Ich erwiderte Enver, daß er mich von der Notwendigkeit von Bündnissen für die Türkei nicht überzeugt habe. Schon die wirtschaftliche Genesung der Türkei werde durch ein Bündnis in Frage gestellt. Würden Rußland und Frankreich die Akkords zeichnen, wenn die Türkei dem Dreibund beitrete? Schwerer wögen die politischen Bedenken. Als Dreibundmitglied werde die Türkei mit der offenen Feindschaft Rußlands rechnen müssen. Die türkische Ostgrenze würde dann der schwächste Punkt der strategischen Aufstellung des Dreibunds und der natürliche Angriffspunkt Rußlands sein. Die Dreibundregierungen würden voraussichtlich zögern, sich mit Pflichten zu belasten, für welche die Türkei heute noch keine entsprechenden Gegenleistungen anzubieten habe. Auch die Türkei und Bulgarien als Bloc seien dem Dreibund gegenüber kaum bündnisfähig. Etwas anderes wäre es, wenn dem Block auch noch Rumänien beiträte, wofür aber z.Zt. wenig Aussicht vorhanden sei.
Enver Pascha hörte aufmerksam zu, betonte aber immer wieder, daß, wenn der Dreibund das bulgarisch-türkische Bündnis verhindere, die Tripel-Entente-Freunde im Komitee Oberwasser bekommen würden.
Die augenblickliche kritische Stimmung macht es wenig wahrscheinlich, daß in Brüssel ein Bündnis geschlossen wird. Die Türkei dürfte zunächst versuchen, Bulgarien zu einer Allianz auch ohne Sanktion durch den Dreibund zu bewegen. Wird Bulgarien in den österreichisch-serbischen Konflikt hineingezogen, so ist es beinahe sicher, daß die Türkei nicht neutral bleiben, sondern versuchen wird, über West-Thrazien nach Griechenland vorzudringen.
"Enver Pascha sagte mir, der Großwesir neige der Ansicht zu, daß die Türkei bis zur Vollendung ihrer militärischen und administrativen Reorganisation sich auf keinerlei Bündnis einlassen dürfe. [Kann sie nicht. Blech!] Theoretisch sei diese Auffassung durchaus richtig. In der Praxis ergebe sich aber für die Türkei die Schwierigkeit, daß sie nur dann in Ruhe und gründlich im Innern reformieren könne, wenn sie gegen Angriffe von außen geschützt sei. Dafür bedürfe sie des Rückhalts an einer der Großmächte-Gruppen. [richtig] Eine kleine Minorität im Komitee sei für ein Bündnis mit Rußland und Frankreich, weil ein solches der Türkei mehr Sicherheit gewähre. Die Majorität des Komitees, an der Spitze der Großwesir mit Talaat Bey, Halil und ihm selbst wünschten dagegen nicht Vasallen Rußlands [und Frankreichs] zu werden und seien überzeugt, daß der Dreibund militärisch stärker sei als die Entente und bei einem Weltkriege obsiegen werde. Er könne mithin erklären, daß die jetzige türkische Regierung den Anschluß an den Dreibund dringend wünsche und nur, wenn sie von uns zurückgewiesen werde, schweren Herzens sich zu einem Pakt mit der Triple-Entente entschließen werde. Nun sehe das Kabinett sehr wohl ein, daß die Türkei gegenwärtig den Großmächten gegenüber nicht bündnisfähig sei. Sie verlange daher auch nur den Schutz der betreffenden Mächtegruppen für ein Bündnis, welches sie selbst mit einem kleineren Staat schließe. Zur Zeit beständen für die Türkei zwei Möglichkeiten sekundärer Bündnisse: Die Allianz mit Griechenland, die zur Triple-Entente hinüberleite, und die Allianz mit Bulgarien, die zum Dreibund führe. Das Kabinett sei daher geneigt, mit Bulgarien unter der Bedingung abzuschließen, daß das Bündnis vom Dreibund, mindestens aber von einer Dreibundmacht patronisiert werde. Mit Bulgarien sei ein Bündnisvertrag mit allen Details bereits früher vereinbart und nur deshalb nicht unterzeichnet worden, weil Bulgarien ohne Patronanz des Dreibunds sich nicht dazu habe entschließen können. Nunmehr sei infolge der österreichisch-serbischen Spannung die Lage kritisch geworden. Auf den Ausbruch eines Krieges am Balkan könne die Pforte nicht erst warten. Die gemeinsamen militärischen Vorbereitungen müßten sofort getroffen werden.
Ich erwiderte Enver, daß er mich von der Notwendigkeit von Bündnissen für die Türkei nicht überzeugt habe. Schon die wirtschaftliche Genesung der Türkei werde durch ein Bündnis in Frage gestellt. Würden Rußland und Frankreich die Accords zeichnen, wenn die Türkei dem Dreibund beitrete? Schwerer wögen die politischen Bedenken. Als Dreibundmitglied werde die Türkei mit der offenen Feindschaft Rußlands rechnen müssen. Die türkische Ostgrenze werde dann der schwächste Punkt der strategischen Aufstellung des Dreibunds und der natürliche Angriffspunkt Rußlands sein. Die Dreibund-Regierungen würden voraussichtlich zögern, sich mit Pflichten zu belasten, für welche die Türkei heute noch keine entsprechenden Gegenleistungen anzubieten habe. Auch die Türkei und Bulgarien als Block seien dem Dreibund gegenüber kaum bündnisfähig. Etwas Anderes wäre es, wenn dem Block auch noch Rumänien beiträte, wofür aber z.Zt. wenig Aussicht vorhanden sei.
[Bemerkung Wilhelm II zu diesem Absatz: theoretisch richtig, aber im jetzigen Augenblick falsch! Jetzt handelt es sich um Gewinnung jeder Büchse, die auf dem Balkan bereit ist, für Oesterreich gegen die Slawen loszugehen, daher ist ein Türko-Bulg. Bündniß mit Anschluß an Oesterreich wohl zu [Wort nicht entziffert]. Das ist Opportunitätspolitik, die muß hier getrieben werden.]
Enver Pascha hörte aufmerksam zu, betonte aber immer wieder, daß, wenn der Dreibund das bulgarisch-türkische Bündnis verhindere, die Triple-Entente-Freunde im Komitee Oberwasser bekommen würden.
Die augenblickliche kritische Stimmung macht es wenig wahrscheinlich, daß in Brüssel ein Bündnis geschlossen wird. Die Türkei dürfte zunächst versuchen, Bulgarien zu einer Allianz auch ohne Sanktion durch den Dreibund zu bewegen. [faute de mieux mitzunehmen solange sie auf Österreichs Seiten zu fechten bereit sind] Wird Bulgarien in den österreichisch-serbischen Konflikt hineingezogen, so ist es beinahe sicher, daß die Türkei nicht neutral bleiben, sondern versuchen wird, über West-Thrazien nach Griechenland vorzudringen."