1914-07-19-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 19866
Zentraljournal: 1914-A.S.-1291
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 07/19/1914 07:30 PM
Telegramm-Ankunft: 07/19/1914 09:17 PM
Praesentatsdatum: 07/20/1914 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 352
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 352

Therapia, den 19. Juli 1914

Talaat Bey sagte mir, die türkisch-griechischen Verhandlungen nähmen einen guten Fortgang. Die Idee der Errichtung eines suzeränen Fürstentums unter einem griechischen Prinzen sei aufgegeben. Dagegen sei jetzt eine Art Autonomie unter einem von der Türkei und Griechenland gemeinsam zu ernennenden Generalgouverneur geplant. Auch das militärische Besetzungsrecht solle gemeinsam ausgeübt werden nach dem Vorbild des ehemaligen Regimes im Sandschak. Griechenland bestehe auf Defensivbündnis. Er trete dafür ein, daß die Pforte den Bündnisantrag annehme. Früher sei er für Anschluß an Bulgarien gewesen, habe sich aber in Rumänien und durch mich überzeugen lassen, daß das Bündnis mit Griechenland vorzuziehen sei. Großwesir werde demnächst wegen Finalisierung des Übereinkommens mit Venizelos in Brüssel zusammentreffen.

Falls die Türkei mit Griechenland sich verbündet und Bulgarien sich inzwischen Österreich beziehungsweise dem Dreibund angeschlossen hat, so könnte der Fall eintreten, daß Bulgarien gleichzeitig mit Österreich Serbien angreift, wobei Griechenland Serbien Hilfe bringen müßte, dann wäre der casus foederis für die Türkei gegeben, die ihrerseits gegen den Bundesgenossen Bulgariens Österreich, also auch gegen uns, marschieren müßte. Dazu würde sie sich aber nur entschließen, wenn das griechisch-türkische Bündnis vorher unter den Schutz Rußlands beziehungsweise der Triple Entente gestellt wäre.

Ich habe heute dem Großwesir unter vorsichtigem Hinweis auf die Möglichkeit einer ernsteren Wendung der serbisch-österreichischen Beziehungen nahegelegt, vor Klärung der Lage keinerlei Bündnisse zu finalisieren.

Großwesir sagte mir, in der Bündnisfrage habe nicht Talaat Bey, sondern er das letzte Wort. Er werde zwar mit Venizelos demnächst zusammentreffen, gedenke aber nicht auf den griechischen Bündnisantrag einzugehen. Die Inselfrage lasse sich voraussichtlich auch ohne Bündnis lösen.

Prinz Said Halim bemerkte schließlich, daß die Verhandlungen zwischen Talaat Bey und Venizelos in letzter Zeit unter Vermittlung Herrn Dillon’s geführt worden seien.


[Wangenheim]



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