1914-11-07-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 1915
Zentraljournal: 1914-A.S.-2519
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 11/07/1914 04:30 PM
Telegramm-Ankunft: 11/08/1914 04:30 AM
Praesentatsdatum: 11/08/1914 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1262
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 1262
Therapia, den 7. November 1914

Antwort auf Telegramm Nr. 1140.

<Der Gedanke, daß der jetzige Weltkrieg durch das Bündnissystem mitveranlaßt ist und daß deshalb neue langfristige Bündnisse nicht geschlossen werden dürfen, ist bei den rein orientalischen schwankenden hiesigen Staatslenkungen nicht zu verwerten. Meiner Erachtens ankommt es darauf, den Krieg mit allen Mitteln zunächst zu gewinnen und nach Friedensschluß die aus diesen Mitteln entstandenen Gefahren allmählich zu beseitigen. Jeder intelligente Türke weiß, daß aus einem Bündnis der Türkei mit europäischen Mächten nicht absolut bindende Verpflichtung hervorgehe. Der casus foederis wird in jedem Falle interpretationsfähig bleiben. Gegenwärtig handelt es sich für die Türkei um eine rein innere politische Frage. Unseren Anhängern im Komitee wird von ihren Gegnern vorgeworfen, daß die Türkei jetzt ihre Existenz riskiere, ohne gegen spätere Revanchegelüste der Triple-Entente gesichert zu sein. Die Aktionspartei möchte gegen diese Vorwürfe eine Waffe in die Hand bekommen, um damit auch den Treibereien der englisch-französischen Partei entgegenzuwirken. Letztere beruft sich jetzt schon darauf, daß für das plötzliche Losschlagen der Türkei auch nicht ein einziger Ausdruck des Dankes Sr. Majestät des Kaisers oder der Kaiserl. Regierung an Se. Majestät den Sultan und an die Pforte gelangt sei (cr. Telegr. 1221 {A 29368}). Um Großwesir, Djavid und deren Hinterleute zu beruhigen, hatten Enver und seine Freunde den Wunsch ausgedrückt, das Bündnis möge ausgedehnt und Anleihe-Vertrag verbessert werden. Sie hatten auf eine baldige günstige Entscheidung des Berliner Kabinetts gerechnet. Das Ausbleiben unserer Entscheidung macht die Lage hier täglich gespannter. Ich bin nicht in der Lage, mit dem Großwesir persönlich zu verkehren. Auch unsere Freunde werden bereits mißtrauisch und fangen an, an unserer Ehrlichkeit zu zweifeln, besonders da es sich nach ihrer Ansicht bei der Bündnisfrage für uns nur um eine reine Formalität handelt, während für sie die Einigkeit ihrer Partei und damit ihre Stellung gegenüber Armee und Bevölkerung, überhaupt das ganze Schicksal der Aktion auf dem Spiele steht. Wenn wir wollen, daß die Türkei durchhält, so haben wir das lebhafteste Interesse, die Disharmonie im Komitee zu beseitigen, die türkische Angriffspunkte für unsere Gegner darstellen. Wie mir Pallavicini vertraulich sagt, ist die oesterreichisch-ungarische Regierung durchaus geneigt, auf die türkischen Vorschläge einzugehen. Auch nach dem Friedensschluß werden die Koalitionen noch andauern und erst ganz allmählich durch Ausdehnung der Ententen mittels Spezialabkommen, Rückversicherungs-Verträge u.s.w. verschwinden. Innerhalb dieser Entwickelung dürfte für ein zehnjähriges Bündnis mit der Türkei wohl Raum vorhanden sein. Ich erbitte nochmals Prüfung der Frage und baldige Entscheidung.>


[Wangenheim]
[Zimmermann an Reichskanzler (80)]

Auf Tel Nr. 97.

Eurer Exzellenz Weisung hatte ich unverzüglich dem Kais. Botschafter in Konstantinopel übermittelt. Freihrr. v. Wangenheim tel. darauf unter Nr. 1262 vom 7. d.M. <...> Ich halte die Ausführungen für sehr beachtenswert und darf schleuniges Eingehen auf ursprünglichen Vorschlag des Botschafters um so dringender empfehlen, als Markgraf Pallavicini nach einer mir von Prinz Hohenlohe soeben vorgelesenen Instruktion aus Wien dem Großvezier bereits die Geneigtheit der österr.-ung. Regierung zur Erfüllung des türkischen Wunsches im Falle unserer Zustimmung mitgeteilt und der Großvezier seiner Freude und Dankbarkeit für diese Mitteilung mit dem Bemerken Ausdruck geliehen hat, daß unter solchen Umständen die durch Enver herbeigeführte an sich sehr anfechtbare militärische Aktion ihre nachträgliche Rechtfertigung und das Eintreten der Pforte für die Zentralmächte bei allen Mitgliedern des Komités Billigung und Unterstützung finden werden.



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