1916-10-14-DE-001
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Quelle: /PA-AA/R 20103
Zentraljournal: 1916-A-27836
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 10/14/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1262
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts (Jagow) an den AA-Vertreter im Großen Hauptquartier (Gruenau)

Telegraphischer Erlaß


Berlin, den 14. Oktober 1916

Griechischer Gesandter war zwei Tage in Görlitz und erschien heute sichtlich erregt im Auswärtigen Amt bei Herrn von Rosenberg.

Er sagte, die Aussagen seiner Landsleute bewiesen, daß unsere bisherige Darstellung der Vorgänge in Kavala unzutreffend sei. Nicht um Schutzersuchen, sondern um Vergewaltigung handele es sich. Er sei bisher stets ein Freund der Deutschen gewesen und habe loyal mit uns zusammengearbeitet, um so schmerzlicher sei für ihn diese Enttäuschung. Mit Schrecken denke er daran, welchen Eindruck die Berichte des Korpskommandanten, seiner Offiziere und Mannschaften in Griechenland, besonders aber beim König hervorrufen werden. Unsere Diplomatie und Heeresleitung habe sich offenbar von den Bulgaren täuschen lassen. Diese hätten es auf Kavala und die wertvolle Ausrüstung des 4. Korps abgesehen und deswegen die angebliche Gefahr einer Conspiration des 4. Korps mit der Entente, die Lebensmittelnot erfunden. 150000 kg Reis, sämtliche Pferde und Maultiere, der Train, 200 im Balkankrieg von den Bulgaren eroberten Geschütze seien den Griechen abgenommen worden. In Drama habe man ein Bataillon entwaffnet, das mit bulgarischen Waffen aus dem Balkankrieg ausgerüstet gewesen sei. Deutsche Truppen habe es bei Kavala überhaupt nicht gegeben. An Offizieren sei nur Major von Schweinitz und ein Oberleutnant Schulz dagewesen. Der bulgarische General sei so weit gegangen von dem griechischen Befehlshaber die Auslieferung von zwei Offizieren zu verlangen, die sich 1913 im Balkankriege angeblich gegen die bulgarische Bevölkerung vergangen hätten. Die Absendung der schriftlichen Forderung sei im letzten Moment von Major von Schweinitz verhindert worden. Herr v. Rosenberg hat dem Gesandten erwidert, die Schilderungen der Offiziere dürften wohl übertrieben sein.

Der griechische Korpskommandeur und sein Generalstabchef reisen heute Abend ins Hauptquartier. Vielleicht wäre es nützlich, wenn Heeresleitung womöglich Feldmarschall von Hindenburg oder General Ludendorff selbst die griechischen Herren zur offenen Darlegung ihre Beschwerden und Sorgen ermuntert und mit ihnen berät, wie etwa der Schaden repariert werden kann. Wenn schon der ruhige und sehr deutschfreundliche Theotoky die Angelegenheit so tragisch nimmt, ist zu befürchten, daß Berichte über den Hergang beim König einen niederschmetternden Eindruck machen würden. Theotoky schien zu befürchten, daß Kavala von den Bulgaren ausgeraubt sei. Vielleicht könnte eine gemischte Kommission aus deutschen und griechischen Offizieren zur Feststellung des Tatbestandes dorthin entsandt werden.


J[agow]



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