1915-03-31-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 22404
Zentraljournal: 1915-A.H.-1326
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 03/31/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr.
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der AA-Vertreter im Großen Hauptquartier (Treutler) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Gr. H. Qu., den 31. März 1915

Im Anschluß an die anderweitige Meldung vom 26. d.M. wegen der türkischen Munitionstransporte auf dem Luftwege.

Nachdem sich Gelegenheit gegeben hat, in einem Privatgespräch mit Major Thomson, der hier im Generalstab die Fragen der Luftschiffahrt bearbeitet, auf die seitwärts [im Betreff] bezeichnete Angelegenheit zurückzukommen, beehre ich mich, Euerer Exzellenz Folgendes ergänzend zu berichten.

Bei Nutzung der Möglichkeiten, auf dem Luftwege einen Teil der für die Türkei bestimmten Munition von Ungarn nach Bulgarien zu bringen, ist man zu dem Ergebnis gelangt, daß ein solches Unternehmen an sich durchführbar ist, aber doch sehr erhebliche Chancen des Nichtgelingens in sich birgt. Man hat sich daher für verpflichtet gehalten, den praktischen Nutzen recht gering zu veranschlagen, damit nicht zu hohe Erwartungen an ein solches Unternehmen geknüpft werden. Es wird dabei zugegeben, daß besonders günstige Umstände ein etwas besseres Ergebnis, als jetzt an Hand der allgemeinen Erfahrungen angenommen wird, zeitigen können.

Die Verwendung von Zeppelinen ist nur dann möglich, wenn in Südungarn eine Luftschiffhalle gebaut wird. Dabei wird schon vorausgesetzt, daß das Luftschiff in Bulgarien auf freiem Feld landen, seine Ladung löschen und die Rückfahrt sofort wieder antreten kann. Das Risiko einer Landung im Freien ist bekannt. Es wird erhöht durch die plötzliche und erhebliche Gewichtsverminderung beim Löschen der Ladung. Die Ausführung von Fahrten etwa von Dresden oder München aus wird nicht für möglich gehalten.

Der Bau eine Luftschiffhalle beansprucht jedenfalls 3 Monate, so daß, wenn die Arbeiten sogleich in Angriff genommen werden, vor Anfang Juli nicht an die Aufnahme des Betriebes gedacht werden kann. Die Errichtung von Luftschiffhallen in Belgien, die den leistungsfähigsten Firmen übertragen wurde, hat trotz der günstigen Transport- und Arbeitsverhältnisse 3 Monate erfordert.

Die Häufigkeit der Fahrten ist mit 2 bis 3 Fahrten im Monat veranschlagt worden. Es wird dabei zugegeben, daß bei günstiger Witterung allerdings eine größere Anzahl von Fahrten hintereinander gemacht werden könnte, allein es muß auch in Rechnung gestellt werden, daß die Ungunst der Witterung zu einem Stilliegen während 3 bis 4 Wochen zwingen kann, wie dies bei uns häufig der Fall ist.

Die Nutzlast eines Zeppelins steht fest, sie schwankt je nach Größe zwischen 3000 und 6000 kg. Die Ausbeute der einzelnen Fahrten würde sich also nicht verschieben.

Im Hinblick auf die Dringlichkeit der ganzen Angelegenheit und die lange Dauer der Einrichtung von Zeppelinfahrten ist man einem Versuch mit Freiballons mehr geneigt, zumal dieser innerhalb weniger Tage unternommen werden könnten. Etwa 40 bis 50 Ballons stehen zur Verfügung, weitere könnten in kurzer Zeit beschafft werden. Jeder Ballon mit einem Mann Besatz. könnte allerdings nur ein schweres Geschoß tragen, wenn aber etwa 30 Ballons ihr Ziel erreichen, so würde man bei einer mehrmaligen Expedition schon so viele Geschosse nach Bulgarien bringen, wie sonst bestenfalls in einem Monat durch Zeppeline. Man würde die Ballons in Weißkirchen in Ungarn, wo die metreorologische Station in diesen Tagen fertig wird, sammeln und bei günstigen Windverhältnissen alle kurz hintereinander aufsteigen lassen. Die Ballonfahrer müßten versuchen in der Ebene möglichst nahe der Bahnlinie Lom-Palaka-Sofia zu landen.

Es wird selbstverständlich damit gerechnet, daß auch bei günstigsten Windverhältnissen eine Anzahl Ballons anderswohin verschlagen wird. Auch die Landungen in Bulgariens selbst werden voraussichtlich in ganz verschiedenen Gegenden erfolgen. Es ist daher die Befürchtung rege geworden, daß seitens der lokalen bulgarischen Behörden oder seitens der Bevölkerung Schwierigkeiten entstehen könnten. Auch hat es zweifellos seine Bedenken, wenn durch die verschlagenen Ballons bekannt wird, welche Anstrengungen gemacht werden, um mit solchen Opfern ganz geringe Mengen Munition nach der Türkei zu bringen; die Schlüsse die seitens unserer Gegner hieraus auf die Gefechtskraft der türkischen Verteidigungswerke gezogen werden könnten, könnten leicht ein Ansporn zu weiteren heftigen Anstrengungen werden.

Eine endgültige Entscheidung der Obersten Heeresleitung über die Verwendung von Freiballons ist noch nicht getroffen.


[Treutler]



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