1914-12-06-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R 20174
Zentraljournal: 1914-A.S.-2912
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 12/10/1914 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Gesandte in Bukarest (Bussche) an den Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt (Zimmermann)

Privatbrief


Bukarest, den 6. Dezember 1914.

Abschrift.

Lassen Sie mich im Hinblick auf Bülow’s Entsendung noch einmal die Frage der Italien und Rumänien anzubietenden Kompensationen für ein Mitgehen erörtern. Es kommt meines Erachtens darauf an, daß wir siegen.

Haben wir gesiegt, so ergibt sich alles andere von selbst. Ich muß gestehen, daß es mir, je länger der Kampf dauert, desto schwieriger erscheint, einen vollen Sieg zu erringen. Achten Sie die in Ausbildung begriffenen englischen Soldaten und das Eingreifen der Japaner in Europa - sie werden meines Erachtens sicher noch kommen - nicht zu gering. Bisher sind in dem Kriege unsere schlimmsten Erwartungen meist noch übertroffen worden. Rechnen wir also auch in diesen Fällen mit den uns ungünstigsten Möglichkeiten.

Andererseits bin ich der Ansicht, daß, wenn Italien zur Mitwirkung veranlaßt werden könnte, kein Opfer zu groß ist, denn in dem Falle geht Rumänien ganz sicher auch mit, und dann folgt Bulgarien ohne Zaudern. In dem Falle ist ein schnelles sicheres Ende des Krieges unausbleiblich. Sie sagen mir, daß Italien um das Trentino nicht mitgehen würde. M.E. würde das Versprechen des Trentino auf die italienische Bevölkerung großen Eindruck machen. Die regierenden Staatsmänner müßte man durch andere Versprechungen ködern. Über Tunis und Nizza sprachen wir schon in Berlin. Wie steht es mit Versprechungen bezüglich nicht zu weit gehender Pläne Oesterreich-Ungarns auf dem Balkan? Z.B. Wiederholung der Zusage, daß Saloniki nicht erstrebt wird. Das wäre auch der Bulgaren wegen erwünscht, die den zum Hinterland gehörenden Hafen, wenn auch als Freihafen, haben möchten.

Italien müßte die russische Gefahr nochmals vor Augen geführt werden. In einem mir zugegangenen Erlasse heißt es, die russische Gefahr werde von den italienischen Staatsmännern gewürdigt, erscheine aber noch in zu weitem Felde. Das ist unstaatsmännisch gedacht, denn in dem Fall wird es eventuell zu spät werden. Siegt Russland und setzt sich in den Meeresengen fest, so wird Bulgarien zwischen Russland und Serbien zerrieben werden, und Russland erhält nicht nur freien Zugang zum griechischen Meere via Dardanellen, sondern gelangt auch an die Adria, was eine Gefahr für Italien ist. Oesterreich-Ungarn wird dort nie ein gefährlicher Konkurrent und Gegner für Italien sein, wohl aber Russland. Italien wäre zwischen Frankreich und Russland eingekeilt und seine maritimen Lebensnerven würden unterbunden werden. Ceterum censeo, Italien muß durch Versprechungen gewonnen werden; sie können, wenn wir, den Sieg in unserer Hand, Europa den Frieden diktieren, nie zu groß sein.

Bezüglich Rumäniens komme ich auf Carp’s Idee zurück, Ich bedauere, daß Tisza, der „groß in Worten, klein in Taten“ ist, solchen Eindruck in Berlin gemacht hat. Die Hilfe Rumäniens ist m.E. die Bukowina, die von Oesterreich miserabel verwaltet wird, entschieden wert. Ich würde es für höchst wünschenswert halten, wenn ich Carp sagen könnte, daß seine Idee - die, wie ich Ihnen oder Bergen schrieb, dem Könige sehr gefallen hat - bei uns und in Oesterreich Anklang findet. Tisza geht die Sache eigentlich nichts an, da die Bukowina zu Oesterreich, nicht zu Ungarn gehört. Eine Aufmunterung Carp’s wäre sehr erwünscht. Der König wird, wenn er das durch Carp hört, noch mehr auf ein Mitgehen hinwirken. Geht dann Rumänien wirklich mit, so könnte man im letzten Augenblick das Versprechen schriftlich formulieren. M.E. würde in einer solchen Mitteilung an Carp keinerlei Zeichen von Schwäche liegen. Oesterreich-Ungarn hat so wenig im Kriege geleistet, daß es uns durch Versprechungen an Rumänien und Italien helfen müßte.

Sind wir sicher, unsere Gegner, auch wenn sich ihnen Italien und Rumänien zugesellen zu schlagen, nun, dann ist die Lage eine andere. Ich erlaube mir daran zu zweifeln. Für mich wird unsere Lage im Westen infolge der langen Dauer des Ringens, die es England erlaubt, sich auf eine Invasion wirksam vorzubereiten, mit jedem Tage ungünstiger. Die Siegeschancen mindern sich. Hoffentlich irre ich mich. Wir haben ohne Zweifel unsere Gegner, namentlich das englische Heer, unterschätzt.

Verzeihen Sie, daß ich Sie wieder mit solchen Deduktionen belästige, allein ich möchte nichts unversucht lassen, um unsere Lage günstiger zu gestalten. Wie ich Ihnen schon schrieb, mehren sich die Anzeichen, daß Rumänien doch noch mit uns gehen wird, allein ohne einen Preis von oesterreichischer Seite wird es nicht abgehen, und da scheint mir der Carpsche Vorschlag ein für Oesterreich sehr billiger und günstiger zu sein.

pp.


[Bussche]
[Notiz Zimmermann]

Dem oesterreichischen Botschafter gegenüber ausführlich verwertet. Privatschriftlich beantwortet, daß Wien für die Carp’sche Idee schwerlich zu haben sein würde, daß es auch zweifelhlaft sei, ob durch Eingehen darauf nicht lediglich die rumänische Begehrlichkeit erhöht, ein Mitschlagen Rumäniens indessen nicht erreicht werden würde.



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