1916-01-25-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 20196
Zentraljournal: 1916-A.S.-357
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 02/01/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 36
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Pera, den 25. Januar 1916

Abschrift.

Geheim:

Der hiesige österreichisch-ungarische Botschafter, der während langer Jahre ein Türkenfreund war, und dem seine Regierung mitunter Voreingenommenheit zu Gunsten der Türken vorwarf, hat im Laufe dieses Krieges seine Anschauungen geändert. Der türkische Chauvinismus und die Schwierigkeit, mit den Türken jetzt fertig zu werden, hat ihn zu dieser Sinnesänderung gebracht. Er neigt in diesem Krieg zum Pessimismus. Er hat mir häufig seine Ansichten über die Türkei auseinandergesetzt. Er glaubt, daß die Gewaltherrschaft, welche hier herrscht, schließlich zum Zusammenbruch führen werde.

Nach seiner Ansicht ist die Türkei zu groß, um auf die Dauer ihre jetzigen Grenzen halten zu können. Mesopotamien und Arabien hingen nur lose mit dem türkischen Reiche zusammen, die Bewohner seien anderen Stammes und den Türken feindlich gesinnt. Die Bedeutung der heiligen Städte für das Osmanen-Reich werde überschätzt. Der Fehlschlag mit der Erklärung des Heiligen Krieges habe gezeigt, daß der Einfluß des Khalifats auf die nicht türkischen Muselmanen gering sei. Der Botschafter ist der Ansicht, daß die Türkei hauptsächlich die Kosten dieses Krieges tragen werde. Sie werde Mesopotamien und Arabien im Laufe des Krieges wahrscheinlich verlieren, und die Meerengen würden beim Friedensschlusse in irgendeiner Form geöffnet werden müssen. Einer müsse in diesem Kriege die Kosten tragen, und das werde die Türkei sein. Wenn die Türkei von ihren sie schwächenden Anhängseln befreit und sie auf die eigentlichen türkischen Vilajets von Kleinasien mit ihrem jetzigen europäischen Besitzstande beschränkt sei, werde sie erst in der Lage sein, ein einheitliches Ganzes zu bilden und zu erstarken. Aber nicht aus sich selbst heraus, sondern nur unter der Führung einer starken Macht. Diese Macht werde Deutschland sein.

Markgraf Pallavicini hat in dem Sinne nach Wien berichtet, daß der Friede schließlich auf Kosten der Türkei geschlossen werden würde.

Ich habe mich fragend und zuhörend verhalten.


[Metternich]



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