1914-11-17-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R 22403
Zentraljournal: 1914-A.H.-2405
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 11/19/1914 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 12
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt (Zimmermann) an das Große Hauptquartier (Bethmann Hollweg)

Bericht



Nr. 12.

Berlin, den 17. November 1914

Der Kaiserliche Botschafter in Konstantinopel schreibt mir privatschriftlich:

„So sonnig wie der Herbst in Therapia ist auch die Stimmung der Türken. Sie sind fest von Deutschlands Sieg überzeugt, den sie sich radikaler vorstellen, als er in Wirklichkeit sein kann. Die Seele des Enthusiasmus für unsere Sache ist nach wie vor Enver, der an Ahnungen glaubt und „geahnt“ hat, daß wir die Oberhand behalten werden. Für den Anfang haben die Türken ihre Sache ja recht gut gemacht. Im Kaukasus scheinen sie wirklich die Russen zurückgeworfen zu haben und im Schwarzen Meer spielt Göben den Hecht im Karpfenteich. Von einer Seeherrschaft kann natürlich nicht die Rede sein, da die russische Flotte bisher nicht zu fassen gewesen ist. Auch an der egyptischen Grenze macht sich die türkische Aktion schüchtern bemerkbar. Es ist möglich, daß die Türkei im Laufe der Zeit noch einiges leistet, doch dürfen wir unsere Hoffnungen auf sie nicht zu hoch spannen. Alles hängt davon ab, wie lange wir die Türkei im jetzigen Zustand der Kampffähigkeit erhalten können. Dazu wird erforderlich sein, daß wir sie für die ganze Dauer des Krieges finanziell unterhalten. Die Pforte verlangte schon beim Abschluß des Anleihevertrages die Aufnahme eines Paragraphen, wonach wir uns verpflichten müßten, auch nach der terminmäßigen Auszahlung der letzten großen Anleihe ihr noch weitere Vorschüsse zu machen. Ich habe erwidert, daß ich eine solche Zusicherung ad infinitum nicht abgeben könne. Man bat mich darauf, doch wenigstens dem Großvezier einen Brief zu schreiben, der das Versprechen enthielte, daß wir die Türkei für die gesamte Kriegsdauer über Wasser halten würden. Ich wäre Ihnen dankbar für eine kurze telegraphische Mitteilung, ob ich eine solche Erklärung abgeben darf. Abgesehen von der Geldfrage ist aber die Türkei noch durch mancherlei Umstände bedroht, die ihrer Aktion ein frühzeitiges Ende bereiten könnten. Es fehlt an Minen und Munition und wahrscheinlich auch bald an Nahrungsmitteln. Wird es gelingen, die Kommunikation zwischen Bulgarien und Ungarn herzustellen? Wenn in den Österreichern noch ein bischen Vernunft und ein Rest von Kraft steckt, so sollten sie ihre ganze serbische Operation ausschließlich südlich Orsowa einsetzen und, bis die Donau freigemacht ist, die Serben in ihren Bergen unbeachtet lassen. Sobald Ungarn und Bulgarien verbunden sind, wird auch Bulgarien sich leichter zum Eingreifen bestimmen lassen. Rumänien habe ich ganz aufgegeben. Diese elendeste und feigste Nation des Balkans hat uns wohl die allerschwerste Enttäuschung bereitet. Daß sie gegen uns losschlagen werden, glaubte ich nicht, da die entsetzlichen Leiden des Krieges auf sie abschreckend wirken, ebenso wie auf Italien. Diese Völker sind die Hyänen des Schlachtfeldes, aber keine Krieger.“

Mit Herrn von Wangenheim halte auch ich es für geboten, daß wir die Türkei für die ganze Dauer des Krieges finanziell über Wasser halten. Euere Exzellenz darf ich gehorsamst bitten, geneigtest telegraphisch genehmigen zu wollen, daß ich dem Botschafter die Ermächtigung zu entsprechender Verständigung des Großveziers erteile.

Ich glaube gleichzeitig an dieser Stelle nochmals auf die auch von Herrn von Wangenheim betonte Notwendigkeit hinweisen zu sollen, den Transportweg nach Bulgarien und der Türkei durch Nordserbien schleunigst herzustellen. Irgend eine Aussicht, den rumänischen Widertand gegen unsere Munitionstransporte nach der Türkei zu beseitigen, bietet sich nach Ansicht des Kaiserlichen Gesandten in Bukarest, die von Herrn Beldiman geteilt wird, bis auf weiteres nicht.


Zimmermann
[Bethmann Hollweg am 14.11. an Auswärtiges Amt (Nr. 112/A.S. 2642)]

Einverstanden mit Ermächtigung Botschafters Konstantinopel dem Großvezer entsprechende Erklärungen in allgemein gehaltener Form abzugeben.



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