1913-12-04-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon/169
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


"Haratsch"





Erserum, den 4. Dezember 1913

Wir haben gehört und davon Kenntnis genommen, dass die Regierung wenigstens im Vilajet Wan gegen die Räubereien vorgeht und die dort hausenden Briganten vernichtet. Mit Genugtuung hatten wir gemeldet, dass die Banditen Mahmud Schakir und Mir Mihe von der Regierung umgebracht worden sind und haben dem Vali in Wan Tachsin Bey laut dazu gratulirt. Es schien als ob eine von unseren kranken Provinzen endlich von dem Alpdruck der Plünderung, der Unsicherheit und des Blutvergiessens befreit werden sollte .... Heute aber tritt die nackte Wirklichkeit zu Tage, traurige Thatsachen durchkreuzen unsere Zufriedenheit. Die Regierung hat zwar Schakir getötet, aber seinen Sohn Lesgi hat man freigelassen. Ebenso ist Fagos und Assim Effendi und Genossen begnadigt. Räuber und allbekannte Diebe wie Gurd Bey erhalten öffentlich Geschenke von der Regierung. Der Vali, der noch im vorigen Monat so eifrig und energisch für die Sicherheit der Armenier besorgt war, züchtet heute mit Sorgfalt und System neue Shakirs, neue Mir Mihes und andere Übelthäter. Wo liegt des Rätsels Lösung? Was ist das für eine tolle abenteuerliche Politik? Die Frage ist nicht schwer zu lösen. Diese Politik ist nicht neu. Sie ist eine von jenen traurigen Erbschaften aus dem hamidischen Regime, es ist die Politik der Vernichtung der Armenier. Es ist die Politik, die sich den Wahlspruch: Armenien ohne Armenier zur Parole gewählt hat. Leute wie Tachsin Bey sollten nur pro forma ein Exempel konstatiren, um Europa, der zivilisirten Menschheit, der armenischen Gemeinde Staub in die Augen zu werfen und sie glauben zu machen, die Reformen hätten schon angefangen. Aber nun sorgen sie dafür, dass noch genug armenierfressende Räuber übrig bleiben, die das Gut, die Ehre und das Leben der Armenier bedrohen, die Armenier zur Verzweiflung bringen und ihn von ihrem angestammten Grund und Boden forttreiben. Diese Tahsins sehen sich gegenüber dem unliebsamen fremden Eingriff gezwungen einige blutsaugende Räuber zu töten, aber gleichzeitig hetzen sie neue Rudeln auf das gehetzte Wild los. Unsere offizielle Presse und die Regierungslenker mögen noch so viel von ihren guten Absichten und schönen Gefühlen reden, die traurige Wirklichkeit ist doch beredter und überzeugender. In Wan zeigt sich heute der typische Ausdruck der armeniervernichtenden Politik. Wir fragen wer hat bisher den Schaden dieser Politik gehabt und wer wird ihn künftig haben? Etwa nur die Armenier? Die Tahsin Beys müssten sich doch darüber klar sein, dass es vor allem ihr eigenes unglückliches Vaterland, das Osmanische Reich ist, das den Schaden trägt. Sie sollten an die Fabel vom Affen denken, der den Ast absägte, auf dem er selber sass. Genau so machen sie es mit ihrer unglücklichen Politik, in dem sie dauernd Ostanatolien unter Feuer halten.



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