1915-01-28-DE-004
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/ArmGenDE.nsf/$$AllDocs/1915-01-28-DE-004
Quelle: DE/PA-AA/R 20176
Zentraljournal: 1915-A-03518
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 01/28/1915 05:00 PM
Telegramm-Ankunft: 01/28/1915 10:15 PM
Praesentatsdatum: 01/29/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 93
Zustand: A
Letzte Änderung: 10/23/2017


Der Gesandte in Athen (Quadt zu Wikradt und Isny) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 93.

Athen, den 28. Januar 1915.

Im Anschluß an Telegramm Nr. 91.

Habe soeben Seine Majestät gesehen. Seine Majestät aussprach sich sehr befriedigt über Inhalt Telegramms 55, das doch etwas Positives enthalte. Auch Venizelos habe guten Eindruck davon empfangen. Über Entspannung der Lage meinte König, dieselbe habe hauptsächlich bei Venizelos selbst, der beständig wechsele, eingesetzt. Auch König sagte, Demarche Ententevertreter habe nicht stattgefunden. Instruktionen zu Kollektivdemarche hätten englischer und russischer Gesandter, französischer Gesandter noch nicht. Alle Verhandlungen und Angebote stattfänden bis jetzt inoffiziell. König sah ein, daß wenn er Gebiete in Kleinasien zugesprochen bekäme, er dieselben mit 100000 Mann halten müsse, was große Schwächung gegenüber Bulgarien bedeuten würde. An die Möglichkeit, Konstantinopel zu erhalten, schien König nicht recht zu glauben. Überhaupt habe ich König heute sehr ruhig und vernünftig gefunden. Seine Majestät schien mir auch von dem Wunsche beseelt, durch die Ereignisse nicht zu einer feindseligen Haltung uns und Österreich gegenüber gedrängt zu werden. König sah ein, daß alle ihm jetzt gemachten Versprechungen unserer Gegner von dem Gedanken ausgehen, daß sie siegen. Hieran glaubt König nicht. Außerdem habe ich König besonders darauf hingewiesen, daß, wie immer die Lage sich gestalten möge, Griechenlands Interesse sei, gegen Bulgarien Unterstützung zu finden. König erkannt dies durchaus an.

Ich möchte die Krise, die teils vorübergegangen, teils aber noch besteht, dahin zusammenfassen, daß Venizelos sich, wenigstens zeitweise, von der Entente, von England, von dem er fasziniert ist, hat beeinflussen lassen. König hat viel klarer als Premierminister ganze Sachlage übersehen, fühlt aber, daß Venizelos der stärkere ist und daß Seine Majestät sich dem Premierminister fügen muß.


[Quadt]



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved