1914-10-17-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 22403
Zentraljournal: 1914-A.H.-2136
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 11/06/1914 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der deutsche Oberst im türkischen Generalstab von Strempel an das Auswärtige Amt (Zimmermann)

Bericht


Berlin-Zehlendorf, 17. 10.14.

Betrifft: Teilnahme türkischer Prinzen am Krieg.

Der türkische Kriegsminister fordert mich durch Schreiben vom 4. d.M., eingegangen am 16. d.M., auf, die nötigen Schritte zu tun, damit Seine Majestät der Kaiser genehmigt, daß die zur Ausbildung in Deutschland weilenden Prinzen Abdul Rahim, Abdul Halim und Osman Fuad in einem Hauptquartiere den militärischen Operationen folgen, Schlachten beiwohnen und das Leben im Feld kennen lernen dürfen.

Vorläufig habe ich, so notwendig ich vorstehendes halte, keinerlei Schritte getan. Aber meines gehorsamen Erachtens würde die Erziehung und Ausbildung der türkischen Prinzen nur durch die Teilnahme im Kriege wirklich die von deutscher und türkischer Seite erwarteten dauernden Früchte tragen. Uebrigens drängen zwei Prinzen sehr entschieden zur Front.

Ob gerade der von Enver Pascha betretene militärische Instanzenweg der beste ist, erscheint mir zweifelhaft, denn gerade die militärischen Behörden haben naturgemäß vorwiegend Unbequemlichkeiten von der Sache und ein geringeres Interesse an ihrem Zustandekommen als die politischen Faktoren.

Besonders mit Rücksicht auf die politische Bedeutung und die große Stellung Enver Paschas wäre es erwünscht, einen Fehlschlag zu vermeiden.

Auch die Prinzen fangen an ungeduldig zu werden, nachdem bei ihnen die erste Saat des Pflichtgefühls, die ich gerne schonen möchte, aufgegangen ist.

Unter den dargelegten Umständen wäre es vielleicht zweckmäßiger, wenn die Angelegenheit von Seiten des kaiserlichen Herrn Botschafters in Constantinopel angeregt würde, zumal Seine Exzellenz die Erfüllung des Wunsches der Türkischen Prinzen und Enver Paschas mit ganz anderem Nachdrucke als ich vertreten kann. Auch würde sich der hiesige türkische Botschafter nicht übergangen fühlen können.

Das Material, soweit es von hier aus der kaiserlichen Botschaft in Constantinopel zur Verfügung gestellt werden kann, habe ich in der Anlage gehorsamst aufnotiert.


von Strempel
Oberstleutnant a.D.
Oberst im K. Ottom. Generalstabe.
Anlage

Auszug.

Oberstleutnant von Strempel meldet, daß türkischer Kriegsminister ihn auffordert, Genehmigung Seiner Majestät zur Teilnahme der Prinzen an Krieg und Schlachten, in einem Hauptquartiere, zu erbitten.

Strempel hat noch keinen Schritt getan, weil er militärischen Instanzenweg für am wenigsten geeignet hält, indem naturgemäß alle Unbequemlichkeiten den militärischen Behörden zufallen, während das Hauptinteresse am Zustandekommen politisch ist.

Euerer Exzellenz Ermessen anheimstelle ich unter Schonung Envers Angelegenheit möglichst von Constantinopel aus in Fluß zu bringen. Andernfalls wäre wenigstens Begründung der Nützlichkeit Zustandekommens erwünscht.

Militärisch könnte eine Schwierigkeit vielleicht darin gesehen werden, daß Strempel im Felde nicht 3 Prinzen und 3 türkische Begleitoffiziere dauernd überwachen kann. Am besten ginge nur der nach Charakter und Sprach-Kenntnis geeignetste Hauptmann Hairi mit. Um Härten zu vermeiden, könnte den anderen beiden vielleicht Eintritt jetzt oder später in Preußische Armee anheimgestellt werden.

Es würde dann auch leichter sein geeignetes Automobil, Pferde und Quartier zu finden und die budgetmäßig für die Prinzen ausgeworfene Summe einzuhalten. Uebrigens drängt die Mehrzahl der Prinzen sehr zur Front.

1.) Osman Fuad geb. 95,
(6.) Sohn von Sabaheddin, Enkel des Sultans Murad (ermordet 76).

2.) Abdul Rahim geb. 94
(11.) Sohn von Abdul Hamid.

3.) Abdul Halim geb. 94
Sohn von Suleiman Effendi einem Bruder von Abdul Hamid.


[Zimmermann 18. Oktober 1914 an Bethmann Hollweg (Nr. 27)]


Politische Erwägungen sowie Rücksichten auf Enver scheinen mir allerdings dafür zu sprechen, dass die türkischen Prinzen für einige Zeit in irgendeiner harmlosen Form zum Kriegsschauplatz zugelassen werden. Eine glatte Ablehnung wäre besonders dann unerwünscht, wenn die Türkei demnächst aktiv in den Krieg eingreifen sollte. Ein kurzer Höflichkeitsbesuch im Hauptquartier, eine oberflächliche Besichtigung der belgischen Festungen und ein nur auf show berechneter Abstecher zu einer unseren Armeen in Frankreich wird sich wohl ohne allzu grosse militärische Unzuträglichkeiten bewerkstelligen lassen. Auch ist zu bedenken, dass der moralische Eindruck auf die islamitische Welt, insbesondere auch auf die mohamedanischen Hilfstruppen unserer Gegner nicht gering sein dürfte, wenn türkische Prinzen „in den Reihen der deutschen Armee gegen Engländer und Franzosen kämpfen“.

Vielleicht ist es möglich, schon auf Grund der anliegenden Eingabe die grundsätzliche Zustimmung Seiner Majestät und der militärischen Stellen zu erwirken oder doch den Boden soweit vorzubereiten, dass Oberstleutnant v. Strempel ohne Gefahr einer Ablehnung den militärischen Instanzenweg beschreiten kann. Wenn nicht, könnte der Anregung des Herrn v. Strempel entsprechend ein zur Vorlage an Allerhöchster Stelle geeignetes Telegramm des Kaiserlichen Botschafters in Constantinopel extrahiert werden, worin dieser den türkischen Wunsch übermittelt und mit geeigneten Argumenten unterstützt. Dies dürfte sich indes nur dann empfehlen, wenn zumindest die Wahrscheinlichkeit des Erfolges gegeben ist. Ein Fehlschlag würde, wenn erst der Botschafter sich mit der Sache befasst hat, von Enver und der Pforte doppelt schmerzlich empfunden werden.


Zimmermann



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