1914-10-22-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 1914
Zentraljournal: 1914-A.S.-2354
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 10/22/1914 11:10 PM
Telegramm-Ankunft: 10/23/1914 04:00 AM
Praesentatsdatum: 10/23/1914 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1087
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 1087

Therapia, 22. Oktober 1914

Ganz geheim!

Enver Pascha bat mich, folgendes auf Wunsch noch vor Kriegsausbruch der deutschen Kriegsleitung zukommen zu lassen:

General von Moltke Großes Hauptquartier.

Die türkischen Streitkräfte sind angewiesen folgende Unternehmungen auszuführen bezw, vorzubereiten:

1. Flotte soll ohne Kriegserklärung durch Überfall der russischen Flotte die Seeherrschaft im Schwarzen Meer erringen. Zeitpunkt nach Ermessen des Admirals Souchon. Nach erfolgter russischer Kriegserklärung wird Seine Majestät der Sultan den heiligen Krieg gegen die Feinde Deutschlands, Österreichs und der Türkei befehlen.

2. Die in Armenien stehende türkische Armee hält die in Transkaukasien stehenden russischen Kräfte fest.

3. Das VIII. Armeekorps, unterstützt durch das XII. Armeekorps geht gegen Egypten vor; jedoch ist Überschreiten der Grenze nicht vor sechs Wochen möglich.

4. Wenn Einvernehmen mit Bulgarien erreicht werden kann, sollen türkische Hauptkräfte teils mit Bulgarien gegen Serbien vorgehen, teils diese Bewegung nötigenfalls gegen Griechenland und Rumänien sichern.

5. Tritt auch Rumänien uns bei, so sollen türkische Hauptkräfte im Anschluß an rumänische Armee gegen Rußland vorgehen.

6. Unternehmungen über See in Richtung Odessa mit zunächst 3 - 4 Armeekorps in Vorbereitung, jedoch Ausführung von Seeherrschaft und freundlicher Neutralität Rumäniens und Bulgariens ... (Gruppe fehlt). Zeitpunkt ferner abhängig vom Fortschreiten deutsch-österreichischer Offensive in Rußland.

Ich bitte daher Anschluß der Balkanstaaten an Deutschland, Österreich und Türkei, der von hier noch nicht zu erreichen war, auch deutscherseits mit allen Mitteln zu betreiben.

Bis dahin verbleibt türkische Hauptkraft in Thrazien und am Marmarameer (inclusive 10. Armeekorps bei Samsun). Falls Balkanstaaten feindselig auftreten, Angriff auf Bulgarien.

Kriegsgliederung und -stärke des türkischen Heeres hat hiesiger deutscher Militärattaché bereits erhalten. Mitteilung erbeten, ob unsere Absichten den dortigen entsprechen.


Der stellvertretende Oberkommandierende. Enver.

<Das Telegramm soll ein Zeichen sein des türkischen Bestrebens und deutschen Wunsches, daß die verbündeten Regierungen sich über die geplanten Operationen gegenseitig informieren und - wenn auch räumlich weit getrennt - wenigstens in der Generalidee eine Cooperation anstreben.

Es liegt bereits ein unterzeichneter Befehl vor, der an den Flottenchef gerichtet ist und etwa lautet: „Fahren Sie mit der Flotte in das Schwarze Meer. Erringen Sie dort die Seeherrschaft. Beginnen Sie die Aktionen ohne vorherige Kriegserklärung an Rußland.“

Über diesen Befehl wollte Enver noch heute mit Djemal Pascha und Talaat Bey sprechen und ihn dann heute oder morgen dem Admiral zukommen lassen.

Zu gleicher Zeit erließ Enver Pascha einen Befehl an sämtliche türkischen Kommandanten des Inhalts: Daß sie dem Admiral Souchon, den Seine Majestät der Sultan zum Flottenchef bestimmt habe, in Krieg und Frieden und bei allen Gelegenheiten Treue und Gehorsam zu leisten hätten.>


[Wangenheim]
[Zimmermann am 23.10.an Jagow (Nr. 800)]

Der K. Botschafter in Konstantinopel telegraphiert unter Nr. 1087: <...>

Darf Mitteilung an dortige leitende militärische und Marine-Dienststellen anheimstellen.

Auch zweite Goldsendung ist inzwischen Konstantinopel eingetroffen, sodaß Enver’s Vorbedingung für Losschlagen der Türkei erfüllt ist. Um weitere Hinzögerung seitens der Pforte tunlichst zu vereiteln, empfehle ich, Enver’s Plan möglichst schleunigst und vorbehaltlos zuzustimmen. Etwa erwünschte Änderungen werden wir später durch unsere militärischen und Marine-Berater unschwer herbeiführen können. Vorbehaltlose Zustimmung erscheint mir im gegenwärtigen Augenblick mit Rücksicht auf die persönliche Eitelkeit Enver’s und zur Stärkung seiner Stellung gegenüber den anderen Kabinettsmitgliedern erwünscht.



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