1915-01-02-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/R 1915
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 01/03/1915 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 10/22/2017


Der Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amts (Zimmermann) an die Botschaft Österreich-Ungarns in Berlin

Notiz


Notiz
Berlin, den 2. Januar 1915.

Die Bedenken, die gegen die Erwähnung der Balkankoalition in dem Bündnisvertrage mit der Türkei sprechen, dürften erheblich gemildert werden, wenn - einer inzwischen von hier aus nach Wien gegebenen Anregung entsprechend - in dem begleitenden Notenwechsel schärfer zum Ausdruck gebracht wird, daß sich die Pforte auf den casus foederis gegen Rumänien solange nicht berufen darf, als dieses Land mit uns verbündet ist. Wird der Vorbehalt in der Begleitnote derart präzisiert und bleibt Rumänien unser Bundesgenosse, so scheiden von vornherein alle die Balkankoalitionen aus, an denen Rumänien sich beteiligt.

Weiter herrscht nach dem zwischen unseren Botschaftern und der Pforte mündlich gepflogenen Meinungsaustausch Einverständnis darüber, daß der Bündnisvertrag und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen selbstverständlich von dem Grundsatz „ultra posse memo obligatur“ beherrscht werden. Artikel 5 des Vertrages sieht daher den Abschluß einer besonderen Militärkonvention vor, in der die Grenzen und Bedingungen der gegenseitigen Hilfeleistungen festgesetzt werden sollen. Diese Militärkonvention wird uns Gelegenheit geben klarzustellen, daß nur eine solche Balkankoalition den casus foederis für die Zentralmächte bilden kann, an der mindestens ein der öster.-ungar. Monarchie benachbarter Staat teilnimmt. Vorausgesetzt, daß Österreich-Ungarn bei Beendigung des gegenwärtigen Krieges keine direkten Grenzen mit Bulgarien erhält, würde nach einer derartigen Klarstellung eine Koalition zwischen Bulgarien und Griechenland ein Eingreifen der Zentralmächte nicht erforderlich machen. Mithin würden nur solche Balkankoalitionen den casus foederis für uns bilden an denen Serbien oder Montenegro beteiligt und Rumänien unbeteiligt ist.

Die Kaiserl. Regierung verkennt nicht, daß der Passus über die Balkankoalition auch in dieser beschränkten Auslegung für die Zentralmächte, insbesondere für die österr.-ungar. Monarchie Unbequemlichkeiten im Gefolge haben kann. Nachdem wir jedoch der Pforte schon vor einer Reihe von Wochen die Aufnahme des Passus zugestanden haben, glauben wir von einer nachträglichen Zurückziehung dieses Zugeständnisses abraten zu sollen. In Konstantinopel ist auch heute noch eine starke Strömung gegen die Teilnahme der Türkei am Kriege vorhanden. Wir müssen es vermeiden, den Kriegsgegnern neuen Agitationsstoff zu liefern und die Stellung der uns ergebenen Mitglieder der Regierung und des Komitees zu erschweren. Eine möglichst entgegenkommende Behandlung der türkischen Wünsche hinsichtlich der Fassung des Bündnisvertrags erscheint der Kaiserl. Regierung gerade im gegenwärtigen Augenblick angezeigt, wo sich infolge des Stockens jeglichen Nachschubes an Kriegsmaterial in weiten Kreisen der Türkei Symptome der Beunruhigung und Enttäuschung bemerkbar machen.

Was den Zusatz “non provoquée“ im Artikel 1 des Vertrages anbelangt, so hat der deutsche Botschafter in Konstantinopel und, soweit hier bekannt, auch sein österr.-ungar. Kollege, vor etwa 10 Tagen den türkischen Unterhändlern die Streichung dieses Zusatzes bewilligt, nachdem sachlich allseitiges Einverständnis erzielt worden war, daß ein provozierter Angriff keinen casus foederis bilde. Wie Herr von Wangenheim am 17. v.M. meldete, hatte Halil Bey die Streichung erbeten, da im türkischen Ministerrate die Auffassung zutage getreten war, der rein defensive Charakter des Bündnisses sei bereits durch die Worte „alliance défensive“ in der Eingangformel des Vertrages genügend zum Ausdruck gekommen und der fragliche Zusatz könne später einmal zu Ausflüchten benutzt werden. Die Kaiserl. Regierung befürchtet, daß das Verlangen nach Wiederaufnahme der Worte „non provoquée“ die türkische Regierung verstimmen und erneutes Mißtrauen wachrufen könnte.



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