1913-08-30-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R 14081
Zentraljournal: 1913-A-17698
Erste Internetveröffentlichung: 2017 November
Edition: Armenische Reformen
Telegramm-Abgang: 08/30/1913 05:10 PM
Telegramm-Ankunft: 08/30/1913 09:00 PM
Praesentatsdatum: 08/31/1913 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 494
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Therapia, den 30. August 1913

Sprache des russischen Botschafters und der Umstand, daß nach mehrwöchiger Pause den Botschaftern wieder täglich Bulletins des armenischen Patriarchats über angebliche türkische Grausamkeiten zugehen, weisen darauf hin, daß Rußland die armenische Frage mit erhöhtem Nachdruck betreiben will, um angesichts seiner voraussichtlichen Niederlage in der Adrianopelfrage sich wenigstens einen Erfolg bezüglich Armeniens zu sichern.

Bei den unverbindlichen Besprechungen zwischen Schönberg und Mandelstam hat letzterer als einzige eventuelle Konzession einen Verzicht Rußlands auf ein einheitliches Armenien angeboten, besteht aber auf Beseitigung der Vilajets, auf Generalinspekteure, die mit Zustimmung der Mächte ernannt werden sollen, und auf Beamtenernennungsrecht der Generalinspekteure.

Diese drei Punkte bedeuten einen so starken Eingriff in die türkischen Souveränitätsrechte, daß auf eine Einigkeit der Mächte nicht zu rechnen ist und noch weniger auf die türkische Zustimmung. Die russischen Forderungen sind nur erfüllbar, wenn alle Mächte entschlossen sind, diese Forderungen nötigenfalls unter Anwendung von Gewalt durchzusetzen. Würden wir uns an das russische Programm binden, so wäre mit Sicherheit zu erwarten, daß andere Mächte, zum Beispiel Italien, vorher abschwenken und uns das Odium überlassen würden. Ein weiteres Eingehen auf die russischen Pläne würde daher nur unter der Voraussetzung erfolgen können, daß wir vorher die Mächte verständigten, wir würden uns an einem Druck gegen die Türkei nicht beteiligen.

Ich habe heute die Lage mit Großwesir besprochen und ihn auf die Forderungen aufmerksam gemacht, mit denen die Mächte eventuell an die Pforte herantreten könnten. Es liege im Interesse Türkei, dem Schritt der Mächte zuvorzukommen und aus eigener Initiative Reformen einzuführen, die in ihren Hauptlinien den Wünschen Europas entsprächen. Die Pforte könne dabei, ohne sich selbst etwas zu vergeben, sehr weit gehen, jedenfalls weiter als unter dem Druck der Mächte.

Großwesir erwiderte, er habe, meinen früheren Ratschlägen folgend, schon vor längerer Zeit Verhandlungen mit den Armeniern eröffnet und hoffe bestimmt, mit ihnen zu einer direkten Verständigung zu gelangen. Einem Versuch der Mächte, sich in die inneren ...1 der Türkei einzumischen, werde er den äußersten Widerstand entgegensetzen. Veränderung der Zoneneinteilung, von den Mächten bestellten Oberkommissar etc. werde er in jedem Falle auch einem geschlossenen Europa gegenüber ablehnen, da die Zulassung derartiger Eingriffe das Ende der Türkei bedeuten würde. Die Einrichtung der Reformen sei ausschließlich Sache der Türkei; das Recht der Mächte, die Ausführung der Reformen zu kontrollieren, erkenne er an und werde darüber mit sich reden lassen.


[Wangenheim]

1 Gruppe fehlt.



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