1914-09-09-DE-002
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/ArmGenDE.nsf/$$AllDocs/1914-09-09-DE-002
Quelle: DE/PA-AA/R 22402
Zentraljournal: 1914-A.H.-847
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 09/13/1914 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 10
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt (Zimmermann) an das Große Hauptquartier (Jagow)

Bericht



Nr. 10

Berlin, den 9. September 1914

Der Kaiserliche Botschafter in Konstantinopel hatte am 6. d.M. unter Nr. 723 telegraphiert:

„Talaat Bey sagte mir, daß die Pforte entschlossen sei, Halil unter Abbruch der Verhandlungen mit Griechenland von Bukarest zurückzurufen, wenn Griechenland nicht umgehend seine Neutralität für jeden Fall erkläre. Er ersucht, einen energischen Druck ausüben auf Venizelos, wobei zu betonen bittet, daß, falls Griechenland seine Neutralität nicht erkläre, die Türkei aus der Inselfrage eine Kriegsfrage machen werde. Bleibe Griechenland neutral, so werde die Türkei bezüglich der Inseln so konziliant wie nur irgend möglich sein und zum Beispiel einen hellenischen Gouverneur konzedieren, der allerdings vom Sultan zu ernennen sei. Talaat Bey wird Halil nicht mit definitiven Instruktionen versehen, bevor ihm das Resultat der deutschen Aktion in Athen bekannt gegeben ist. Er hofft aber auf schleunigen Bescheid.

Vertraulich! Ich glaube nicht, daß die Türkei Griechenland, falls letzteres ablehnt, ohne weiteres angreifen wird, bin jedoch türkischen Angreifens sicher, wenn Griechenland Serbien zu Hilfe eilt. Er wäre bedauerlich, wenn die Türkei ihre Kräfte zersplitterte.“

Graf Quadt, der von dem Wunsche Talaat’s telegraphisch unterrichtet wurde, antwortete mit Telegramm Nr. 404 vom 7. September:

„Von Pforte gewünschtes Vorgehen ist unseren Interessen direkt entgegengesetzt. Verquickung der Inselfrage mit allgemeiner Politik ist äußerst bedenklich. Ich glaube garantieren zu können, daß Griechenland keinen Finger rührt, um Serbien zu helfen, außer daß es durch türkische Brüskierung behufs Neutralitätserklärung gezwungen wird. Diese werden König und Venizelos, die Unterschrift unter serbischen Vertrag gesetzt haben, nie erlassen und werden also durch türkisches Vorgehen direkt ins feindliche Lager getrieben. König wie sämtliche Staatsmänner haben mir dies oft deutlich zu verstehen gegeben. Wir spielen somit Spiel unserer Feinde, indem wir ihnen die griechische Armee gegen die Türkei zur Verfügung stellen. Mit ausschlaggebend für griechische Haltung dürfte sein, daß man hier fest davon überzeugt ist, die Türkei ganz leicht schlagen zu können. Damit sind aber den Griechen weitgehende Aussichten eröffnet.

Werde auftragsgemäß Neutralitätsfrage hier weiter besprechen, werde aber vorläufig Schroffheit vermeiden. Drängen wir Griechen zur Neutralitätserklärung, so müssen sie ins feindliche Lager übergehen. Sie würden dann mit ihrer Armee Türken vollauf beschäftigen, so daß diese uns gegen Rußland nichts nützen können. Verlangen wir im Namen der Türkei Neutralitätserklärung nicht, wird Griechenland nach meiner festesten Überzeugung neutral bleiben.“

Ich habe Herrn von Wangenheim von der Auffassung des Grafen Quadt telegraphisch Kenntnis gegeben und hinzugefügt, die von dem Gesandten dargelegten Bedenken seien meines Erachtens nicht von der Hand zu weisen. Ein freundschaftliches Weiterverhandeln mit Griechenland , auch nach aktivem Eingreifen der Pforte gegen Rußland, scheine mir ein besseres Mittel zur Erreichung der griechischen Neutralität als die Drohung mit einem Abbruche der Besprechungen.

Hierauf hat Freiherr von Wangenheim, wie er mit Telegramm Nr. 751 von gestern meldet, folgendes an Graf Quadt telegraphiert:

„Die Äußerungen des Königs und Ihre Ausführungen, die sich, wie Sie wissen, mit meinen Anschauungen vollkommen decken, haben auf Großwesir und Talaat Bey sichtlichen Eindruck gemacht. Beide verstehen die Wichtigkeit der griechischen Neutralität im Falle eines Krieges der Türkei mit Rußland. Die Aussicht auf freundschaftliche Fortsetzung und wahrscheinlich auch Finalisierung der Verhandlungen in der Inselfrage wächst. Griechenland soll sich durch die wahrscheinlich bevorstehenden orientalischen Winkelzüge bei den Besprechungen und auch etwaige türkische Schroffheiten nicht stören lassen. Ich werde dafür sorgen, daß die Türken nicht unvernünftig werden. Sie haben jetzt Verständnis dafür, daß es vor allem darauf ankommt, wenigstens für die Kriegszeit sich die Neutralität Griechenlands zu sichern. Talaat Bey möchte in den Vertrag irgendeine versteckte, Griechenland nicht kompromittierende Neutralitätserklärung Griechenlands aufgenommen wissen. Unter unserer Mithilfe wird sich vielleicht die Formel noch finden lassen. Der griechischen Auffassung von der Minderwertigkeit der türkischen Armee, die nach Limans und seiner Generalstabsoffiziere Auffassung mindestens hundert Prozent besser ist, als im Balkankrieg, und die vor allen Dingen mit Train, Provision und Munition reichlich ausgerüstet ist, können Sie im Interesse Griechenlands gar nicht energisch genug entgegentreten. Liman ist sich eines Erfolges über Griechenland absolut sicher. Der hier weilende Herr Ghenadieff bittet außerdem die Türkei, womöglich Bulgarien die Abrechnung mit Griechenland und Serbien allein zu überlassen, da es für diese Aufgabe vollkommen gerüstet sei.“

Weiteres ist von hier aus vorläufig nicht veranlaßt.


Zimmermann



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved