1915-11-15-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/R 20026
Zentraljournal: 1915-A.S.-5682
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 11/15/1915 01:20 PM
Telegramm-Ankunft: 11/15/1915 03:05 PM
Praesentatsdatum: 11/15/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 587
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der AA-Vertreter im Großen Hauptquartier (Treutler) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Pleß Schloß, den 15. November 1915

Am Anschluß an gestriges telephonischen Gesprächs.

Angab meinen Eindruck unseres gestrigen Gesprächs mit Herrn von Falkenhayn resümiert.

Der General steht meiner Ansicht nach ein wenig unter dem Einfluß des außerordentlich gerissenen Oberstleutnants Gantschew, der als typischer Vertreter Bulgariens geflissentlich dafür sorgt, daß der Gedanke an die nicht übergroße Zuverlässigkeit der Bulgaren stets wach bleibt. So hat er augenscheinlich auch jetzt unter dem Deckmantel seiner treuen Sorge für das Bestehenbleiben herzlicher deutsch-bulgarischer Beziehungen den General von Falkenhayn gebeten, bei der bevorstehenden Begegnung mit Jekow bulgarischen Wünschen tunlichst entgegenzukommen und den Verdacht allzu pro-griechischer Gesinnung zu zerstreuen.

Nun ist es ja ohne weiteres zuzugeben, daß die Respektierung der griechischen Neutralität nur durch gewisse Opfer auf rein militärischem Gebiet aufrechterhalten werden kann. Bulgarien aber hat an dieser Aufrechterhaltung nicht nur kein Interesse, sondern würde es wünschen, daß Griechenland in den Krieg gegen uns eintritt. Herr von Falkenhayn ließ durchblicken, daß Bulgarien und die Türkei sich bereits geeinigt hätten, die bulgarischen Wünsche bis auf Gümüldzina und …[Gruppe unverstdt.]…dz auf Kosten Griechenlands zu erfüllen, das gezwungen werden soll, Kavala und Umgegend als Preis an Bulgarien zu zahlen. Diese Information kann nur von Gantschew stammen, ob sie richtig ist, mag fraglich sein, augenscheinlich wünscht man aber in Sofia den entsprechenden Eindruck bei Herrn von Falkenhayn zu erwecken. Aber wie dem auch sei, Herr von Falkenhayn war entschieden geneigt, die bisher gehüteten Intereressen Griechenlands preiszugeben und wollte den Versuch machen, wie weit die politische Leitung ihm auf diesem Wege begleiten würde, wenn er starke militärische Gründe in den Vordergrund stellt. Ich merkte schon bei dem ersten Gespräch gestern Nachmittag, als ich ihm nur meine persönliche Meinung sagen konnte, daß er auf Widerstand vorbereitet war. Bei der Aussprache am Abend fand ich ihn mit Wild in Unterhaltung über das gleiche Thema. Auf Herrn von Falkenhayns Bitte erklärte ich mich einverstanden, daß Wild, der gehen wollte, dablieb. Das war ganz nützlich, da Wild durch Zwischenrufe und Gebärden lebhaft für unsere Anschauungen Partei nahm und mich auch bei rein militärischen Fragen als ich Herrn von Falkenhayn auch vom soldatischen Standpunkt aus Einwendungen machte, unterstützte. Nach langer Debatte, bei der es zum Teil sehr lebhaft zuging, erklärte Herr von Falkenhayn, „ja, das ist alles ganz gut, aber dann kann ich diesen Feldzug nicht führen.“ Ich erwiderte, der Zweck, den wir mit dem serbischen Feldzug beabsichtigt hätten, sei durch die Öffnung des Weges nach Sofia und Konstantinopel erreicht. Unsere Verpflichtungen, auch bulgarische Ziele durchzusetzen, würden im Frieden gelöst werden, auch ohne daß wir jeden Fußbreit des zu erobernden Landes vorher betreten hätten. Für die Operationen selbst aber seien doch nur zwei Fälle möglich, entweder, die Entente wolle auf die Unternehmung Salonik-Mazedonien ein Hauptgewicht legen. Dann würde sie sich dort sehr stark machen und zweifellos vorrücken, also uns Gelegenheit geben, sie auf neu-serbisch-mazedonischem Boden zu schlagen; oder die Aktion werde an dieser Stelle abflauen, dann werde es nicht allzu vieler Truppen bedürfen, um die englisch-französischen Kräfte zu verhindern, weiter vorzudringen oder gar unsere Bahn zu bedrohen. Wild stimmte mir darin bei und Herr von Falkenhayn sagte, die ganze Angelegenheit sei ja noch nicht spruchreif, vor 4 Wochen käme ein Angriff auf die Entententruppen überhaupt nicht in Frage; er habe nur wissen müssen, wie er sich Jekow gegenüber verhalten solle. Ich erwiderte darauf, daß ich hoffte, er werde ihm keinen Zweifel lassen, daß wir Griechenland nicht preisgeben könnten und zwar nicht aus eingebildeten dynastischen Interessen sondern weil mit einer an sich unverantwortlichen Illoyalität gegen den König Konstantin das ganze Gebäude unserer Balkanpolitik zusammenfalle.


[Treutler]



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