1915-05-22-DE-006
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Quelle: DE/PA-AA/R 20185
Zentraljournal: 1915-A.S.-2512
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 05/22/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 261
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Marineattaché an der Botschaft Konstantinopel (Humann) an den Admiralstab der Marine

Schreiben



Admiralstab der Marine/Telegrammabschrift 22. Mai 1915 3 Uhr 15 Vm.

Nr. 261.

Für General von Falkenhayn Großes Hauptquartier:

Für den Fall, daß Italien in den Krieg gegen die Zentralmächte eingreift, hat heute türkische Regierung folgende Entschließung angenommen, die ich Euerer Exzellenz ergebenst übermittele:

1. Falls die deutsch-österreichischen Streitkräfte ausreichen, um gleichzeitig die Offensivoperationen gegen Rußland fortzusetzen, und eine erfolgreiche Offensive gegen Italien zu ergreifen, so billigt türkische Regierung das Aufgeben der für die allernächste Zeit geplanten Unternehmungen gegen Serbien.

2. Falls jedoch die militärische Lage oder andere Umstände eine wirkungsvolle Offensive gegen Italien ausschließen, so wird mit Rücksicht auf die Wirkung der neuen militärpolitischen Lage auf die Balkanstaaten der Beginn der geplanten Operationen gegen Serbien für notwendig gehalten.

3. Sollten die gegen Italien unternommenen Operationen nicht sehr bald einen sichtbaren Erfolg der Zentralmächte herbeiführen, so werden ohne Frage in absehbarer Zeit zunächst Rumänien und Bulgarien, dann aber auch Griechenland in den Krieg eingreifen. Die kriegerischen Maßnahmen dieser Staaten werden sich in erster Linie gegen die Türkei richten.

4. In diesem Fall hängt der erfolgreiche Widerstand der Türkei nicht mehr von einer Lösung der kritischen Munitionsfrage ab, sondern es ist wohl unzweifelhaft, daß die militärischen Kräfte des Landes diesem ungeheuren Druck nicht werden Stand halten können. Trotzdem ist die türkische Regierung entschlossen, auch in diesem Fall bis zum letzten Mann zu fechten.

5. Angesichts der Lage hält die türkische Regierung es für notwendig, daß von Berlin und Wien aus der Versuch gemacht, auf diplomatischem Wege Rumänien und Bulgarien für die Sache der Zentralmächte zu gewinnen. Nach diesseitiger Ansicht ist ein Erfolg dieser Bemühungen zu erwarten, wenn Rumänien in Transsylvanien, Bulgarien in Dobrudscha Kompensationen angeboten werden.

6. Rekapitulation: entweder wirkungsvolle Offensive gegen Rußland und Italien oder Offensive gegen Rußland und Serbien mit einer Defensive gegen Italien. Das gleiche Telegramm geht an Chef des Generalstabs Conrad von Hötzendorf. Schluß des gemeinsamen Telegramms.

Mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer russischen Landung gegen Konstantinopel wird dauernd eine Armee in der Nähe der Hauptstadt verfügbar gehalten. Diese Armee könnte frei gemacht werden zu einer Verwendung a) gegen Serbien oder b) gegen eventuell italienische oder griechische Landungen in Kleinasien oder c) zur Verstärkung der Dardanellen-Armee, wenn durch Vermehrung der hierher gesandten U-boote, deren Verwendung auch im Schwarzen Meer ermöglicht und damit die russische Flotte lahm gelegt wird.

Ich glaube, daß eine starke U-bootsflotille die ganze Dardanellenfrage einer schnellen und günstigen Lösung erheblich näherbringen und uns in die Lage versetzen würde, auch die zahlreichen jetzt in den Dardanellen befindlichen Truppen an anderen Stellen für das gemeinsame Kriegsziel einzusetzen. Enver

Schluß der Depesche. Für den Chef des Generalstabes. Bitte Abschrift des Vorstehenden an Auswärtiges Amt und Großadmiral Tirpitz geben. Bescheinigen.


[Humann]


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