1916-09-04-DE-001
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/ArmGenDE.nsf/$$AllDocs/1916-09-04-DE-001
Quelle: DE/PA-AA/R 20203
Zentraljournal: 1916-A.S.-3145
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 09/04/1916 08:10 PM
Telegramm-Ankunft: 09/05/1916 06:35 AM
Praesentatsdatum: 09/05/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 395
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Sofia (Oberndorff) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Sofia, den 4. September 1916

Antwort auf Telegramm 371 {A 23615} und 375 {A.S. 3122}.

Ganz geheim.

Wie in meinem Telegramm Nr. 375 gemeldet, hat tatsächlich Derussi den Bulgaren weit günstigere Bedingungen geboten wie sie jetzt angeblich von der Entente erwogen werden. Allerdings war dabei, wie Radoslawow mir sagte, nicht nur Neutralität, sondern auch Eingreifen Bulgariens an Seite der Entente Voraussetzung.

Selbst wenn die Bedingungen damals hier mehr Beachtung gefunden hätten, wie Radoslawow jetzt behauptet, ist jedenfalls durch die Tatsache der Kriegserklärung und das sehr energische Vorgehen der Bulgaren in der Dobrudscha erwiesen, daß die bulgarische Regierung der Versuchung widerstanden hat. Solch schwächliche Bedingungen, wie sie im Telegramm Nr. 375 wiedergegeben, vor allem Verzicht auf Mazedonien, für die bereits besetzte Cavala-Gegend, die die Bulgaren bei Verwicklung mit Griechenland auch ohne Entente behalten dürften, keinerlei Äquivalent bildet, könnten die Bulgaren doch höchstens nach entscheidender Niederlage in ganz verzweifelter Stimmung erwägen, von der sie jetzt sehr weit entfernt sind. Ich fand Radoslawow, der vor der Krisis vorsichtig, ja besorgt schien, heute heiter und sehr kriegerisch; er sprach von den bulgarischen Erfolgen in der Dobrudscha, wo Baltschik und Dobridsch vor dem Fall stehen und sah einer bei Turtakaja erwarteten größeren Schlacht voll Zuversicht entgegen. Das Rachegefühl, das den Rumänen 1913 vergelten will, schien auch ihn zu beherrschen. Von den Russen, sagte er, sei noch nichts zu spüren.

Hier liegt der entscheidende Punkt. Die Rumänen fürchtet hier niemand, aber eine plötzliche große russische Gefahr könnte, trotz allem hier vorhandenen guten Willen, vielleicht verhängnisvoll werden. Wie ihr zu begegnen wäre, ist aber eine rein militärische Frage.

Es könnte kaum schaden, unsere Nachrichten über Sonderfriedenspläne der Entente bei Radoslawow gesprächsweise zu verwerten. Mir schien Doppelspiel mit Bulgarien und Türkei (Punkt 5 des dortigen Telegramms Nr. 375) besonders kennzeichnend für mala fides der Entente. Natürlich müßte die Mitteilung so geschehen, daß Radoslawow darin Zeichen des Vertrauens, nicht des Mißtrauens erblickt. Teil der obigen Ausführungen beruht auf Voraussetzung, daß unter dem sofortigen „Verzicht auf Mazedonien“, bulgarischer Verzicht gemeint. Oder sollte Chiffregruppe fehlen und serbischer Verzicht gemeint sein? In diesem Falle wären Bedingungen von den schon früher von Derussi gestellten nur wenig verschieden.


[Oberndorff]



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved