1916-09-09-DE-007
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Quelle: /PA-AA/R 20098
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 09/11/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: A 1264
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Den Haag (Kühlmann) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Haag, den 9. September 1916

Der Erfolg, den die verbündeten bulgarischen und deutschen Truppen durch die Einnahme des befestigten Platzes Tutkrakan oder Turtukaja errungen haben, wird in der holländischen Presse als ein Ereignis von schwerwiegender Bedeutung gewürdigt.

So schreibt die Tagesübersicht des „Nieuwe Rotterdamsche Courant“ (8.9.A.):

„Der erste Stoss der bulgarisch-deutschen Offensive auf Rumänien hat volle Auswirkung gehabt und die deutsche Heeresleitung konnte gestern wieder einmal einen Siegesbericht im altgewohnten Stil verbreiten. Rumänien, das erst seit so kurzer Zeit am Kriege teilnimmt, sieht jetzt bereits seine Hauptstadt bedroht; denn es bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung, dass der Angriff geradewegs auf Bukarest gerichtet ist. Die Bulgaren und Deutschen stehen am Ufer der Donau und werden jetzt den Übergang über diesen Fluss erzwingen müssen, um ihren Aufmarsch nach Bukarest fortsetzen zu können. Aus den Nachrichten ergibt sich, dass sie eine grosse Menge schwerer Geschütze mitführen, aber ein so breiter Fluss wie die Donau es an dieser Stelle ist, bildet eine Frontscheidung, die, wie sich in diesem Kriege bereits mehrfach zeigte, nicht so einfach zu überwinden ist; auch werden die Rumänen bei ihren Gegenmassregeln jedenfalls auf die kräftigste Hülfe von russischer Seite rechnen können. Offenbar hat aber das schnelle Vorrücken der Bulgaren und Deutschen in Petersburg Enttäuschung und selbst stellenweise pessimistische Befürchtungen hervorgerufen.“ (Es folgt dann ein Auszug aus den von der deutschen Presse gebrachten Ausführungen des Generals Dimitrijeff im „Djen“).

Der „Nieuwe Courant“ (8.9.A1) bemerkt:

„In dem Kampf zwischen Bulgarien und Rumänien hat jenes den ersten und handfesten Schlag ausgeteilt, ehe der Gegner imstande war, seine ganze Kraft zu entfalten. Diese Methode hat sich im Kriege stets als die geeignetste erwiesen, und die Bulgaren haben das Beispiel ihres mächtigen Bundesgenossen mit Nutzen befolgt. Rumänien verliert ausser einem wichtigen Stützpunkt gleich zu Anfang des Krieges eine ganze Division und reichlich hundert Kanonen; die Bulgaren gewinnen eine Linie in der Dobrudscha, die sich ausgezeichnet zur Befestigung eignet. Die Russen und Rumänen finden auf ihrem Wege nach Konstantinopel ein neues Hindernis, dessen Wegräumung die allergrösste Mühe kosten dürfte. Die Bulgaren beherrschen die Donau und den kleinen Ort Oltemita, der am anderen Ufer liegt, an der Eisenbahn nach Bukarest.“

Der „Maasbode“ (8.9.A.) meint:

„Dieser den Rumänen erteilte Schlag wird bei den Zentralmächten als eine grosse Erleichterung empfunden werden und den Druck, den die neue Kriegserklärung hervorrief, erheblich vermindern. Die Hoffnung, dass die Armeen auch mit dem neuen Feinde fertig werden dürften, wird hierdurch genährt und gestärkt. Diese Nachricht wird mehr als die ausführlichsten Erklärungen und die einleuchtendsten Darlegungen, die Graf Tisza im ungarischen Abgeordnetenhaus geben kann, dazu beitragen, die heftige Kritik der Opposition zum Schweigen zu bringen. Der moralische Wert des Erfolges der deutsch-bulgarischen Truppen ist sehr beträchtlich. Nach einem Worte Moltkes ist Tutrakan der geeignetste Platz für einen Übergang über den Unterlauf der Donau, da ein kleiner bei der Stadt mündender Nebenfluss eine gute Gelegenheit zur Anfuhr des notwendigen Materials zum Brückenbau bietet. Freilich könnte ein beträchtlicher Erfolg der Russen bei Dobric die Zentralmächte daran verhindern, bei Tutrakan das erreichte Ergebnis noch zu erweitern.“

Das sozialistische „Volk“ (8.9.) knüpft an das Glückwunschtelegramm an, dass der deutsche Kaiser an den bulgarischen Zaren richtete, und hebt hervor:

„Die Nachricht wird in der Tat einen starken Eindruck hervorrufen, und dies nicht allein bei den Rumänen. Die 1913 erfolgte Besetzung bulgarischen Gebietes brachte Rumänien keinen militärischen Ruhm, da Bulgarien eigentlich schon von Serbien und Griechenland besiegt war, und der gegenwärtige Aufmarsch in Siebenbürgen, jedenfalls von langer Hand vorbereitet, führte noch nicht zu nennenswerten Zusammenstössen mit österreichischen Truppen. Ernste Gefechte wurden von den Rumänen bisher nur im eigenen Lande geliefert und hier haben sie jetzt, wo der Krieg gerade 10 Tage als ist, einen befestigten Donauhafen mitsamt der ganzen Garnison und reichem Kriegsmaterial abgeben müssen. Wenn auch das Geschehene noch keinen entgültigen Massstab für den Gefechtswert des rumänischen Heeres bedeutet, so bleibt es doch Tatsache, dass für den neuen Feind der Zentralmächte gleich die erste Schlacht eine Niederlage gewesen ist, und dies wird zum mindesten auf dem Balkan die moralische Wirkung auf Freund und Feind nicht vermissen lassen. Die Aussenforts der Hauptstadt Bukarest liegen nicht weiter als 40 Kilometer von der Donau entfernt; freilich sind die Deutschen und Bulgaren noch nicht über den Fluss gekommen.“

Der christlich-historische (konservative) „Nederlander“ (8.9.) betont:

„Wer meinte, dass Deutschland in kurzer Zeit zu Boden geworfen sein würde, dürfte jetzt wohl zu einer anderen Ansicht kommen. Die Tatsache, dass Deutschland trotz der gewaltigen feindlichen Offensive an der Somme noch in der Lage war, nicht nur die Bulgaren an der mazedonischen Front zu stärken und den Österreichern an der ausgedehnten Ostfront zu helfen, sondern auch sich kräftigst am Aufmarsch in Rumänien zu beteiligen, dürfte doch wohl auf Seiten der Entente der Schlussfolgerung Raum verschaffen, dass Deutschlands Kriegsmacht noch nicht im Begriffe ist zusammenzubrechen. Ebenso gross wie die Freude auf Seiten der Zentralmächte wird die Enttäuschung der Rumänen sein. In wenigen Tagen hat der Feind ihnen mehr Gelände entrissen, als sie auf siebenbürgischem Gebiet erobert haben. Es ist ganz unbegreiflich, dass General Sarrail nicht durch eine gleichzeitige Offensive den neuen Bundesgenossen entlastet hat; doch muss er wohl gewichtige Gründe zu seiner Passivität gehabt haben.“


Kühlmann



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