1915-03-01-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 22404
Zentraljournal: 1915-A-8560
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 116
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht



Nr. 116.

Pera, den 1. März 1915

Abschrift.

Auf Erlaß 133

3 Anlagen

Nachdem ich die Riese’schen Aufzeichnungen den hiesigen militärischen Stellen zur Begutachtung beziehungsweise Aufstellung und Begründung der notwendig erscheinenden Anträge mitgeteilt hatte, beehre ich mich Euerer Exzellenz in den Anlagen zu überreichen:

1. Gutachten des Marschalls Liman von Sanders vom 20. v.M.,

2. Bericht des Oberstleutnants Boettrich, Chef des Verkehrswesens (Eisenbahnabteilung) im Großen Hauptquartier, vom 22.v.M. und

3. Gutachten des Generalfeldmarschalls Freiherrn von der Goltz vom 26. v.M.

Militär-Attaché Oberst von Leipzig weist insbesondere auf die Ausführungen des Oberstleutnants Boettrich hin unter dringende Befürwortung der in dessen Bericht auf Seite V-VIII gestellten und begründeten Anträge.

Es bedarf meinerseits keiner weiteren Darlegung, daß schon mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, alsbald eine größere türkische Aktion gegen Egypten aufzunehmen die schleunige Herstellung des Weges Konstantinopel-Aleppo auch vom politischen Standpunkte von der höchsten Wichtigkeit ist, sowie daß die Ausführung ohne die finanzielle Intervention des Reiches ziemlich ausgeschlossen erscheint und deren Sicherstellung nur mit deutscher Kontrolle möglich sein wird.

Euere Exzellenz beehre ich mich daher in Übereinstimmung mit den militärischen Stellen zu bitten, die bezüglich der gestellten Anträge zu treffende Entscheidung nach Möglichkeit beschleunigen zu wollen.


[Wangenheim]
Anlage 1

Abschrift

Constantinopel, den 20.2.1915

B.Nr. 561.

Geheim.

Euer Exzellen beehre ich mich, in Beantwortung des Schreibens vom 17. d.Mts. A 926 Nachstehendes sehr ergebenst zu erwidern:

Die Aufzeichnungen I und II des Geheimrats Riese kommen für den vorliegenden Zweck kaum in Frage, da ihre Ausführung zu lange dauern würde.

Eine möglichst schnelle Nutzbarmachung der Strecke Konstantinopel-Aleppo halte ich jedoch für ein unbedingtes Erfordernis, und als die Vorbedingung für eine etwa in Aussicht stehende deutsch-türkische Aktion gegen Egypten. Selbst wenn diese Aktion der Türkei allein überlassen werden soll, bleibt das gleiche Bedürfnis. Ich glaube, daß eine Intervention des Reiches zur Aufbringung der Kosten durchaus gerechtfertigt ist. Truppen, selbst schwere Artillerie, können den Taurus und Amanus durch Fussmarsch überwinden. Der Zeitverlust ist bei der langen Dauer der ganzen Transportbewegung ohne besondere Bedeutung.

Unbedingt nötig ist jedoch ein schnellerer Nachschub von Verpflegung und Kriegsmaterial, zumal aber Munition für schwere Artillerie.

Ich befürworte daher dringend die in der Aufzeichnung III in Aussicht genommene Einrichtung eines Lastautoverkehrs über den Taurus, welcher einer Feldbahn wegen der Möglichkeit schnellerer Herstellung vorzuziehen ist.

Aus demselben Grunde würde ich es auch für vorteilhaft halten, über den Amanus ebenfalls einen Lastautoverkehr zu schaffen, wenn dies aus technischen Gründen in kurzer Zeit möglich ist.

Die Fertigstellung der Bahn mit bedingter Leistungsfähigkeit ist für Mitte November bei besonders forziertem Arbeitsbetrieb angenommen. Dieser Zeitpunkt scheint an sich sehr spät, abgesehen davon, dass die schwierigen Arbeiter- und Geländeverhältnisse die Fertigstellung noch mehr verzögern können.

Bis zur Vollendung der Strecke Islahié-Radjou im Juli d.Js., die beschleunigt werden müsste, ist es aber vielleicht möglich, die für Wagen fahrbare Unterbrechungsstrecke Marmouré-Islahié für Autoverkehr auszubauen. Arbeiterpersonal für Strassenbau ist reichlich vorhanden.

Es würde übrigens genügen, wenn über den Taurus und Amanus täglich Lasten von durchschnittlich 30 Tonnen ohne Schwierigkeiten befördert werden.

Herr Direktor Günther, mit dem ich in Verbindung getreten bin, schliesst sich meiner Auffassung an. Der Bauingenieur der Amanusstrecke befindet sich nach seiner Angabe zurzeit in Frankfurt a.M.. Als genauer Kenner der örtlichen Verhältnisse würde er mit Geheimrat Riese sofort beurteilen können, ob die Autostrasse über den Amanus in kurzer Zeit ausgebaut werden kann.

Einen weiteren Vorteil von Autostrassen über beide Gebirge sehe ich darin, dass der Bau mit den hier verfügbaren Mitteln sofort begonnen werden kann und geringe Kosten verursachen wird. Die Einführung von Lastautos aus Deutschland dürfte sich auch ohne besondere Schwierigkeiten ermöglichen lassen.

Sollten Euer Exzellenz sich meiner Meinung anschliessen, so wäre ich sehr dankbar, wenn eine Entscheidung bald getroffen und die nötigen Schritte eingeleitet würden.

Eine Denkschrift des Chefs der türkischen Eisenbahnabteilung im Generalstab, Oberstlt. Boettrich, der auf meine Anordnung kürzlich die Bahn- und Etappen-Verhältnisse im Taurusgebiet und in Syrien geprüft hat, ist angeschlossen.

Die mir gütigst übersandten Aufzeichnungen des Geh. Rats Riese füge ich wieder bei.


[Liman von Sanders]

An den Kaiserlichen Botschafter Herrn Freiherrn von Wangenheim, Konstantinopel.


Anlage 2

Botschaft Pera

Anlage 2 zu Bericht Nr. 116.


Kurzer Bericht über die Verbindung Konstantinopel - Suezkanal.

1) Eisenbahn Haidar Pascha - Bozanti. Fahrzeit der Militärzüge ca. 2 1/2 Tage. Leistungsfähigkeit z.Z. 5 Züge mit im Ganzen 130 Wagen ist infolge der jetzt 7 Monate anhaltenden ununterbrochenen Ueberanstrengung der Maschinen in steter Abnahme begriffen, kann aber durch Verdoppelung des Maschinen- und Wagenmaterials sowie des Maschinenpersonals, auf 320 Wagen täglich gebracht werden.

2) Landetappe über den Taurus Bozanti-Gileg Station 72 km lang, 4 Marschtage. Erstes Drittel des Weges für türkische Verhältnisse recht gut. Der Rest in auch für Automobile brauchbarem Zustande. Arbeiten sind im Gange, die innerhalb 6 Wochen eine zuverlässige, dem augenblicklichen Bedarf entsprechende Verbindung zwischen den Endstationen der Bahnen herstellen werden. Anlage von Magazinen, Unterkunftsräumen und Ruheplätzen für die Truppe und Lazaretten an der Etappenstraße ist im Gange. Leistungsfähigkeit z.Z. 20 t. Kriegsmaterial, kann allmählich auf 40 Tonnen täglich gesteigert werden, falls die von mir eingeleiteten Massnahmen nicht durch unzweckmässige Anordnungen anderer türkischer Stellen und türkische Unvernunft gestört werden. Beförderung durch Kamele und Büffelwagen. 1 Lastauto durch anhaltendes Drängen von der Generalintendantur geliefert. Ein zweites in Aussicht gestellt. Lieferungszeit unbestimmt.

3) Eisenbahn Gileg Station - Mamouré. Fahrzeit der Militärzüge ca. 10 Stunden. Leistungsfähigkeit 5 Züge mit im ganzen 200 Wagen. Steigerung auf im ganzen 400 Wagen ist bei entsprechender Vermehrung des Maschinen- und Wagenmaterials möglich. Die Bahnstrecke ist in steter Gefahr, durch Landungen der Engländer nachhaltig zerstört zu werden. Der mit ihrem Schutz betraute Wali von Adana, gleichzeitig Major im Generalstabe, ist seiner Aufgabe nicht gewachsen. Zum Schutz der Wasseranlagen von Toprakkalé, ohne die der Fahrbetrieb unmöglich, konnte er innerhalb von 24 Stunden nicht eine Kompagnie versammeln. Eine englische Unternehmung auf Toprakkalé würde einschliesslich Rückkehr auf die Schiffe 36 Stunden beanspruchen. Nach zweimaliger, praktischer Anleitung des Walis dürfte einige Besserung im Bahnschutz eingetreten sein.

4) Landetappe über den Amanus: Mamouré - Radja 110 km lang, 6 Marschtage. Vor 5 Wochen waren 50 km noch knietiefer Morast. Es wird energisch gearbeitet. In 5 Wochen wird schmaler, aber fester, mit Steinschlag geschotterter weg fertig sein. Magazine für marschierende Truppe vorhanden. Lazarette in Vorbereitung.

Leistungsfähigkeit vor 4 Wochen 1 t, z.Z. 20 t Kriegsmaterial wird allmählich auf 40 t gesteigert werden. Beförderung durch Kamele. Die bessere und kürzere Verbindung Toprakkalé - Alexandrette - Aleppo ist durch dauerndes Bombardement der Engländer zerstört.

5) Bahn Radju - Aleppo - Rajak, letztere frühere französische Bahn. Durchweg Vollbahn, Fahrzeit für Militärtransporte etwa 20 Stunden. Leistungsfähigkeit bei Ausschaltung der Richtung auf Rasulein etwa 200 Wagen täglich, jedoch nur unter Heranziehung der Maschinen der Bauabteilung Aleppo der Bagdadbahn, die nur weiterarbeitet, um die Arbeiten nicht einschlafen zu lassen. Steigerung der Leistung ebenfalls durch Vermehrung des Maschinen- und Wagenmaterials möglich.

6) Hedjasbahn Rajak-Damaskus-Derat-Sileh-Sebastieh. Endpunkt für Truppentransporte Sileh, für Materialtransporte Sebastieh. 1 m Spurweite. Durchschnittsleistung 180 Wagen täglich. Um die Leistung zu heben, müssen Kreuzungsstationen eingelegt [angelegt?] werden. Eingehende Erkundigungen, für die die Zeit bei meiner Inspektionsreise nicht zur Verfügung stand, wären nötig, um hierfür Vorschläge zu machen.

7) Landetappe Sebastieh-Nablus-Jerusalem. fester Weg, ca. 75 km lang, aber ziemlich umfangreiche Ausbesserungen erforderlich.

Organisation der Etappe, die der IV. Armee untersteht, nicht erkennbar. Die Etappe vermag das von der Eisenbahn herangeführte Material nicht aufzunehmen trotz der Stauungen, die auf der Landetappe im Amanus eingetreten sind. Dem türkischen Etappeninspekteur fehlt der Ueberblick und die nötige Voraussicht. Zahlreiche Kommandostellen befehlen gleichzeitig an die Etappe. Widersprechende Befehle hindern einen ordnungsmässigen Betrieb.

8) Der Bahnbau Sebastieh in Richtung Kanal ist etwa vor 4 Wochen von Meissner Pascha in Angriff genommen worden. Er verlässt bei Sebastieh die Hedjasbahn, fährt in westlicher Richtung bis an den Fuss des Gebirges und wendet sich dort nach Süden. Er erreicht in einem Abstand von 13 - 15 km von der Küste immer am Fuss der Berge entlang laufend die Bahn Jaffa-Jerusalem, benutzt sie auf einer Strecke von etwa 20 km in östlicher Richtung und springt dann wieder nach Süden ab. Die Bahn wird Anfang Oktober bis Bir el Saba, dem Ausgangpunkt der bisherigen Expedition gegen den Suezkanal, betriebsfähig sein. Ausreichendes Material für den Bahnbau ist vorhanden.

Die Fortsetzung der Bahn in der Richtung auf den Kanal ist noch nicht erkundet. Meissner Pascha glaubt aber ihn bis zum 1. Januar mindestens 40 km in Aussicht stellen zu können.

Da die neue Bahn mit dem Material der Hedjasbahn betrieben werden muss, wird sich mit ihrer Inbetriebnahme die Gesamtleistung der Bahnen südlich Rajak vermindern, es sei denn, dass durch Ergänzung aus Deutschland Maschinen und Wagen geliefert werden.

9) Von Jerusalem nach Bir el Seba soll nach Auskunft der deutschen Offiziere in Jerusalem eine fahrbare Strasse vorhanden sein. Von Bis el Seba scheint Beförderung von Kriegsmaterial nur mit Kamelen möglich zu sein.


Kohlen.

Seitdem es nach monatelangem Bemühen gelungen ist, den Betrieb der Minen am Schwarzen Meer auf die Höchstleistung zu bringen und eine regelmässige Zufuhr zu organisieren ist mit einer monatlichen Durchschnittsleistung von 60000 tons der Bedarf von Heer und Flotte und auch der Bahnen nördlich des Taurus sichergestellt.

Für die Bahnen südlich des Taurus wird der noch vorhandene Kohlenvorrat je nach Inanspruchnahme noch etwa 3 - 6 Monate reichen.

Im Vilajet Beirut sind abbaufähige Kohlenlager vorhanden. Es ist zu hoffen, dass diese Minen bei fachmännisch geleiteter Ausbeutung den Bedarf der Bahnen in Syrien und den der Bagdadbahngruppe von Aleppo decken werden. Ohne deutsche Ingenieure und Obersteiger ist aber nichts zu erreichen; den türkischen Ingenieuren fehlt jede Energie und praktische Erfahrung. Im besten Falle sind es theoretisch unterrichtete Schwätzer, mit denen kostbare Monate bereits verloren worden sind. Schnellste Hilfe aus Deutschland ist dringend Not.

Sehr schwierig liegen die Verhältnisse für die Strecke Gileg Station-Marmouré im Vilajet Adana, deren Trostlosigkeit ich erst vor kurzem bei einer Inspektionsreise habe an Ort und Stelle feststellen können, da der Wali durch riesig gefärbte Berichte über die im Vilajet vorhandenen Bergwerke und ihre Inbetriebnahme ganz unzutreffende Vorstellungen erweckt hatte. Nach den auf meine Anforderung gelieferten Proben ist die dort geförderte Kohle unbrauchbar. Auch dorthin müsste ein deutscher Ingenieur baldigst entsandt werden. Ohne Verzug muss mit Heranführung von Kohle aus dem Schwarzen Meer begonnen werden, trotzdem die Transportmittel auf der Landetappe durch den Taurus kaum für den Bedarf der IV. Armee und der in Richtung Bagdad und Van entsandten Truppen ausreichen.


Schlussbemerkungen und Vorschläge.

1) Der Bedarf der zur Zeit in Palästina und am Kanal stehenden Truppen wird in etwa 6 Wochen nach Ausführung der jetzt in die Wege geleiteten Arbeiten und Massnahmen bis zum Eisenbahnpunkt Sebastieh zuverlässig befördert werden können. Ob dann auch die Armeeetappe den Transport bis in die Front wird leisten können, entzieht sich meiner Beurteilung.

Entsendung von 2 deutschen Bergbauingenieuren, etwa 5 Obersteigern, etwa 1 bis 2 Wegbauingenieuren ist erforderlich, Lieferung von Lastautomobilen dringend erwünscht.

2) Bei Verstärkung der gegen den Kanal eingesetzten Armee müssten folgende Vorkehrungen getroffen werden:


3) Für den Fall, dass deutsche Truppen gegen Aegypten eingesetzt werden sollten, um damit die Gewähr des Erfolges zu geben, sind Vorbereitungen in so weitem Umfange zu treffen, dass sich bei der Kürze der verfügbaren Zeit erschöpfende Vorschläge nicht machen lassen. Vor dem 1. Oktober kann die Entsendung deutscher Truppen meines Erachtens nicht in Frage kommen, auch wenn mit den nötigen Vorbereitungen sofort begonnen wird. Diese sind in engstem Einvernehmen der einschlägigen deutschen Militärbehörden in der Türkei mit dem deutschen Generalstab zu treffen und werden Monate in Anspruch nehmen, wenn die deutschen Waffen nicht einem Misserfolg ausgesetzt werden sollen. Vor allem muss vermieden werden, dass auch andere militärisch unverantwortlichen Stellen sich hiermit befassen. Es muss eine deutsche und aussschliesslich militärische Arbeit gemacht werden. Durch die Entsendung einzelner Offiziere etwa mit dem allgemeinen Auftrage, Aegypten zu erobern, kann diese gewaltige Aufgabe von deren Schwierigkeiten sich nicht-militärische Kenner der Türkei auch nicht entfernt eine Vorstellung machen können, nicht gelöst werden. Ich halte es als meine Pflicht als deutscher Offizier, der durch seine Verwendung in der Türkei dazu bestellt ist, mitzuwirken, hierauf hinzuweisen.

Hier einige der Hauptvoraussetzungen des Gelingens:

1) Freie Zufuhr aus Deutschland.

2) Verkehr deutscher Maschinen und Wagen bis Konstantinopel.

3) Klare Abmachungen zwischen den Mil. Eisenbahn-Behörden von Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Bulgarien und der Türkei, Unterstellung der serbischen Bahnen unter den deutschen oder österreichischen Chef des Feldeisenbahnwesens.

4) Vermehrung des Betriebsmaterials und des Personales aller türkischen Bahnen durch Deutschland.

5) Fertigstellung der Bahn durch den Amanus bis mindestens Istahije [Islahijé], möglichst aber bis Endili zum Oktober 1915. Bahnverbindung zwischen Mamouré und Istahije [Islahijé], bezw. Endili durch die Dienstbahn der Bagdadbaugesellschaft zum selben Zeitpunkt. Fertigstellung der Vollbahn durch den Amanus bis Februar 1916, so dass eine durchgehende Bahnverbindung Gilagstation-Aleppo entsteht.

Diese Forderungen sind nach Auskunft aller in Frage kommenden Bauingenieure durchaus erfüllbar. Die Chefingenieure Winkler und Woof der Bagdadbaugesellschaft, die sich z.Z. in Frankfurt a.M. aufhalten, werden nähere Auskunft geben können.

6) Da die Fertigstellung der Bahn durch den Taurus vor 2 1/2 Jahren nicht möglich ist, Einrichtung und Verwaltung der Etappenstrasse Bosanti-Gilegstation durch deutsche Offiziere und Beamte.

7) ebenso der Etappenstrasse der am Kanal kämpfenden Armee.

8) Sicherstellung der nötigen Transportmittel und der nötigen Verpflegungsvorräte in Syrien und Palästina schon während der Ernte gegen Bezahlung durch deutsche Intendanturbeamte.

9) Alle für den Feldzug in Aegypten flüssig gemachten Gelder müssen in deutschen Händen bleiben.


Konstantinopel, den 22ten Februar 1915.

[Boettrich]
Oberstleutnant.

Anlage 3

Abschrift zu A 8560.

Konstantinopel, den 26. Februar 1915.
Gutachten

über die Wichtigkeit des beschleunigten Ausbaus des kleinasiatischen Eisenbahnnetzes.

Der beschleunigte Ausbau des kleinasiatischen Eisenbahnnetzes ist für die glückliche Beendigung des Weltkriegs, in den Deutschland verwickelt ist, von der allergrößten Bedeutung und ich stimme dem Gutachten des Marschalls Liman von Sanders vollkommen bei, daß eine Intervention des Reiches mit Geldmitteln durchaus gerechtfertigt erscheint. Ebenfalls bin ich mit dem Vorschlag des Marschalls einverstanden, in erster Linie die Strecke Haidar Pascha-Aleppo in der vorgeschlagenen Art für Heereszwecke benutzbar zu machen, ganz gleichgültig, ob man einen deutsch-türkischen Zukunftsfeldzug gegen Egypten oder einen rein türkischen ins Auge faßt. Der Ausbau ist in beiden Fällen gleich notwendig.

Von den technischen Einzelheiten der Ausführungen sehe ich ab. Nr. 3 der Ausführungen des Geheimrats Riese und die Denkschrift des Oberleutnants Boettrich enthalten das Erforderliche. Ich füge nur hinzu, daß nach den Erfahrungen, die ich in Belgien auf den Etappen-Linien der Armee, vor Antwerpen und beim Nachschub nach der Yser gemacht habe, der Lastautomobilverkehr sehr großer Sorgfalt und Energie der Führung und Bedienung bedarf, wenn er gute Resultate ergeben und nicht alle Augenblicke zum Stocken kommen soll. Es wären also nicht nur die Lastautomobile sondern auch Fahrtruppen aus Deutschland heranzuziehen.

Ich gehe aber noch weiter und halte auch den von Geheimrat Riese unter I gemachten Vorschlag für der Beobachtung wert, selbst wenn der durchgehende Verkehr von Konstantinopel nach Bagdad wirklich erst am ersten Mai 1917 möglich werden, eine weitere Beschleunigung aber ausgeschlossen sein soll.

Wie lange der Krieg noch fortdauern wird, ist nicht vorauszusehen, er kann noch Jahre währen wenn er auch an Heftigkeit abnehmen sollte. Sicher ist allein, daß er erst mit der gründlichen Besiegung Englands enden kann. England kämpft wie wir um seine Existenz, wenigstens um den Bestand seiner Weltherrschaft. Jeder mittelmäßig Friede, den England eingeht bedeutet den Anfang von dessen Ende. Deshalb wird das britische Volk mit verbissener Zähigkeit weiterkämpfen, selbst wenn - was nicht wahrscheinlich ist - seine Bundesgenossen es verlassen sollten. Wir müssen auf den Kampf bis zum äußersten, d.h. bis zur völligen Erschöpfung eines der beiden Teile gefaßt sein.

Eine Landung auf den britischen Inseln würde die radikalste Lösung der Frage bringen. Daß sie ausführbar ist, lehrt die Geschichte. Aber sie ist ein Unternehmen, dessen Gelingen von vielen Zufälligkeiten abhängt und daher nicht als einziges Mittel ins Auge gefaßt werden darf. Andere müssen daneben vorbereitet werden und als solche bieten sich, seit die Türkei unser Bundesgenosse ist, der Angriff auf Egypten und der Angriff auf Indien dar.

Der Angriff auf Egypten ist im Gange. Wenn der erste Versuch gegen den Suezkanal am 2. und 3. Februar d.J. auch noch nicht geglückt ist, so hat er doch die Möglichkeit des Gelingens und die richtigen Vorbedingungen dafür genauer, als es bisher möglich war, erkennen lassen. Gründlichere Vorbereitung wird hoffentlich den zweiten Versuch im kommenden Herbst oder Winter, wenn nach Herstellung des durchgehenden Verkehrs die Zuführung des notwendigen Kriegsmaterials möglich geworden sein wird, glücken lassen.

Der Zug gegen Indien wird in der breiten Öffentlichkeit, selbst in weiteren militärischen Kreisen, für ein märchenhaftes Abenteuer angesehen, ohne es zu sein. Um seine Ausführbarkeit nachzuweisen, hat man nicht nötig auf Beispiele des Altertums, wie das Alexander des Großen, selbst nicht auf das Mittelalter auf Hulagu und Tamerlan zurückzugreifen, sondern kann sich auf die neuere Geschichte stützen. Nadir Schah von Persien begann, nachdem er von Isphahan aufbrechend, am 28. März 1738 Kandahar erobert und aufrührerische Stämme unterworfen hatte, noch in demselben Jahre den Feldzug gegen Indien mit einem Heere von 100000 Mann. Er durchzog kämpfend Afghanistan, überschritt Mitte Januar 1739 bereits den Indus und zog nach einer Reihe von siegreichen Schlachten und Belagerungen am 7. März 1739 in Dehli ein, wo der dem Reiche der Groß Mogule ein Ende machte.

Was damals möglich war, ist es heute mit den vervollkommneten Mitteln der Neuzeit gewiß.

Daß ein so umfangreicher Feldzug sorgfältiger Vorbereitung bedarf, ist ebenso natürlich, wie daß England in Indien einen starken verzweifelten Widerstand leisten wird. Aber es bleibt ein Mittel, Englands Weltmacht zu vernichten und Deutschlands endgültigen Sieg zu sichern. Ohne diesen aber sind wir selbst verloren oder werden zu einem fortdauernden Zustande höchster Waffenbereitschaft gezwungen, nur um uns zu behaupten.

Wie sehr der Marsch gegen Indien durch Vollendung des Schienenweges bis Bagdad oder Hanekin erleichtert werden wird, liegt auf der Hand. Die dafür zu bringenden Opfer aber sind nur des großen Unternehmens wert, das den würdigen und entscheidenden Abschluß des Weltkrieges bilden würde, der sich mehr und mehr in eine Kraftprobe zwischen England und Deutschland umwandelt.


[Frh. von der Goltz]



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