1916-06-24-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 20080
Zentraljournal: 1916-A-16974
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 06/27/1916 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 105
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Sofia (Oberndorff) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Sofia, den 24. Juni 1916

Euerer Exzellenz beehre ich mich beifolgend Abschrift eines Berichtes des Kaiserlichen Militär-Attachés, Herrn Oberstleutnant von Massow, an den Herrn Chef des Generalstabes des Feldheeres, nach Kenntnisnahme gehorsamst einzureichen.

A. Oberndorff
Anlage

Abschrift.

Sofia, den 19. Juni 1916.

Die Stimmung im bulgarischen Heere ist besser als man es bei dem Mangel an kriegerischer Betätigung erwarten kann.

General Jekoff fügt sich der Lage, weil er einsieht, dass die Entscheidung des Krieges nicht auf dem Balkan liegt.

General Jostow neigt dazu, die bulgarischen Interessen mehr als nötig in den Vordergrund zu stellen. Er würde einen Vormarsch gegen die Truppen der Entente unter dem Gesichtspunkt bulgarischen Landesgewinnes nicht ungern sehen. Mit ihm geht ein grosser Teil der Generalstabsoffiziere.

Die Befürchtung, dass der europäische Krieg noch recht lange dauern kann, hat sich nach den Misserfolgen Oesterreichs in Galizien wieder festgesetzt. In gewissen russenfreundlichen Kreisen, die ihre Gesinnungen zurückhielten, so lange als Russland untätig war, werden von neuem Zweifel darüber laut, ob es uns gelingen wird, Russland in dem gewünschten Masse niederzuringen. Uns ergebene Freunde werden kleinmütig in dem Gedanken einer Rache Russlands an Bulgarien. Uebertreibungen der letzten Erfolge Russlands sind an der Tagesordnung. Agenten unserer Feinde sorgen hierfür. Aus Bukarest dringen weitere Alarmnachrichten in das Land. Dieses bewirkt, dass die Stimmung in der Hauptstadt flau wird. Da das bulgarische Schwert ruht, beginnt die Kritik. Die zur Ernte zahlreich beurlaubten Mannschaften und die nach Sofia beurlaubten Offiziere tragen den Niederschlag hiervon dem Heere zu.

Tätigkeit ist erwünscht.

Eine allgemeine Offensive gegen Sarrail wird auch nach Abrüstung Griechenlands nur von vereinzelten Stellen gewünscht. Man hofft noch immer auf Sarrails Angriff. Wer die Lage ruhig abwägt, sagt sich, dass es keinen Wert für Bulgarien hat, dem Feinde zuvorzukommen und erhebliche Opfer zu bringen, um später in die alten Stellungen zurückgehen zu müssen. Anders liegt es, wenn den Bulgaren die Möglichkeit gegeben wird, sich durch Wahl geeigneteren Aufmarschgeländes für alle Fälle vorzubereiten. Neigung hierzu besteht, besonders nach den günstigen Erfahrungen mit der Besetzung des Rupelabschnittes. Zur Ausführung ohne die Genehmigung unserer Obersten Heeresleitung fühlt sich General Jekoff bisher nicht befugt. Durch abschnittsweises Vorschieben der vordersten bulgarischen Linien in günstigere Stellungen käme wieder Fluss in die militärische Lage Bulgariens. Man würde zur Einsicht kommen, dass wir, entgegen vielfach vertretener Ansicht, nicht nur Griechenland zu Gefallen die bulgarischen Kräfte gebunden haben.

Nach den letzten Erklärungen aus Athen ist grundsätzlicher Widerstand hiergegen nicht mehr wahrscheinlich. Reibungen an der Grenze sind nach wie vor nicht zu vermeiden und dürften keinen Hinderungsgrund bilden.

Sarrail steht dann vor der Wahl, sich in eine ungünstigere Lage zurückdrängen zu lassen oder – anzugreifen. Das eine wäre ebenso erwünscht wie das andere.


[von Massow]

An den Herrn Chef des Generalstabes des Feldheeres

Politische Abteilung, Grosses Hauptquartier West.



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