1915-11-02-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20025
Zentraljournal: 1915-A-32769
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: J.Nr. 2033/K.Nr. 97
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Konsul in Saloniki (Walter) an das Auswärtige Amt

Bericht


Salonik, den 2. November 1915

Im Anschluß an den Bericht vom 20. vor. Mts. K.Nr. 95.

Die Lage in Salonik hat sich in der letzten Zeit äusserlich nicht erheblich geändert. Die Landung französisch-englischer Truppen und ihre Weiterbeförderung an die serbische Front gegen die Bulgaren, wo es im Abschnitt von Strumnitze bis Köprülü den Wardar hinauf zum Kampfe gekommen ist, wurde ununterbrochen fortgesetzt, die Truppenschiffe brachten zugleich Kriegsmaterial und Vorräte aller Art mit. Dazwischen kamen auch immer neue griechische Truppentransporte an, die in der näheren und entfernteren Umgegend von Salonik Lager oder Garnison beziehen und fast durchweg gut ausgerüstet sind.

Auch die Ententetruppen, abgesehen von den ersten Dardanellen-Regimentern, machen einen guten Eindruck, die mangelhafte Disziplin der Engländer, die durch ihre Trunkenheit in den Strassen auffallen und die ihnen gelieferten Konserven und Montierungsstücke leichtsinnig verkaufen, wird auch hier viel besprochen. Ueber die Truppenlandungen vom 19. Oktober bis 1. November Abends gibt die beifolgende Zusammenstellung nähere Daten [hier nicht veröffentlicht]. Extrakte daraus sind, wie bereits bei den vorher eingereichten Zusammenstellungen, über Xanthi telegraphiert worden und Abschrift der Depeschen den Kaiserlichen Missionen in Athen und Konstantinopel für die militärischen Stellen auf dem schnellsten sicheren Wege zugesandt worden. Auch sind diesen die Zusammenstellungen selbst mit sicherer Gelegenheit zugegangen. Leider ist ein geregelter Kurierdienst über Salonik nicht eingerichtet, die Verbindung zwischen Athen und hier war durch schlechte Wege und Bahnüberschwemmung häufig unterbrochen und ebenso war auch die Verbindung nach Konstantinopel hin gefährdet und behindert; braucht doch ein Kurier von hier bis Xanthi zur Aufgabe von Depeschen mindestens 4 Tage zur Hin- und Herreise. Die Verbindung dürfte sich aber bald bessern, da, auf Vermittelung des bulgarischen Kollegen hier, ein Grenzoffizier für die Besorgung unserer Depeschen und der mit uns verbündeten Staaten in Xanthi beauftragt ist. Mit diesem wird sich Dr. Schwörbel der im Auftrage der Botschaft und der Etappe in Konstantinopel vorgestern abend hier eingetroffen ist, in Verbindung setzen können, um den Depeschen- und Kurierdienst möglichst schnell zu besorgen.

Hier wird immer noch von ernsthafter Seite die Befürchtung gehegt, dass Griechenland von der Entente gezwungen wird, gegen uns offen Partei zu nehmen und sich am Kriege zu beteiligen. Einerseits sind die massgebenden Behörden und wohl auch noch viele Militärs für die Entente und Venizelos, andererseits nehmen sich Franzosen und Engländer hier so viel heraus, requirieren Häuser, stellen Wachen davor, versuchen mit mehr oder weniger Erfolg die Griechen zu brüskieren, dass man annimmt, wenn Ernst mit der Besetzung der Stadt gemacht wird, würden die Griechen keinen Widerstand leisten und sich mit ihrer Ohnmacht entschuldigen, obwohl fast die ganze griechische Armee in Mazedonien versammelt ist und die Entente kaum 100000 Mann ihr entgegenstellen könnte, wovon noch der grösste Teil in Serbien zu kämpfen hat.


Walter



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