1915-05-25-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/R 20186
Zentraljournal: 1915-A.S.-2579
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 05/25/1915 02:20 AM
Telegramm-Ankunft: 05/25/1915 04:05 AM
Praesentatsdatum: 05/25/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1214
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 1214.

Konstantinopel, den 25. Mai 1915

Antwort auf Telegramm Nr. 1006 {A.S. 2542}.

Wegen des bulgarischen Durchgangsverkehrs durch die Türkei ist es in letzter Zeit wiederholt zu Reibungen zwischen der Türkei und der Bulgarischen Regierung gekommen. In der Verhandlung darüber ist dem bulgarischen Geschäftsträger von seiner Regierung vorgeworfen worden, daß er die bulgarischen Interessen nicht energisch genug wahrnehme und zu türkenfreundlich sei. Wohl daraus ist bei dem Geschäftsträger der Gedanke entstanden, daß anläßlich einer grundsätzlichen türkisch-bulgarischen Verständigung über die allgemeine Politik auch die Maritza-Linie von der Türkei abgetreten werden müsse. Bulgarien werde der Türkei auf eigene Kosten eine Parallel-Bahn bauen. Der Geschäftsträger bezeichnet mir indessen die Anregung ausdrücklich als eine solche, die er erst noch seiner Regierung unterbreiten müsse. Sie erschien ihm aber nur als eine nebensächliche Bedingung, an welche Bulgarien sein aktives Eingreifen knüpfen müsse. Als Hauptbedingung, deren Erfüllung ganz unerbittlich sei, erklärt er die Gewinnung Rumäniens. Nur wenn letzteres durch Österreich befriedigt sei und durch Rückgabe der Dobrudscha ohne Silistria Bulgarien einen Beweis seines guten Willens gegeben habe, könne Bulgarien gegen Serbien marschieren. Ein unsicheres, zwischen der Entente und den Zentralmächten schwankendes Rumänien schließe nicht nur jede Aktion Bulgariens aus, sondern erschüttere allmählich auch die uns freundliche Bulgarische Regierung.

Nach meinen hiesigen Eindrücken ist auch nicht die Spur einer Hoffnung vorhanden, daß Bulgarien eingreifen wird, solange Rumäniens Haltung auch nur im geringsten zweifelhaft bleibt. Nach meiner festen Überzeugung hängt die Rettung der Türkei und nach dem Eingreifen Italiens höchstwahrscheinlich der Ausgang des ganzen Krieges jetzt ausschließlich davon ab, ob wir Österreich dazu bringen, Rumänien ein genügendes Opfer zu bringen. Geschieht dies, so ist uns der Sieg mindestens im Osten gesichert. Die Meerengen werden dann nicht forziert werden können. Leider scheint mir aber bei den Österreichern, wenigstens bei den hiesigen, immer noch die sicher trügerische Hoffnung zu herrschen, daß, wenn Rumänien Österreich den Krieg erklärt, letzteres seine Rettung bei Rußland finden könnte.

Der selbstverständlich stark interessierte rumänische Geschäftsträger betonte mir heute wiederum die dringende Notwendigkeit, so schnell als möglich die pourparlers in Bukarest zu beginnen. Es sei dort zweifellos bis jetzt noch eine starke Stimmung für uns vorhanden, nachdem Rußland deutlich zu erkennen gegeben hat, daß es das Banat an Serbien geben und Czernowitz für sich behalten wolle. Rumänien solle also eine slawische Einwickelung erhalten. Rumänien müsse deshalb einen Sieg der Zentralmächte wünschen, werde aber in die Arme der Entente gedrängt wenn es von uns für die Erfüllung seiner nationalen Hoffnungen nichts erreichen könne.

Dafür, daß die Türkei sowohl Bulgarien als Rumänien alle nur gewünschten Konzessionen machen wird, glaube ich bis auf weiteres einstehen zu können.

Geheim! Mir ist bekannt, daß Marschall von der Goltz berichtlich für die sofortige Operation gegen Serbien eintritt. Er geht dabei von der völlig irrigen Annahme aus, daß Bulgarien ohne Garantie seitens Rumäniens losschlagen würde.


[Wangenheim]



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