1916-03-01-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20053
Zentraljournal: 1916-A.S.-791
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 03/01/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr.
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Die österreichisch-ungarische Botschaft in Berlin an das Auswärtige Amt

Memorandum


Berlin, den 1. März 1916
Notiz.

Es scheint sich um einen Versuch der Bulgaren zu handeln, westlich von der Vertragsgrenze festen Fuß zu fassen und sich dort nicht nur militärisch einzurichten, sondern auch civile administrative Behörden zu installieren.

Die Mißhelligkeiten, welche sich aus dem Nebeneinander öst-ung. und bulg. Truppen ergaben haben speziell in Kacanik insoferne eine ernstere Wendung genommen, als der bulg. kommandierende General Petroff in brüskem Tone die Räumung des genannten Ortes forderte und einen Conflict nur durch das Zurückziehen unseres Contingents ausgewichen werden konnte.

Baron Burian hat in seinen Unterredungen mit König Ferdinand und den bulgarischen Herren den Standpunkt vertreten, dass westlich von der Vertragsgrenze unsere Interessensphäre beginne und hieran weder eine tatsächliche Anwesenheit bulgarischer Truppen noch die Einrichtung bulg. Behörden etwa ändern könne. Da aber anderseits die primitiven Verhältnisse im Raum Prisren-Pristina eine gleichzeitige Anwesenheit öst.ung. und bulg. Militär- und Civilbehörden nicht zulassen, ist Graf Tarnowski beauftragt worden, wegen der Zurückziehung der bulgarischen Civilgesandten bei Herrn Radoslavow vorstellig zu werden, während es Baron Conrad überlassen blieb, sich mit der bulgarischen Heeresleitung wegen der militärischen Räumung der betr. Gebiete gütlich auseinanderzusetzen.

Das schroffe Auftreten des bulgarischen Kommandanten hat uns in eine recht unangenehme Situation gebracht und ist es nur dem ruhigen Blute des k.u.k. Generalstabes zuzuschreiben, wenn Zwischenfälle vermieden wurden (siehe Zurückziehung unserer Truppen aus Kacanik).

Das k.u.k. Armeeoberkommando glaubt gleichwohl das Auftreten General Petroffs nicht ruhig hinnehmen zu können und erwägt, in der Folge auf die bulgarische Heeresleitung durch ein Zurückhalten des Kriegsmaterialnachschubes für Bulgarien eine Pression aufzuüben.

Baron Conrad wurde ersucht, sich mit der kaisl. deutschen Heeresleitung behufs einer Einflussnahme derselben auf den bulg. Generalstab ins Einvernehmen zu setzen und sich auch mit General Falkenhayn betr. eines eventuellen Zurückhaltens des bulgarischen Kriegsmaterialnachschubes zu besprechen.

Unsererseits wird natürlich alles geschehen, um mit den Bulgaren auszukommen, wir müssen aber unseren prinzipiellen Standpunkt aufrechterhalten und erwarten, dass bestehende Lokal-Controversen militärischer Natur auch bulgarischerseits mit demselben guten Willen der Verständigung und des Entgegenkommens behandelt werden, den wir zu betätigen stets willens sind.



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