1914-10-10-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R 22403
Zentraljournal: 1914-A.H.-1543
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 10/10/1914 10:50 PM
Telegramm-Ankunft: 10/11/1914 02:30 AM
Praesentatsdatum: 10/11/1914 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 702
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt (Zimmermann) an das Große Hauptquartier (Jagow)

Telegraphischer Bericht



Nr. 702.

Berlin, den 10. Oktober 1914

Der K. Botschafter in Konstantinopel telegraphiert unter No. 1010:

"Geheim. Gestern Abend hat bei Enver Pascha Besprechung stattgefunden mit Talaat Bey und Halil Bey. Sie sind entschlossen zu marschieren, und zwar so bald als möglich.

Schwankende Haltung zeigt nur Djemal Pascha. Im Ministerrat ist er Flaumacher, vor dem Komitee spielt er die Rolle des unternehmenden Soldaten. Enver will daher versuchen, ihn zu entlassen. Morgen abend ist bei ihm wieder Besprechung mit Ministern und führenden Persönlichkeiten des Komitees. Da soll von seiten der Politiker das Gespräch auf die Notwendigkeit einer schleunigen Teilnahme am Krieg gebracht werden. Durch seine Stellungnahme dazu wird dann Djemal Pascha festgelegt.

Ist Djemal Pascha für ein Losschlagen nicht zu gewinnen, so werden Enver und Talaat Bey dem Großwesir vorschlagen, sofort mit kriegerischen Unternehmungen gegen Rußland zu beginnen. Geht Großwesir nicht darauf ein, dann stellen sie die Kabinettsfrage und treten zurück. Mit ihnen der größere Teil des Ministeriums, der durch die überwiegende Mehrzahl der Komiteemitglieder gedeckt ...[Gruppe unverst.]... Das jetzige Kabinett ist dann erledigt, es wird sofort ein neues gebildet unter Ausschaltung der bisherigen Widerstände. Enver versicherte auf das Bestimmteste, daß hierbei die überwiegende Mehrheit des Komitees hinter ihm stehe. Als Vorbedingung bitte er nur um eins: ihn inbezug auf die finanzielle Unterstützung durch Deutschland sicherstellen, denn ohne diese bricht sein ganzer Plan zusammen. Auch brauche er diese finanzielle Unterstützung, um die Schwierigkeiten zu überwinden, die ihm Djavid Bey zweifellos in den Weg legen werde. Er schlägt vor, daß er, Talaat Bey und - je nach dem Verlauf der morgigen Besprechung - Djemal Pascha auf die Botschaft zum Frühstück geladen werden. Das sei die harmloseste Art einer Zusammenkunft, bei der alles Notwendige festgelegt werden könne.

Die Flotte soll, wenn möglich, schon am nächsten Montag [12.10] auslaufen mit dem geheimen Befehl, russische Streitkräfte anzugreifen und zu vernichten. Die Aktion erfolgt ohne Kriegserklärung, damit Flotte als Vorteil das Moment der Ueberraschung behält.

Bei diesen Plänen fühlt Enver sich auch militärisch gesichert. Die Truppen in Kleinasien genügten vollauf, die türkische Grenze gegen Rußland zu verteidigen: die Truppen in Europa sicherten völlig Konstantinopel und Adrianopel gegen Forzierungen Englands, die Truppen im Süden könnten auf 3 Armeekorps verstärkt werden, was gegen die englischen Streitkräfte in Egypten genüge.

Die einzige Schwierigkeit sei aber der Geldpunkt. Die Offiziere der Armee hätten ihm zwar mehrfach sagen lassen, sie verzichteten gern auf ihren (Gruppe fehlt) [In Berlin ergänzt: Sold], wenn durch die Mobilmachung bezw. durch den Krieg die Armee rehabilitiert und die Ehre des Vaterlandes gerettet würde. Er selbst aber müsse weiter denken, an die Angehörigen des Heeres, die nicht in Not geraten dürfen.

Dankbar wäre er, wenn man ihm aus Deutschland oder Oesterreich Automobilsprengwagen besorgen könne für die Wasserzufuhr bei der Unternehmung gegen Egypten. Jeder Sprengwagen ermögliche eine Vergrößerung der Invasionsarmee. Die zwei Haubitzbatterien seien nach der egyptischen Grenze in Marsch gesetzt.

Eine Auszahlung der deutschen Geldsubsidien sei vor der Hand nicht nötig. Botschaft könne das Geld in eigenem Gewahrsam behalten bis nach den ersten Kämpfen. Nur möchte er die Sicherheit haben, daß ein Teil des Geldes hier verfügbar sei.

Unter diesen nunmehr veränderten Verhältnissen sei auch seine Stellungnahme von letzter Besprechung mit mir hinfällig, nämlich, daß man erst eine Entscheidung auf einem der europäischen Kriegsschauplätze abwarten müsse.

Dinge sind nach obigem nunmehr so weit gefördert, wie wir die Türkei mit Hilfe Staatsstreichs jederzeit losschlagen lassen können. Ich erbitte demgemäß präzise Instruktionen für entscheidende Zusammenkunft am Sonntag. Meine Bedenken gegen verfrühtes Einsetzen der Türkei bestehen fort. Auch glaube ich nicht, daß kriegerisches Auftreten der Türkei im Schwarzen Meer genügen wird, um Aufstände in Indien, Persien, Egypten etc. zu entfesseln. Zu bedenken ist ferner die Sperrung Durchfuhr durch Rumänien, vielleicht auch für Geldsendungen. Andererseits kann ich nicht dafür einstehen, daß, wenn wir jetzt die Kriegsstimmung der Türken nicht ausnutzen, nicht später bei etwaigem deutschen Echec eine Situation eintritt, bei welcher die Türkei überhaupt nicht mehr zum Losschlagen zu bringen ist."

Befürworte direkte Instruktionen an Botschafter im Sinne sofortigen Losschlagens,


[Zimmermann]
[Bethmann Hollweg 11.10 an Botschaft Konstantinopel (Nr. 20)]

Auf Tel. No. 1010.

<Bitte auf sofortiges Losschlagen hinwirken. Finanzielle Unterstützung bereits durch Verhandlungen mit türkischem Botschafter zugesichert, wobei ich annehme, daß getroffene Abreden genügen.>


[Jagow 11.10. an Auswärtiges Amt (No. 254)]

Auf Tel. Nr. 702. Reichskanzler hat Constantinopel telegraphirt: <...> Setze voraus, dass Baron Wangenheim von Inhalt dortigen Telegramms Nr. 613 vom 1. 10 sowie von diesseitiger Antwort No. 65 informirt ist.

[Jagow an Reichsmarineamt, Admiralstab, Generalstab, Kriegsministerium 11.10.1914]

Geheim.

Nach den letzten Nachrichten aus Constantinopel scheint Aussicht vorhanden zu sein, daß die Türkei schon in allernächster Zeit gegen Rußland losschlägt.

Die Flotte soll, wenn möglich, schon Montag - morgen - auslaufen mit dem geheimen Befehl, russische Streitkräfte anzugreifen u. zu vernichten. Die Aktion soll ohne Kriegserklärung erfolgen, damit die Flotte als Vortheil das Moment der Ueberraschung behält.

Bei seinen Plänen glaubt Enver sich auch militärisch gesichert. Die Truppen in Kleinasien genügten, die türkische Grenze gegen Rußland zu verteidigen: die Truppen in Europa sicherten völlig Konstantinopel und Adrianopel gegen Forcierungen Englands, die Truppen im Süden könnten auf 3 Armeekorps verstärkt werden, was gegen die englischen Streitkräfte in Egypten genüge.

Enver wäre dankbar, wenn man ihm aus Deutschland oder Österreich Automobil-Sprengwagen besorgen könne für die Wasserzufuhr bei der Unternehmung gegen Egypten. Jeder Sprengwagen ermögliche eine Vergrößerung der Invasionsarmee. Die zwei Haubitzbatterien seien nach der egyptischen Grenze in Marsch gesetzt.


[Anmerkung Tiedemann an Telegramm Wangenheims 11.10.] [Quelle: R 1914-46]

Rgrt. Grasshoff, dem ich das Telegramm aus Konstantinopel vorgelesen habe, bittet, ihn wenn möglich heute mittag nochmal anzurufen.

Wegen der Goldsendung nach Cospoli ist Kommerzienrat Herrmann von der D.B. [Deutschen Bank] verständigt. Er wird sofort alles weitere veranlassen und morgen früh zwischen 10 und 11 Uhr Bescheid geben. Ist Herr Weigelt unabkömmlich so wird entweder Herr Tromm oder Herr Franke den Transport begleiten, Beide sind sehr geeignet.


[Weitere Anmerkung Tiedemann 13.10.]


Die Frage der Beschaffung von Sprengwagen für die Türkei ist weisungsgemäß im Kriegsministerium - Verkehrsabt. (Hauptmann Heger) - besprochen worden. Das K.M [Kriegsministerium] wird sofort telegraphisch feststellen, ob und wieviele solcher Wagen geliefert werden können. Eventuell werden Wasserwagen von Kommunen requiriert.

[Weitere Anmerkung Tiedemann 17.10.]


Die Verkehrsabteilung des Kriegsministeriums (Hauptmann Heger) teilt telephonisch mit, dass vorläufig 3 Automobilsprengwagen für die Türkei bestellt werden können, von denen einer sofort, einer nach 10 Tagen und einer in 4 Wochen lieferbar sei. Ausser diesen neuen Wagen werden noch weitere bereits im Gebrauch befindliche Wagen nachgewiesen werden, die ev. requiriert werden können.

Näherer schriftlicher Bescheid folgt.



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