1915-09-16-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20191
Zentraljournal: 1915-A.S.-4881
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 09/16/1915 11:20 PM
Telegramm-Ankunft: 09/17/1915 08:30 PM
Praesentatsdatum: 09/18/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1233
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Athen (Mirbach) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Athen, den 16. September 1915

Antwort auf Telegramm Nr. 664 {A.S. 4716}.

Auch nach tagelanger Ueberlegung kann S.M. der König sich nicht entschliessen, eine Neutralitätserklärung der gedachten Art abzugeben, beziehungsweise abgeben zu lassen.

Von Streit beraten, der mir in demselben Sinne gesprochen hat, stellt der König sich auf den Standpunkt, dass die bisher von ihm stets proklamierte und auch in die Tat umgesetzte neutrale Politik sich auf jede Eventualität beziehe.

Jetzt noch mehr von ihm zu verlangen, bedeute Zweifel an seinem Königswort und Misstrauen in seine Person.

Ich erwiderte Sr. Majestät, dass seine neutrale Politik von niemand dankbarer begrüsst und anerkannt worden wäre, als von uns; es hätte sich aber bisher doch gewissermassen um die allgemeinere Neutralität gehandelt, während jetzt ein besonderer Teil spezieller „Balkanneutralität“ in Frage komme. Der König stellte sich indes, als vermöge er sich diese Nuance nicht zu eigen machen.

Alte Rancunen und unbegrenztes Misstrauen gegenüber Bulgarien spielen bei der ablehnenden Haltung Sr. Majestät die entscheidende Rolle. Der König beharrt darauf, dass jede vertragliche Abmachung mit Bulgarien überhaupt zwecklos ist. Wenn ihm auch heute von Sofia zugesagt werde, dass man Doiran und Gewgeli nicht besetzen wolle, so möge dies vielleicht zutreffen, soweit reguläre Truppen in Frage kämen. Man würde aber gewiss Mittel und Wege finden, durch Komitadschis das gewünschte Ziel zu erreichen.

Ich hielt Sr. Majestät entgegen, dass wir dann doch in der Lage wären, im gegebenen Falle Vertragstreue Bulgariens zu überwachen. Se. Majestät schien aber in unsere Einwirkungsmöglichkeiten in Sofia Zweifel zu setzen, meinte „dass auch wir noch mit unseren neuesten bulgarischen Freunden übele Erfahrungen machen würden.“

Weitere Bedenken Sr. Majestät liegen auf konstitutionellen Folgen. Bei dem jetzigen anormalen Zustand, der jeden vertraulichen Gedankenaustausch zunächst mit seinem Ministerpräsidenten ausschliesst, scheut es der König letzten Endes eben doch, schwerwiegende Entscheidungen erster Ordnung auf eigene Rechnung und Gefahr zu treffen.


[Mirbach]
[Jagow am 18.9. an Athen (Nr. 695)]

Geheim.

Auf Telegramm Nr.1233.

Bei uns besteht keinerlei Mißtrauen gegen König und sein Wort. Wir brauchen aber Erklärung, um Bulgarien von Besetzung von Doiran und Gewjeli abzuhalten. Die Erklärung ist also nicht für uns, sondern indirekt für Bulgarien bestimmt, welches uns ja analoge Erklärung abgegeben hat. Bulgarien hierzu zu bewegen, war keineswegs leicht, wir haben es aber im Interesse Griechenlands durchgesetzt. Daß Erklärungen an uns als Vermittler abgegeben werden sollen, geschieht deshalb, weil indirekte Verständigung zwischen Sofia und Athen bei gegenseitigen Dispositionen doch ausgeschlossen wäre. Verstimmung des Königs um so unverständlicher als S.M. zwar lange schriftliche Erklärung von uns verlangt, wir aber nie von ihm eine schriftliche Erklärung für uns verlangt haben, außer der jetzt für Bulgarien erforderlichen. Diese ist deshalb nötig, damit wir in Sofia sagen können, daß wir von Griechenland gleiche Erklärung wie von Bulgarien erhalten haben. Wir bitten nochmals dringend den König in seinem eigensten Interesse, die Erklärung abzugeben.


[Jagow am 18.9. an Sofia (Nr. 872)]


Geheim.

König von Griechenland befürchtet, daß wenn bulgarische Regierung auch erklärungsgemäß von Besetzung von Doiran und Gewjeli durch reguläre Truppen absehen will, doch Einmarsch von Komitadschis in genannte Gebiete erfolgt, was auf dasselbe herauskäme. König zögert daher Erklärung abzugeben. Erbitte Ew. Exz. persönliche Ansicht, ob Befürchtung Königs von Griechenland begründet und ob bulgarische Regierung Mazedonier Banden genügend in der Hand hat, um für Nichtbesetzung einzustehen?



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