1915-11-14-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R 20026
Zentraljournal: 1915-A-33112
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 11/14/1915 10:20 PM
Telegramm-Ankunft: 11/15/1915 01:45 PM
Praesentatsdatum: 11/15/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 29
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Militärattaché in Athen (Falkenhausen) an den Generalstab des Feldheeres

Telegraphischer Bericht


Athen, den 14. November 1915

Für Chef des Generalstabs des Feldheeres.

Antwort auf Telegramm vom 10. November Nr. 9692 P.:

Nachdem Seine Majestät der König am 12. November Euerer Exzellenz Telegramm erhalten hatte, ließ der König mir am 13. November durch Metaxa folgende Antwort für Euere Exzellenz zukommen:

Seine Majestät dankt Euerer Exzellenz für die Erklärung, daß mit Rücksicht auf den Wunsch Seiner Majestät die Operationen der Deutschen und ihrer Verbündeten auf dem Balkan keinen Charakter annehmen sollen, welchen Griechenland als feindlich betrachten müßte.

Seine Majestät verkennt nicht, daß Festsetzung einer Ententearmee in Griechenland-Mazedonien für Deutschland einen schweren militärischen Nachteil bildet, aber er ist der Ansicht, daß rein militärisch betrachtet, es möglich sein würde, diesen Nachteil ohne Betretung griechischen Bodens so zu beschränken, daß er kaum noch fühlbar sei. Einer Offensive gegen Griechisch-Mazedonien, welche sehr schwierig sei, viel Verluste und vielleicht nicht den erwarteten Ausgang bringen könnte, sei vielleicht eine feste Besetzung der schwierigen Pässe nördlich von Prilep, Gewgeli und Doiran vorzuziehen, welche mit schwachen gegen weit überlegene Kräfte gehalten werden könnten. Durch eine solche Besetzung würde Operationsbasis in anderen, von der deutschen Heeresleitung als wichtig betrachteten Richtungen, vollkommen gesichert sein.

So glaubt Seine Majestät, daß vom militärischen Standpunkt ein Feldzug gegen das griechische Mazedonien für die allgemeine Entwickelung der deutschen Kriegführung schädlicher sein werde als eine Verteidigung der obengenannten Pässe. Seine Majestät sprach mir diese Meinung nicht in der Absicht aus, um die nötigen Schritte zur Neutralisierung der Ententetruppen zu umgehen. Seine Majestät ist im Gegenteil der Ansicht daß ein schneller Abzug der Entente aus Mazedonien und Freiwerden griechischen Bodens für Griechenland von noch erheblich größerer Wichtigkeit als für Deutschland sei. Und es wird jetzt alles getan, um dieses Ziel zu erreichen.

Seine Majestät ist der Ansicht, daß das Nichtbetreten von Doiran Gewgeli durch Bulgaren keinen Nachteil für Bulgarien herbeigeführt habe; denn trotz Besetzung dieser Gebiete, hätten Ententetruppen an der schon begonnenen Landung und Vorrücken durch griechisches Gebiet nicht gehindert werden können. Unterschied liege nur darin, daß dann von Anfang an an griechischer Grenze und vielleicht auf griechischem Boden ein Kampf entstanden wäre. Nach der damaligen Lage (Venizelos war noch am Ruder) würde Griechenland in solchem Fall zum Eingreifen gezwungen gewesen sein, was - ohne die späteren Folgen in Betracht zu ziehen - für Bulgarien nicht vorteilhaft gewesen wäre, besonders wenn man bedenkt, daß auch serbische Armee damals noch intakt war.

Die griechischen Behörden von Salonik, welche zweimal täglich alle Einzelheiten über Unternehmungen der Entente melden, haben bisher nichts über Unternehmungen von Flugmaschinen …[Gruppe fehlt]… bulgar. Gebiet oder dem Kriegsschauplatz berichtet, ebenso nichts über angebliche oder tatsächliche Erfolge solcher Unternehmungen, welche sicher nicht unbekannt geblieben wären. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben diese Flugmaschinen ihren Stützpunkt in Serbien.

Hierzu erklärt Metaxa im Einverständnis mit Seiner Majestät folgendes:

Seine Majestät wolle kein Besserwissen zeigen, habe vorstehenden Gedanken nur ausgesprochen, weil er überzeugt sei, daß Betreten griechischen Bodens nicht notwendig für allgemeine Entwickelung deutscher Operationen. Zum Beweis für diese Überzeugungen folgendes:

Durchzug durch ein Land zwischen Bezirk Monastir und Mesta-Fluß bei einem umfassenden Angriff gegen eine Armee, die unter Zurechnung der griechischen vielleicht nicht viel schwächer sein würde als der Angreifer, sei sehr schwierig und der Erfolg zweifelhaft. Durch die ausgedehnten unwegsamen Gebirge führen nur 5 Paßstraßen, nur 2 Eisenbahnen; Nachschub also schwer. Selbst bei Annahme, daß Erfolg erreicht wird, mindestens großer Zeitverlust und Kräfteverlust und schließlich ist es unwahrscheinlich, ob Vernichtung der angegriffenen Armee erreicht würde, da sich geschlagene Armee auf bestimmte Küstenpunkte zurückziehen und sich dort, auch von der Flotte unterstützt, halten könnte. Dadurch würden für lange Zeit erhebliche Kräfte der Deutschen oder ihrer Verbündeten in Mazedonien festgelegt werden. Wenn sich hingegen Deutsche mit ihren Verbündeten in den Pässen von Prilep, Gewgeli und Doiran festsetzen, wogegen Entwickelung großer Ententekräfte nicht möglich und Angriff wegen Geländes und fehlender Gebirgstruppen sehr schwierig, so scheine dies für Deutschland erheblich günstiger. An solchem Kampf würde griechische Armee keinen Anteil nehmen, vielmehr jede Ausdehnung des Kampfes östlich des Doiran Sees verhindern. Durch solche Operationen würde Deutschland Zeit und Kraft für Operationen in anderer Richtung …[Gruppe fehlt]…, welche für Ausgang ganzen Krieges vielleicht wirkungsvoller. Heutige schwierige Lage des linken bulgarischen Flügels kommt gerade davon, daß es Bulgaren bisher nicht gelang, genannte Pässe zu nehmen. Ein Anwachsen der in Mazedonien stehenden Ententetruppen würde unter diesen Umständen nicht nur keinen lokalen Vorteil bedeuten, sondern andere für Entente wichtige Punkte von den notwendigen Kräften entblößen.

Ausdrücklich erklärt Metaxa auf Wunsch Seiner Majestät, daß all diese Ausführungen lediglich vom militärischen Standpunkt gemacht sind, und daß Euere Exzellenz nicht etwa etwas wie eine versteckte Drohung hierin sehen mögen. Ein solcher Gedanke liege fern. Seine Majestät werde vielmehr auch wenn Euere Exzellenz nicht mit diesen Ausführungen übereinstimmen sollten, die bereits begonnenen Schritte mit allem Nachdruck weiterführen, um sein Land, schon aus rein griechischem Interesse, von den unerwünschten Gästen freizumachen.

Metaxa fügte persönlich hinzu, daß der König über das Betreten griechischen Bodens durch die Entente und besonders durch das unglaubliche Benehmen der Truppen sehr aufgebracht sei, sich nicht mehr mit der Arbeit der Regierung begnügt, sondern vielmehr auch persönlich eingreift um diesem Einfall in sein Land ein Ende zu machen.

Zum Beweis, daß bereits Schritte der Regierung erfolgt sind, zeigte mir Metaxa in strengstem Vertrauen folgende Telegramme:

1.) des griechischen Gesandten in Paris vom 11. November:

„Briand sprach im Ministerrat über die von griechischer Regierung und französischem Gesandten in Athen mitgeteilten Absichten der griechischen Regierung gegen die verbündeten Serben, welche auf griechisches Gebiet zurückgeworfen werden sollten. Ministerrat entschied Aufschub der Ausführung aller griechischen Forderungen, welche von Briand günstig aufgenommen u.s.w.“

Es handelt sich um Lieferung von bereits bezahlten Haubitzenbatterien, ausserdem Ersatzstücke für Artillerie, Zelt-Getreidelieferungen.

2.) des griechischen Gesandten in London vom 12. November , wonach England ebenfalls jede Lieferung wie auch den in Aussicht gestellten Vorschuß von 10 Millionen einstellt, „bis sich die griechische Regierung bestimmt und deutlich über ihre tatsächliche Haltung erklärt, gegen die serbische Armee und die Armee der Verbündeten unter den Umständen, welche eintreten könnten“, d.h. bei einer Flucht der Serben und Entente auf griechisches Gebiet.

Ich sagte Metaxa, daß man natürlich auch mit schärferen ungerechtfertigten Pressionen seitens Entente rechnen müsse, auf die im gleichen Moment aber auch der geharnischte Protest erfolgen müsse, um die Behandlung neutraler Staaten durch die Entente vor aller Welt zu zeigen. Metaxa versichert, daß solche Proteste gegebenenfalls erfolgen werden.


[Falkenhausen]



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