1915-09-20-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/R 20014
Zentraljournal: 1915-A-28357
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der deutsche Journalist und Balkanexperte Albin Hugo Kutschbach an das Auswärtige Amt

Bericht


Nisch, 20. September 1915

Abschrift.

Pasic hat sich in Kragujewatz 3 Tage aufgehalten, wo er wiederholt lange Konferenzen mit Putnik und dem Kronprinzen hatte. Von dort begab er sich zum König nach Topolo, von wo er gestern hierher zurückkehrte. Ich sprach ihn heute, allerdings nur kurz, da er mit Arbeiten buchstäblich überhäuft ist. Er war sichtlich stark bedrückt. Er sagte mir, daß er vor dem Land und der Geschichte eine große Verantwortung habe, gegenüber der Fülle auf ihn einstürmender, sich nur zu oft widersprechender Nachrichten es ihm aber sehr schwer werde, den richtigen Weg zu wählen. Er hoffe noch immer auf Rußland, gibt sich aber auch der Erwartung hin, daß auch die anderen Ententemächte Serbien militärisch nicht im Stiche lassen werden.

Heute weilt der Kronprinz bei dem Könige.

Die in der letzten Zeit in Spezialmissionen hierher gekommenen oder nach Frankreich hier durchreisenden russischen Offiziere - erst jetzt ist wieder der russischen Fürst Pavel Alexandrovic hier eingetroffen - haben u.a. unter Darlegung von Einzelheiten die Mitteilung überbracht, daß die russische Armee noch große Bestände an Mannschaften und Kriegmaterial besitze und durchaus nicht entmutigt und desorganisiert sei und daß hinter der Front neue Armeeabteilungen gesammelt würden, mit deren Hilfe bald wieder zur Offensive übergegangen werden könne. Die russische Armeeleitung hoffe deshalb und auch weil unter dem russischen Winter die feindlichen Heere sehr stark leiden würden, bald wieder größere, ja entscheidende Erfolge verzeichnen können. Man ist zwar über den soeben erfolgten Beginn der neuen Offensive der Austro-Deutschen in starkem Maße beunruhigt (insbesondere macht sich im Volke eine lebhafte Besorgnis geltend), hofft aber doch die seit langem und mit großer Umsicht vorbereitete Verteidigung des Landes so lange hinziehen zu können, bis irgendwoher von außen Hilfe kommt. Sehr viel Furcht aber hat man, daß die Bulgaren Serbien in den Rücken fallen könnten, denn in den letzten Tagen sind sehr beunruhigende Nachrichten aus Sofia gekommen, weshalb man auch eine Reihe militärischer Maßnahmen ergriffen hat.

Auf dem Donauwege sind 4 Lokomotiven und 30 Waggons angekommen, welche die Russen in Galizien erbeutet und den Serben zum Geschenk gemacht haben. Morgen werden in Prahovo 3 russische Dampfer mit 6 Schlepps erwartet, die angeblich wieder Kriegsmaterial bringen sollen.

75 Frachtautomobile wurden in Salonik ausgeladen und befinden sich auf dem Wege nach Serbien. Die Regierung hatte diese Autos in Amerika für Heereszwecke bestellt.

150 in Rußland kriegsgefangen gewesene Kroaten, Slowenen und Tschechen, zumeist akademisch gebildete Leute, darunter 4 Ärzte, sind zur freiwilligen Dienstleistung nach Serbien gekommen. Außerdem trafen 470 Österreichische Kriegsgefangene, zumeist Bosniaten, aus Rußland ein. Sie kamen auf dem Donauwege.

Die Funktionen des noch immer kranken Finanzministers Pacu hat jetzt der Handelsminister Marinkovic mit übernommen.

In Topolo wurde das vom König daselbst gestiftete Krankenhaus eröffnet.

Die Ausfuhr von Kupfergeldmünzen wurde verboten.

Ein Teil der amerikanischen Sanitätsmission in Belgrad reiste Ende voriger Woche nach Konstantinopel, der andere Teil Albin nach Rußland ab. Auch haben mehrere englische Ärzte Serbien verlassen.

Aus Amerika trafen in Salonik 120000 kg Mehl als Spende für die serbischen Verwundeten ein


[Kutschbach]



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