1914-11-26-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 1915
Zentraljournal: 1914-A.S.-2759
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 11/26/1914 07:55 PM
Telegramm-Ankunft: 11/27/1914 01:22 AM
Praesentatsdatum: 11/27/1914 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1439
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 1439.

Konstantinopel, den 26. November 1914

Unter Bezugnahme auf Telegramm Nr. 1345.

Marquis Garroni äußerte mir heute anscheinend auftragsgemäß Bedenken gegen die egyptische Expedition der Türkei: Italien besorge die zukünftige Nachbarschaft der Türkei in Afrika, weil aus einer solchen manche direkten Reibungen zwischen den beiden Ländern entstehen könnten. Außerdem habe die italienische Regierung aus Cairo erfahren, daß türkische Truppen mit schweren Belagerungsgeschützen bereits 20 Kilometer östlich des Suezkanals stünden. Mit den Geschützen sei möglicherweise eine Zerstörung des Kanals beabsichtigt, was Italien wegen Erythrea nicht gleichgültig sein könne. Ich habe meinem Kollegen erwidert, daß die Türkei die Autonomie Egyptens nicht antasten werde. Darüber liege bereits ein Ministerratsbeschluß vor.

Die Nachbarschaft eines befreundeten und leicht zu befriedigenden Egyptens aber sei für Italien bequemer als die der Engländer, welche bekanntermaßen stets die Araber in Lybien gegen Italien aufgereizt hätten. Ausschließlich den Engländern sei es zuzuschreiben, wenn der Kanal gegen alles Völkerrecht jetzt gesperrt sei. Vor der englischen Okkupation wäre die Freiheit des Verkehrs durch den Kanal niemals angetastet worden. Es sei richtig, daß türkische Beduinen beim Kanal angelangt und daß der Invasion Feldhaubitzen beigegeben seien, um die englischen Kriegsschiffe und schweren Batterien in und an dem Kanal zu bekämpfen. Mit Kanonen könne man indessen keine Wasserstraße wie den Suezkanal einschießen. Außerdem befänden sich die Geschütze wohl kaum bei den irregulären Vortruppen, sondern bei der Hauptarmee, die sich noch garnicht in Bewegung gesetzt habe. Alle diese Verhältnisse seien hier und wohl auch in Cairo stadtbekannt. Auch in Rom müsse man durch ihn, Marquis Garroni, genau orientiert sein. Die Anfrage der italienischen Regierung sei daher einigermaßen überraschend und mache den Eindruck, als ob man in Rom den Einflüsterungen unserer Gegner Gehör schenke. Auch sei es nicht verständlich, warum man in Rom der Entsendung Nuris zu den Senussis sich widersetze. Enver lege den größten Wert darauf, daß die Senussi vollkommen von den friedlichen Gesinnungen der Türkei gegenüber Italien überzeugt würden. Traue man Nuri nicht, so könne man ihm ja italienische Begleitung beigeben. Nach der Inhibierung der Reise werde Italien die Verantwortung für etwaige Übergriffe der Senussi allein zu tragen haben. Marquis Garroni bemerkte hierzu, daß er bereits wiederholt, einmal unter Machmud Schefket und zuletzt im vergangenen … (Gruppe fehlt) … auf Envers Bitte die Entsendung eines türkischen Delegierten zu den Senussi mit Wissen Italiens eifrig bei seiner Regierung unterstützt habe. Militärische Einflüsse, das Mißtrauen gegen die Türkei und neuerdings auch der Wunsch, neutral zu bleiben, hätten die Ablehnung seiner Anträge zur Folge gehabt, was er lebhaft bedaure. Er wolle nicht leugnen, daß die Haltung seiner Regierung in den die Türkei berührenden Fragen etwas durch England beeinflußt werde. Eine Demarche des türkischen Botschafters in Rom erscheine ihm opportun. Ich werde in diesem Sinne auf die Pforte einwirken.


[Wangenheim]



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