1914-09-29-DE-005
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Quelle: DE/PA-AA/R 19907
Zentraljournal: 1914-A.S.-24591
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 09/29/1914 01:30 PM
Telegramm-Ankunft: 09/30/1914 12:30 PM
Praesentatsdatum: 09/30/1914 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 925
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 925.

Therapia, den 29. September 1914

Unter Bezugnahme auf Erlaß Nr. 594 {A 21372}.

Amerikanischer Botschafter Morgenthau, Jude, aus Mannheim gebürtig, ist loyaler Amerikaner, aber überall da im höchsten Maße deutschfreundlich, wo amerikanische und deutsche Interessen sich zusammenbringen lassen. Ich benutzte Morgenthau nach Beginn des Krieges, um aufklärende Mitteilungen an Präsident Wilson gelangen zu lassen, der in der Tat seine Wahl Morgenthaus Einfluß mitverdankt.

In der letzten Zeit sprach mir mein Kollege wiederholt von den desaströsen Wirkungen des Krieges auch auf Amerika.

Bis spätestens Weihnachten werde die notleidende Bevölkerung der kriegführenden Staaten den Frieden verlangen, dann werde Herr Wilson, der ein feines Gefühl für öffentliche Stimmungen habe, als Friedensstifter auftreten. Ich habe Herr Morgenthau jedesmal erwidert, daß es für Herrn Wilson nicht leicht sein werde, den Staat zu finden, der vor den übrigen kriegführenden Staaten eine Vermittlerrolle Amerikas akzeptiere. Deutschland werde jedenfalls fechten bis es sein Ziel erreicht habe.

Heute erschien Herr Morgenthau wieder bei mir und sagte mir, er habe sich inzwischen von den Schwierigkeiten einer amerikanischen Friedensvermittlung überzeugt. Da die wirtschaftliche Lage Amerikas aber immer prekärer werde, so möchte letzteres nunmehr aktiv eingreifen, um den Krieg abzukürzen. Von einem direkten Einwirken auf die Kriegführenden könne natürlich keine Rede sein. Amerika habe aber ein starkes Druckmittel in der Hand: Den Bedarf Europas an amerikanischen Nahrungsmitteln. Dieser Bedarf Europas habe die Getreide- und Fleischpreise in Amerika bereits derartig gesteigert, daß die arme Bevölkerung ernstlich zu leiden anfange. Er habe daher heute dem Präsidenten telegraphisch dringend geraten, sofort im Interesse der notleidenden Bevölkerung ein Ausfuhrverbot für womöglich alle Nahrungsmittel mindestens aber für Weizen zu erlassen. Herr Wilson werde sich durch Befolgung dieses Ratschlages in Amerika ungeheuer populär machen und bestimmt den Frieden beschleunigen. Ohne amerikanisches Getreide werde England, nachdem jetzt auch Ostsee und Dardanellen gesperrt seien, den Krieg nicht lange weiterführen können. Nützlich wäre es, wenn auch die argentinische Ausfuhr gesperrt werde. Amerika könne aber mit einer Aufforderung dazu nicht an Argentinien herantreten, da sonst eine Conspiration vorläge. Morgenthau meinte, seine Anregung werde bei Herrn Wilson auf günstigen Boden fallen, da der Präsident ja auch schon den Bankiers verboten habe, irgendwelche Anleihen nach Europa zu begeben.


[Wangenheim]



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