1916-02-21-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20051
Zentraljournal: 1916-A.S.-644
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 02/21/1916 10:20 PM
Telegramm-Ankunft: 02/22/1916 02:10 AM
Praesentatsdatum: 02/22/1916 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 74
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschaft in Wien (Tschirschky und Bögendorf) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Wien, den 21. Februar 1916

Mit Bezug auf Telegramm aus Pleß vom 11. d.M.

Nachdem Radoslawow vorgestern Wien wieder verlassen hat, erkundigte ich mich heute bei Baron Burian über Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen bezüglich der Grenze. Der Minister sagte, er sei nach beiden Richtungen hin ganz zufrieden. Radoslawow sei ein sehr vernünftiger Mann, den er schon seit langem kenne und mit dem sich gut reden ließe. Schwieriger sei natürlich der König Ferdinand gewesen. Allerdings sei auch dieser hier in Wien viel gemäßigter aufgetreten als in Teschen, wo er geradezu „getobt“ habe und wo die Herren alle Mühe gehabt hätten ihn nur einigermaßen zu beruhigen. Wenn er das Ergebnis der Verhandlungen mit Radoslawow und Jekoff kurz zusammenfassen solle, so würde er sagen, daß die Herren ihre bekannten Wünsche bezüglich Erweiterung der Bulgarien vertragsgemäß zustehenden Grenzen zurückgezogen hätten und daß er hoffe, daß sie in Zukunft ernstlich auf sie nicht zurückkommen würden. Natürlich müsse man sich aber immer auf Überraschungen gefaßt machen.

Die Bulgaren hätten auf Prisrend, Pristina, Dibra, Diakowa Anspruch erhoben und hätten dafür die verschiedensten Argumente angeführt. Bulgarische Waffen hätten diese Gegend erobert, deshalb müsse Bulgarien sie behalten. Er habe erwidert, daß das Moravatal bekanntlich von deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen erobert worden sei, aus dem gleichen Recht könnten wir den dauernden Besitz dieser Gegend beanspruchen. Dann hätten die Bulgaren angeführt, die Gegend von Üsküb verliere ihr ganzes Hinterland, wenn nicht Dibra, Djakowa und die angrenzenden Länderstriche bulgarisch würden. Es sei für ihn ein leichtes gewesen nachzuweisen, daß bekanntlich die Ebene von Üsküb mit den fruchtbarsten Teilen ganz Mazedonien bilde und daß die völlig gebirgigen rein albanischen Grenzländer, die übrigens wegen der Richtung der Flußtäler ganz nach Westen - Elbassan, Tirana, Durazzo - gravitieren, für die Existenz der Üsküber Gegend ohne jeden Einfluß seien. Derartige unstichhaltige Argumente seien von den Bulgaren noch andere vorgebracht worden.

Nachdrücklich habe er die Herren aber daran erinnert, daß die Bedingungen des Vertrages nicht von uns sondern von Bulgarien selbst aufgestellt worden seien und daß wir ohne zu feilschen diese von Bulgarien nach seinen Interessen aufgestellten Bedingungen glatt akzeptiert hätten. Wenn bulgarischerseits jetzt behauptet werde, Bulgarien habe sich auch nicht an den Buchstaben des Vertrages gehalten, indem es viel mehr Truppen aufgestellt habe als wozu es sich verpflichtet habe, so habe das Bulgarien gewiß nur im eigenen Interesse getan. Auch die Bekämpfung der Franzosen und Engländer sei bulgarischerseits als ein Plus seiner Leistungen für die Bundesgenossen ihm gegenüber ins Feld geführt worden. Er habe demgegenüber darauf hingewiesen, daß Bulgarien auch dies nur zur eigenen Sicherung getan habe. Das gleich werde der Fall sein, wenn bulgarische Truppen noch gegen Salonik oder Valona marschieren sollten. Für uns stünden dort nur Interessen minderer Wichtigkeit in Frage, während Bulgarien mit der Säuberung dieser Stadt von den Ententetruppen vitales Interesse, nämlich die Sicherung seines mazedonischen Besitzes verfolge.


[Tschirschky]



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