1915-11-16-DE-005
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon 97/Bl. 211-212
Botschaftsjournal: 10-12/1915/9659
Erste Internetveröffentlichung: 2010 April
Edition: Deportationsbestimmungen
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Vizekonsul in Rodosto (Ziemke) an den Botschafter in außeordentlicher Missiion in Konstantinopel (Wolff-Metternich)

Bericht


Rodosto, le 16. November 1915

No. 188

Im Anschluss an den Bericht vom 5. d.M. No 166.

Nach einem dem k.u.k. Konsularagenten seitens der k.u.k. Botschaft unlängst zugegangenen Telegramm hat der Minister des Aussern S.E. dem Herrn Markgrafen Pallavicini persönlich versprochen, die hiesigen Behörden anzuweisen, dass sie nicht auf Ausführung der angeordneten Ausweisung dringen sollen. In einem weiteren Telegram ersuchte S.E. der Herr k.u.k. Botschafter den Konsularagenten Agopovich, sofort nach Konstantinopel zwecks persönlicher Rücksprache abzureisen. Der hiesige stellvertretene Mutessarif jedoch, dem Agopovich die gedachten Telegramme vorlegte, erklärte letzterem, dass er keinerlei Anweisung in dieser Beziehung erhalten habe und ihm auch die gewünschte Abreiseerlaubnis nach Konstantinopel nicht erteilen könne. Er habe ihm nur auf meine Intervention hin die Frist zum Verlassen des türkischen Gebietes um drei Tage verlängert und müsste nunmehr darauf bestehen, dass der Ausweisungsorder Folge geleistet werde.

Nun soll aber, wie Agopovich vertraulich auf der Kanzlei des Mutessarifates erfahren hat, der von der k.u.k. Botschaft mitgeteilte Befehl tatsächlich hier bereits eingetroffen sein.

Auf Bitten des k.u.k. Konsularagenten habe ich heute dieserhalb bei dem stellv. Mutessarif vorgesprochen. Er erkärte mir nachdrücklichst, keinerlei Anweisungen bezüglich des Hierbleibens des Agopovich erhalten zu haben und fügte hinzu, dass er in grosser Verlegenheit sei, da er nicht wisse, was er tun solle. Nur auf meine Intervention hin habe er die Frist um drei Tage verlängert, wobei er angenommen hätte, dass Agopovich sein Wort halten und sodann abreisen werde. Da er dies nicht getan habe schwanke er, ob er jetzt nicht Gewaltmassregeln anwenden solle.

Ich hatte dabei den Eindruck, als ob der stellv. Mutessari tatsächlich den fraglichen Befehl bereits erhalten hat, trotzdem sich aber bemüht, den Agopovich hier zu entfernen, da er - wohl nicht zu Unrecht - annimmt, dass dies der Regierung nur angenehm sein werde. Er scheint davon auszugehen, dass sich die österr.-ungar. Botschaft dem einmal geschaffenen fait accompli - sofern die Ausweisung nur ohne Zwischenfall und ohne Anwendung von Gewalt vorgegangen sei - fügen werde, da sie wohl kaum ein ernstliches Interesse an einem armenischen Schutzgenossen haben werde.

Er glaubt nun, sein Ziel dadurch erreichen zu können, dass er den Agopovich durch leise Drohungen einschüchtert und ihm erklärt, dass er - der Mutessarif - für sein weiteres Hierbleiben keine Verantwortung übernehmen könne.

Schliesslich erklärte mir der Mutessarif, noch drei bis vier Tage warten zu wollen. Irgendwelche Gewaltmassregeln wird er bis dahin m.E. nicht anwenden. Es wird jedoch Sache der k.u.k. Botschaft sein, inzwischen Klarheit in dieser Sache zu schaffen, um einem etwaigen unliebsamen Zwischenfall vorzubeugen.

Ich möchte noch hinzufügen, dass bezüglich der Ausweisung des Agopovich bereits unter dem früheren Mutessarif Zekeriah Bey, jetzigem Vali von Adrianopel, Verhandlungen mit dem Ministerium des Innern geschwebt haben, die nunmehr mit dem Erlass des Ausweisungsbefehles geendet haben. Die Regierung scheint entschlossen zu sein, die Ausweisung letzten Endes auch durchzusetzen. >

Euere Exzellenz darf ich gehorsamst um Weisung bitten, ob ich mich gegebenenfalls zu Gunsten des Agopovich bei Anwendung etwaiger Gewaltmassregeln bei den hiesigen Behörden verwenden soll.


Dr. Ziemke
[Anweisung Neurath]

Abschrift zu fertigen für öster. ung. Botschaft bis >

[Antwort Botschaft 18.11. (No. 8)]


No. 8 vom 18.11.

Auf Bericht vom 16. d. Mts. No. 188.

Mit Bezug auf Schlußsatz: Ich bitte vorkommendenfalls von Verwendung abzusehen.


[Neurath]



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