1915-09-22-DE-006
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Quelle: DE/PA-AA/R 20192
Zentraljournal: 1915-A.S.-4981
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 09/22/1915 08:10 PM
Telegramm-Ankunft: 09/24/1915 06:55 AM
Praesentatsdatum: 09/24/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1248
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Athen (Mirbach) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Athen, den 22. September 1915

Sobald hier bekannt geworden war, dass die 4 an der serbischen beziehungsweise griechischen Grenze stehenden bulgarischen Divisionen mobilisiert werden sollten, liess sich Herr Venizelos dringlich bei S. Majestät dem König melden und riet Seiner Majestät , alsbald mit Serbien zusammen über Bulgarien herzufallen., mit gleichzeitiger Unterstützung von Entente-Truppen (und zwar nicht kolonialen und farbigen Truppen).

Des weiteren unterbreitet Venizelos dem König den Vorschlag, von Seiner Majestät dem Kaiser und König telegraphisch genauere Angaben darüber zu erbitten, welche Vergrößerung Bulgarien zu erwarten habe. Sollte Serbien etwa auf die Grenzen von 1878 zurückgeschraubt werden, so würde ein auf diese Weise übermächtig gewordenes Bulgarien für Griechenland eine stete Gefahr bedeuten.

Nach wenigen Stunden glaubte Venizelos einen Kommentar zu seinen Ratschlägen geben zu sollen, warnte brieflich davor, uns gegenüber irgendwelche Verpflichtungen einzugehen, und sprach die Hoffnung aus, dem König schließlich doch noch für seine Politik zu gewinnen. Bis Antwort aus Berlin eingegangen sei, werde er inzwischen festgestellt haben, welche Truppenzahl die Entente zusagen könne.

Seine Majestät liessen dem Minister-Präsidenten telephonisch erwidern, sein Telegramm nach Berlin (cfr. die zwei Telegramme 1246 und 1247) sei bereits abgesandt. Im übrigen wolle Herr Venizelos irgendwelche Verhandlungen der gedachten Art mit der Entente unterlassen.

Die kurze Rückäußerung Venizelos lautete, dass der Befehl des Königs leider zu spät gekommen sei, da er sich umgehend in dem erwähnten Sinne mit den Entente-Vertretern in Verbindung gesetzt habe.

Damit wäre wieder ein scharfer prinzipieller Gegensatz zwischen der königlichen und der venizilistischen Politik gegeben, der auch eventuell schon sehr bald wieder zu einer Trennung führen kann, sofern Seine Majestät seinem Programm auch wirklich zielbewusst folgt. Der König ist aber zur Zeit, wie es auch die beiden Telegramme an Seine Majestät den Kaiser und König erkennen lassen, ohne dass es ihm selbst ganz deutlich zum Bewusstsein käme, doch immer noch in Kompromissideen verstrickt.

In militärischer Hinsicht hat Seine Majestät, nach Vortrag des Generals Dusmanis, schon jetzt die Vorbereitung der Mobilmachung für die Armeekorps I, III und IV (Athen, Salonik, Kawala) befohlen, eine Massnahme, die sich vielleicht als etwas übereilt herausstellen und die weitere Entwicklung der Dinge eventuell präjudizieren könnte


[Mirbach]


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