1916-10-23-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 20204
Zentraljournal: 1916-A.S.-3814
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 10/23/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 375 P.
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Die Botschaft Österreich-Ungarns an das Auswärtige Amt

Schreiben


Berlin, den 23. Oktober 1916

Streng vertraulich.

Wie Baron Burian bereits anläßlich seiner letzten Anwesenheit in Pless dem Herrn Reichskanzler angedeutet hat, liegen ihm geheime aber durchaus verlässliche Nachrichten vor, wonach schon im vorigen Jahr Frankreich und England den Bosporus mit Constantinopel, die europäische Küste des Marmarameeres und der Dardanellen mit Südthrazien bis zur Enos-Midia-Linie, ferner die Inseln des Marmarameeres sowie Imbros und Tenedos Russland als Territorialbesitz vertraglich garantiert haben.

Nach diesem Vertrage würde Russland weiter das asiatische Hinterland des Bosporus zwischen dem Golf Ismid und dem Schwarzen Meer zugesprochen erhalten.

Ferner haben Russland, England und Frankreich die Herrschaft über die asiatische Türkei zwischen einander aufgeteilt: Russland wurde die Annexion der sog. armenischen Vilajets Kurdistans und Trapezunts versprochen. Frankreich würde Syrien und Adana samt Mersina und dem nördlich davon liegenden Hinterland bis Siwas und Kharput erhalten, während sich England Mesopotamien vorbehielt. Die übrigen von Arabern bewohnten Teile der Türkei sollen entweder einen einheitlichen Staat oder eine Confederation bilden, worin das eigentliche Arabien und die heiligen Stätten inbegriffen wären. Über diese staatlichen Gebilde behalten sich Frankreich und England eine Vorzugsstellung vor, während für Palästina eine Art Internationalisierung in Aussicht genommen wurde.

Ausserdem haben sich die beiden Westmächte bezüglich des restlichen Teiles von Anatolien vorgehalten, ihre über die vorbezeichneten Gebiete hinausgehenden Interessen-Sphären - die eventuell den ganzen übrigbleibenden Teil Kleinasiens umfassen würden - zu normieren. Es bleibt danach offen gelassen, ob die Türkei in Anatolien überhaupt noch als unabhängiger Staats weiterbestehen würde.

Baron Burian fügte bei, dass er hiervon Halil Bey in Wien die gleiche Mitteilung gemacht und auch Herrn Radoslawow, jedoch ohne diesem gegenüber auf die Details des Projectes einer Aufteilung der asiatischen Türkei einzugehen, analog informiert habe.



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