1915-06-24-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/R 19992
Zentraljournal: 1915-A-20451
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 07/02/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 398
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Pera, den 24. Juni 1915

Abschriftlich Seiner Exzellenz dem Reichskanzler Herrn von Bethmann Hollweg gehorsamst vorgelegt.

Wangenheim
Anlage 1

Abschrift

Adana, den 16. Juni 1915

Das im anliegenden Bericht erwähnte Flugzeug hat darauf einen Bomben-Angriff auf die Eisenbahnbrücke über den Dschihan - bei Tschakaldéré - unternommen, einen Erfolg hingegen nicht erzielt. Es ist übrigens auffallend, dass die Zerstörung der Eisenbahnbrücken nicht längst versucht worden ist, namentlich nicht gleich zu Beginn des Krieges, wodurch der Abtransport der Truppen fast unmöglich gemacht worden wäre.

Bei dieser Gelegenheit ist von Neuem auf den Umstand hinzuweisen, dass im Falle eines Landungsversuchs das Wilajet wahrscheinlich fast ohne Gegenwehr in die Gewalt des Feindes gelangen würde. Namentlich ist mit einer Okkupation des Landes wohl mit Sicherheit zu rechnen, sobald Italien sich am Kriege gegen die Türkei beteiligen sollte, umsomehr, als ohnehin seit langem italienische Aspirationen gerade auf das Küstenland Anatoliens bestehen.

Für Abwehr eines feindlichen Eindringens - mit welchem bei der durch die Insel Cypern gegebenen Operationsbasis von Anfang an hätte gerechnet werden dürfen und müssen - sind ernst zu nehmende Vorkehrungen nicht getroffen worden. Augenblicklich befindet sich kein reguläres Militär in der Provinz, nachdem das vor einiger Zeit hierher beorderte Nisamie-Regiment nach Konstantinopel zurückgezogen worden ist. Was sonst an Truppen vorhanden ist, kommt daher weder quantitativ noch qualitativ für den Ernstfall in Frage.

Es ist von hier aus nicht zu verstehen, weshalb man das ausserordentlich günstige Einfallsgebiet türkischerseits so gut wie schutzlos gelassen hat. Auffälliger noch ist, wie gehorsamst bemerkt, dass diese Chance seitens des Feindes bisher vernachlässigt worden ist, wo es ein Leichtes gewesen wäre, schon allein durch die Zerstörung aller Eisenbahnbrücken durch Flugzeuge ohne grosses eigenes Risiko erhebliche strategische Vorteile zu gewinnen.


[Büge]
Anlage 2

Abschrift

Mersina, den 10. Juni 1915.

Vergangenen Samstag den 5. Juni um 6 Uhr Vormittags ist der französische Panzerkreuzer „Ernest Renan“ gefolgt von einem Hilfskreuzer unter englischer Kriegsflagge auf der Reede Mersina’s erschienen, kurze Zeit darauf flog ein Hydroplan vom Hilfskreuzer aus und umkreiste die Stadt Mersina und die Umgegend nach Osten und Westen; in der Nähe von Karaduwar liess er eine Bombe fallen, welche keinen Schaden anrichtete. In Mersina wurde mit Martini-Gewehren und auch mit Revolvern auf den Hydroplan geschossen, der in einer Höhe von kaum 800 m sich befand. Nachdem der Hydroplan zurück an Bord des Hilfskreuzers geborgen war, fing das Kriegsschiff an, das Petroleum-Depot zu beschiessen, welches schon lange vorher geleert worden ist, so dass der Schaden sich auf das Gebäude beschränkt und dies ist Eigentum eines Franzosen, des Arztes Dr. E. Bao, gegenwärtig in Kaiserie interniert. Sprengstücke von den Granaten (16 cm) erreichten die Büros der Eisenbahn; im ganzen hat das Kriegschiff zehn Schüsse abgefeuert.

Gleich nach seiner Ankunft beschlagnahmte das französische Kriegsschiff die beiden Schleppdampfer der Remorquage-Gesellschaft und führte sie ab in südwestlicher Richtung. Diese zwei Schleppschiffe hatte Admiral de Dartige, auf die Reklamation von Herrn Meier, welcher diese als schweizerisches Eigentum bezeichnete, frei gelassen, dieses Mal wurden die Schlepper genommen; es ist nicht ausgeschlossen, dass französische oder englische Staatsangehörige, die so grossmütig von Mersina abreisen durften, die Veranlassung zur Beschlagnahme gegeben haben, indem sie die zwei Schlepper als Eigentum der Eisenbahn, was nicht richtig ist, oder als Eigentum einer mit deutschen Mitteln gegründeten Unternehmung bezeichneten; sämtliche Leichterschiffe sind ans Land gezogen worden, aus Furcht, dass diese das nächste Mal auch abgeführt werden können.

Der Hydropan hat auch an 3 oder 4 Stellen in Mersina Pakete fallen lassen, die alle der Regierung abgeliefert wurden; es sollen darin Exemplare der in Cairo erscheinenden Zeitung „Il Mukattam“, ein von der englischen Regierung bezahltes Blatt und Mitteilungen kindischer Natur sich befunden haben, die auch an anderen Orten abgeworfen worden sind.


[Christmann]



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