1916-04-26-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 20066
Zentraljournal: 1916-A.S.-1457
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 04/26/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts (Jagow) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Berlin, den 26. April 1916

Streng vertraulich.

Der Bulgarische Gesandte, welcher an Masern erkrankt gewesen war, suchte mich gestern nach längerer Zeit zum ersten Male wieder auf.

Herr Rizoff lenkte das Gespräch auf die Frage von Prizren und Pristina und zeigte sich sehr besorgt wegen der Gefahr eines Confliktes, der hieraus mit Österreich entstehen könne. Er wollte als alter Bekannter aus der römischen Zeit offener mit mir sprechen, als er es eigentlich als offizieller Vertreter Bulgariens dürfe. Seiner Ansicht nach sei die Gründung eines selbständigen, unter österreichischem Einfluß stehenden Albaniens ein eminentes Interesse der Donaumonarchie, und deshalb könne diese garnicht auf Prisren und Pristina verzichten. Für Bulgarien würde es aber geradezu ein Unglück bedeuten, wenn es seine Hand nach Albanien ausstreckte. Das bulgarische Volk wolle auch nichts davon wissen, er sei überzeugt, daß wenn man ein Plebizit veranstaltete, 9/10 der Stimmen gegen die Annexion der genannten Orte abgegeben würden. Auch Radoslawow sei im Grunde der Ansicht. Razanik und Giliani genügten vom militärischen Standpunkt vollständig. (Das gleiche hatte mir neulich schon General Sawow gesagt).

Herr Rizoff ließ durchblicken, daß die auf albanisches Gebiet gerichteten Wünsche lediglich eine persönliche Politik des Königs darstellen, die dem Interesse des Landes nicht entspreche. Der König bediene sich des Obersten Gantschow, um diese Politik zu betreiben. König Ferdinand habe „zuviel französisches Blut“, womit Herr Rizoff auf eine gewisse Großmannssucht und Ländergier hinweisen wollte. Er hat mir in früheren Jahren bereits einmal gesagt, daß ganz allein der König aus denselben Gründen die Schuld an dem letzten Balkankrieg trüge, welches so unheilvoll für Bulgarien ausgelaufen sei. Dasselbe hat auch die Königin Eleonore dem Herzog Johann Albrecht, wie dieser mir streng vertraulich mitteilte, gesagt. Leider, meinte Herr Rizoff, scheine seitens unserer Vertretung in Sofia - nicht seitens des Grafen Oberndorff, der bisher sehr geschickt und vorsichtig sich verhalten hätte; der Gesandte deutete auf den Militärattaché Herrn von Massow hin - der König in der Idee bestärkt zu werden, daß das „Provisorium“ ja ein Definitivum werden würde. Dies sei bei dem Charakter des Königs gefährlich, da er solche Äußerungen als Zusage auffasse und dadurch in seinen phantastischen Plänen bestärkt würde. Ein Conflict mit dem österreichischen Bundesgenossen sei dann die sichere Folge, und diesen müsse Bulgarien um seiner eigenen Zukunft willen durchaus vermeiden.


[Jagow]



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