1916-08-21-DE-006
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/ArmGenDE.nsf/$$AllDocs/1916-08-21-DE-006
Quelle: DE/PA-AA/R 20093
Zentraljournal: 1916-A-22655
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 08/25/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 484
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Therapia, den 21. August 1916

Abschrift.

pp.

Die militärische Lage im Kaukasus ist schlecht. Es ist nun schon zum dritten Male in diesem Kriege dort ein türkisches Heer vernichtet worden. Die 3. Armee unter Wehib Pascha befindet sich in ziemlicher Auflösung. Was nicht gefallen oder gefangen ist, ist zum großen Teil desertiert. Das Vordringen der Russen westlich Ersindjan und an der Küste des Schwarzen Meeres ist zum Stillstand gekommen, anscheinend um Zeit zu gewinnen, gegen die 2. Armee unter Izzet Pascha, die nördlich von Musch vorzudringen sucht und die Russen in der Flanke fassen würde, Stellung zu nehmen. Dies gibt der 3. Armee Zeit, sich wieder einigermaßen zu sammeln. Wenn der Feind ihnen Ruhe läßt, sollen sich die türkischen Soldaten wieder allmählich in größerer Anzahl bei ihren Truppenteilen einfinden. Anstatt daß beide Armeeführer gleichzeitig vorgingen, um die russische Truppenmacht zu teilen und nach Süden und Westen abzulenken, ging die 3. Armee allein vor und wurden geschlagen. Jetzt soll die 2. Armee durch einen schwierigen Marsch durchs Gebirge die erste herausreißen. Izzet Pascha weigert sich nun aber, weiter vorzugehen. Er hat Musch und Bitlis zurückerobert und wird wohl wissen, was er seinen Truppen und seinen rückwärtigen Verbindungen zutrauen kann. Er gilt für den besten Armeeführer, den die Türken haben. Er ist ein Freund der Deutschen. Wehib Pascha dagegen ist uns feindlich gesinnt.

In Hedjas steht die Sache schlecht. Auch das türkische Expeditionskorps, welches mit 18000 Mann den Suezkanal beunruhigen sollte, ist, wie nicht anders zu erwarten war, mit schweren Verlusten zurückgeworfen worden. Leider sollen dabei auch 300 Mann deutscher Maschinengewehrabteilungen gefangen genommen worden sein.

Ein Teil der türkische Irakarmeee verliert sich weiterhin in Persien, anstatt sich auf den mit dem Nachlassen der Hitze wahrscheinlich zu erwartenden Angriff der Engländer in Mesopotamien vorzubereiten oder ihm durch Umgehung vorzubeugen. Die militärische Lage in der Türkei ist also keineswegs günstig.

Enver Pascha wird nun an Ort und Stelle sich mit einem Stabe zu überzeugen suchen, ob und was an der Kaukasusfront zur Sicherung gegen die Russen geschehen kann. Von seinem geschlagenen Heerführer Wehib wird er kaum Günstiges zu hören bekommen, von Izzet, seinem tüchtigsten General, der nicht vorwärts will, offenbar weil er nicht kann, wird er voraussichtlich auch nichts Günstiges erfahren.

pp.


[Metternich]



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved