1915-04-01-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/R 20181
Zentraljournal: 1915-A.S.-1417
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 04/01/1915 08:35 PM
Telegramm-Ankunft: 04/01/1915 11:20 PM
Praesentatsdatum: 04/02/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 624
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Wien (Tschirschky) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



No. 624.

Wien, den 1. April 1915.

Über eine Unterredung, die mein türkischer Kollege mit Herrn Toscheff hatte, teilte er mir folgendes mit:

Herr Toscheff habe ihn sehr eindringlich gefragt, ob überhaupt noch eine militärische Aktion Österreichs gegen Serbien in absehbarer Zeit zu erwarten sei. Die Lage des bulgarischen Ministeriums gestalte sich immer schwieriger. Die Angebote der Entente würden immer verlockender und präziser. Die Audienzen des Herrn Malinow und anderer dem jetzigen Ministerium nicht angehörender Politiker beim König seien nicht ohne Wirkung geblieben, Bulgarien könne unmöglich mit den Zentralmächten marschieren, wenn nicht österreichische oder deutsche Truppen bis an die bulgarische Grenze vorgedrungen seien. Wie lange sich Bulgarien noch abwartend werde halten können, sei nicht mit Sicherheit zu übersehen. Herr Toscheff hat auch hier wieder durchblicken lassen, daß Bulgarien seine Politik nach derjenigen Italiens einzurichten gedenke.

Hilmi Pascha hat Herrn Toscheff nach Möglichkeit zu beruhigen gesucht und ihm gesagt, Österreich sei entschlossen gegen Serbien sobald als möglich zu marschieren. Es müsse aber erst die Schneeschmelze abgewartet werden. Dieser Zeitpunkt werde voraussichtlich Ende April eintreten, Hilmi Pascha sagte mir, Herr Toscheff sei sichtlich erleichtert durch diese bestimmte Zusage fortgegangen.

Mein türkischer Kollege hat von diesem Gespräch mit dem bulgarischen Vertreter Baron Burian Mitteilung gemacht. Der Minister ist davon auch stark beeindruckt worden, denn er sagte mir gestern sehr bestimmt, die Aktion gegen Serbien müsse spätestens innerhalb drei Wochen begonnen und möglichst rasch beendet werden. Eine große Schwierigkeit liege darin, Italien bis dahin zum Abschluß des Vertrags zu bringen. Ein dauerndes Hinziehen der Verhandlungen und ein völliges Lahmlegen der Monarchie in ihren kriegerischen Operationen seitens Italiens könne er unmöglich hinnehmen und er sinne auf Mittel, um Rom zu schnellem Abschluß zu bringen. Sehe er, daß alle Mittel vergebens bleiben, so werde schließlich nichts übrig bleiben, als das Angebot des Trentino zurückzuziehen.


[Tschirschky]



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