischen Reaktionären und Jungtürken. Der Belagerungszustand wurde über Adana verhängt, ohne dass man es für nötig gehalten hätte, die verschienenen Konsulate darüber zu unterrichten. Die Christen in Adana sind in grösster Verzweiflung, weil sie sehen, dass die Türken sich durch die Anwesenheit der Kriegsschiffe nicht bloss nicht einschüchtern lassen, sondern ruhig fortfahren in ihren Greueltaten.


[Christmann]

Uebersetzung

Mein hochverehrter Bruder Said Agha, herzlichen Gruss und Gottes Segen!

Ich erkundige mich nach ihrem hohen Befinden. Wenn Sie nach meinem Wohlergehen fragen, so bin ich gesund und wohlauf und bitte Gott den Gerechten, dass auch Sie gesund und wohlauf sein mögen. Sie fragen mich, was es Neues gibt. Vor vierzig Tagen sind wir von Adrianopel aufgebrochen und nach Gallipoli gekommen. Von dort wiederum sind wir nach Mersina gefahren und von dort in das Vilajet Adana marschiert. Dort haben wir einen Kampf mit den Armeniern gehabt. Sechstausend Stück von den Giaurs haben wir getötet, sodass auf den Plätzen ihr Blut wie ein Strom floss. Die Uebrigen haben wir lebend ergriffen und der Regierung übergeben. Darauf sind wir von dort nach Mersina gekommen und liegen jetzt in Mersina. Gott sei Dank gibt es bei uns keinen Toten. Mein Bruder, die Antwort auf diesen Brief gib dem (Fuad bin Ismaill??) Sandjak Mersina, 81. Nisamijeregiment, 1. Bataillon, 2. Kompagnie, 5. Zug. Schreibe, mein Bruder! Andere Neuigkeiten gibt es nicht. Teilen Sie mir alles mit, was es dort Neues gibt. In jedem Fall warte ich auf Antwort.


Am 28. April 1325

der bekannte Kamerad und Hirt
Ismail
(......armenische Buchstaben)
Bitte ich warte in jedem Falle auf Antwort.
Für die Uebersetzung gez. Dr. Schönberg.



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