1915-12-23-DE-008
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Quelle: DE/PA-AA/R 20036
Zentraljournal: 1915-A-37178
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 12/23/1915 11:10 PM
Telegramm-Ankunft: 12/25/1915 04:00 AM
Praesentatsdatum: 12/25/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 133
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Athen (Mirbach) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Athen, den 23. Dezember 1915
[Das Dokument enthält u.a. die deutsche Übersetzung, die weitgehend dem französischen Original in A 37017 (1915-12-23-DE-007) entspricht]

Im Anschluß an Tel. Nr. 130.

Für Chef des Generalstabes des Feldheeres.

Als Antwort auf das Telegramm des griechischen Gesandten in Berlin über das Gespräch mit Ew. Exzellenz und Herrn von Jagow gehen heute folgende Instruktionen des Königs an den griechischen Gesandten ab:

„Griechenland gibt seine Zustimmung zur Verletzung seines Gebietes durch die Zentralmächte und deren Verbündete nicht; wenn aber diese Gebietsverletzungen keinen feindlichen Charakter gegen Griechenland hat, wird Griechenland keinen bewaffneten Widerstand leisten unter den folgenden Bedingungen, welche, falls sie angenommen werden, von Deutschland garantiert werden müssen:

I. 1.) Die Garantien, welche in der Abmachung vom 30. September 1915 enthalten sind (betreffen die bisher gemachten Versprechungen) werden von der Kais. Regierung der griechischen Regierung gegeben. (Waren bisher nur dem König gegeben).

2.) Wenn die Lage die deutsche Heeresleitung zu einer Kooperation mit den Bulgaren zwingt, werden die Bulgaren außerhalb der griechischen Städte und Dörfer biwakieren und diese nicht betreten.

3.) Bulgarien verzichtet ausdrücklich auf jeden Anspruch auf Gebiete, welche Griechenland gehören oder von Griechenland besetzt sind. Diese Erklärung wird von Deutschland garantiert.

4.) Die griechische Regierung hat zu wiederholtem Mal erklärt, daß ein bulgarischer Einmarsch in Griechenland das Nationalgefühl tief verletzen und die öffentliche Meinung aufreizen würde, besonders die Befürchtung, daß die Bulgaren bis zum ende des ganzen Krieges in griechischem Gebiet bleiben könnten. Um der Regierung die Möglichkeit zu geben, allen Ereignissen, welche aus dieser Lage der Dinge entstehen und welche außerdem schwere Folgen haben könnten, entgegenzutreten, ist es unbedingt notwendig, zur Beruhigung der öffentlichen Meinung ein Pfand in den Händen zu haben, daß das griechische Gebiet geräumt wird, sowie der Feldzug gegen Salonik beendet ist. Dieses Pfand wäre die Garantie, daß Monastir an Griechenland fallen soll.“

Ausser diesen Punkten hält der König es für notwendig:

II. 1) Daß das Oberkommando, wie auch die höheren Führer (vom Führer des Armeekorps aufwärts) ausschließlich Deutsche sind.

Um den Operationen den deutschen Charakter zu wahren, und um die Zwangslage zu beweisen, auf welche Exzellenz v. Falkenhayn in seiner Unterredung mit dem griechischen Gesandten betreffend die bulgarische Kooperation Bezug nahm, ist es nötig, daß die deutschen Truppen den Bulgaren an Zahl überlegen sind.

3.) Die Truppen sind so zu gliedern, daß Flügelkolonnen und Vorhuten aus deutschen Truppen bestehen.

4) Das Operationsgebiet ist von vornherein abzugrenzen, in dem Operationsgebiet bleibt griechische Verwaltung und Gendarmerie bestehen und werden anerkannt.

5.) Griechische Truppen, welche abgeschnitten werden oder auf die man treffen sollte, behalten die Waffen und Abzugsfreiheit.

6) Griechische Befestigungsanlagen (zum Beispiel Sperrfort Dowatepe vgl. Telegramm Nr. 120), in welchem griechische Truppen stehen, werden nicht besetzt; diese Abteilung behält ungehinderte Verpflegungsmöglichkeit.

7.) Alles Eisenbahnmaterial, welches sich auf griechischem Gebiet befindet, ebenso Telegrafenmaterial- und Einrichtungen bleiben Eigentum des griechischen Staates.

8.) Alles Baumaterial, welches sich im Lande befindet, wird ebenfalls als Staatseigentum betrachtet.

9.) Alles Kriegsmaterial, welches durch Deutschland und seine Verbündeten auf griechischem Gebiet erbeutet wird, darf erst abtransportiert werden, nachdem festgestellt ist, daß es nicht den Griechen gehört.

10.) Angemessene Entschädigungen werden für alle Schäden bezahlt, welche durch die militärischen Operationen entstehen.

11.) Sobald die Ententetruppen Saloniki geräumt haben, ziehen die griechische Garnison und die griechischen Behörden wieder ein, ebenso in Kara-Burnu (Hafenbefestigung von Salonik).

12.) Sobald die Ententetruppen aus Salonik hinausgeworfen sind, werden sich die Bulgaren wieder über die griechische Grenze zurückziehen, ebenso aus Doiran und Gewgeli, selbst in dem Falle, daß die deutschen Truppen, um den Feldzug zu beenden, gezwungen sein sollten, ihren Aufenthalt in griechischem Gebiet zu verlängern.

13.) Allgemeine Räumung des griechischen Gebiets, sowie der Feldzug (in Mazedonien) beendet ist.

14.) Alle Verhandlungen mit griechischen Behörden und umgekehrt werden nur durch Vermittelung der deutschen Behörden geschehen.

15.) die Verbündeten haben nicht das Recht zu Requisitionen oder Enteignungen. Mit den Einwohnern werden sie sich durch die Ortsbehörde verständigen. Zusätze:

1. zu I. 3. Im Anschluß an das von Ew. Exzellenz mehrfach angeregte militärische Abkommen zwischen Griechenland und Bulgarien, für welches der Augenblick noch nicht gekommen scheint, habe ich ein politisches Abkommen zwischen den beiden Staaten gelegentlich eines Gesprächs mit Metaxa angeregt. Aber auch solches Abkommen verstößt nach Meinung Herrn Streits gegen die Neutralität; dagegen soll, wie mir Metaxa sagt, die griechische Regierung eventuell bereit sein, an Bulgarien eine ähnliche Erklärung wie in Nummer I. 3. zu geben, wobei man aber erst Punkt I. 4. in Berücksichtigung ziehen muß.

2. zu I. 4. Der Schluß hatte ursprünglich andere Fassung. Die griechische Regierung wollte das sofortige Besatzungsrecht von Monastir verlangen; auf Betreiben Generalstabs erhielt Schlußsatz vorstehende Fassung.

3. zu II. 4. Metaxa bitte nochmals um rechtszeitige Mitteilung Grenze voraussichtlichen Operationsgebiets, damit griechische Truppen zur Zeit weggezogen werden können. Auch ich halte die Mitteilung für sehr wichtig.

4. Nach Äußerung Metaxas dürfe mit Rücksicht auf die Lage der griechischen Regierung gegenüber der Entente eine Erklärung Deutschlands an Griechenland nicht als Antwort Deutschlands auf vorstehende Vorschläge Griechenlands erscheinen, sondern vielmehr als Erklärung Deutschlands gewissermaßen aus eigenem Antrieb an Griechenland gegeben werden, sodaß sie hier ohne Bedenken veröffentlicht werden kann.

5. Metaxa betont nochmals daß auch nach Bewilligung vorstehender Bedingungen die Gefahr innerer Unruhen keineswegs ausgeschlossen sei; man sei aber entschlossen, alles zu tun, um Unruhen zu vermeiden.

6. Aufgrund der jetzigen Lage würde ich vorschlagen, eine ausführliche eventuell zur Veröffentlichung in hiesiger Presse geeignete Erklärung zu geben, die Monastirfrage etwa in der Weise zu umgehen, daß „die endgültige Bestimmung des Schicksals der jetzt von uns und unseren Verbündeten besetzten Gebiete durch die Friedensverhandlungen festgesetzt werden wird“ und dieser Erklärung möglichst zugleich den Vormarsch folgen zu lassen.

Militärattaché Athen.


[Mirbach]



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