1916-11-06-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 20204
Zentraljournal: 1916-A-30185
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 11/08/1916 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 208
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der AA-Vertreter im Großen Hauptquartier (Gruenau) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Pleß, den 6. November 1916

Geheim.

Euerer Exzellenz beehre ich mich aus den mir vom Generalstab vertraulich zur Verfügung gestellten Vortragsnotizen folgendes zu berichten:

Ein in Mesopotamien übergelaufener indischer Offizier sagt aus, daß die im Irak angenommene 13. englische Division vor etwa 1 Monat nach Indien abtransportiert sei, von wo sie angeblich nach Afghanistan gehen sollte. Ferner sollen für den Fall einer Offensive in Mesopotamien die dortigen Truppen durch eine in Indien schon transportbereite Division verstärkt werden.

Anhaltspunkte für den Verbleib der 13. englischen Division liegen hier seit April 1916 nicht mehr vor. Ein Abtransport nach Indien wäre nur dadurch zu erklären, daß die englischen Truppen in das kühlere Gebirge Indiens gebracht werden sollten, um sie der heißen Zeit im Irak zu entziehen. In diesem Fall wäre jedoch der Abtransport im Mai oder Juni und nicht erst im September, wie der Offizier aussagt, erfolgt. Eine Verwendung der Division gegen Afghanistan ist durchaus unwahrscheinlich.

Mit Wiederaufnahme der Offensive in Mesopotamien bei Beginn des besseren Klimas bleibt zu rechnen. Abgesehen von den schon bekannten Nachrichten - Ankäufe in großer Zahl von für Stromschiffahrt geeigneten Fahrzeugen in England und Indien, Bahnbau Basra-Khamsije (südlich Suk-esh-Sheyukh) - liegt Meldung einer glaubwürdigen Quelle vor, daß man Mitte September mit dem Abtransport von Kriegsmaterial von England nach Mesopotamien beschäftigt war, sowie eine Agentennachricht, daß in England gepanzerte Schiffsfahrzeuge hergestellt würden, von denen sechs für den Euphrat bestimmt seien (90 bis 110 m lang, 35 breit, vorn und achtern je 2 Geschütze in Panzertürmen). Daß zu dieser Offensive aus Indien eine neu zusammengestellt Division herangezogen werden soll, ist möglich. Sollte die 13. englische Division vorübergehend Mesopotamien verlassen haben, so ist jedoch damit zu rechnen, daß sie zu der Offensive wieder nach dem Irak gebracht wird.

Ferner wäre es möglich, daß gleichzeitig mit einer Offensive in Mesopotamien ein Angriff vom Suezkanal, vermutlich Richtung El Arisch, geplant ist. Als dritte gleichzeitige Operation käme eine Landung im Golf von Alexandrette in Frage.

An allen drei Stellen können die Engländer jedoch nicht mit stärkeren Kräften angreifen, dazu fehlen ihnen angesichts der Kämpfe auf dem französischen Kriegsschauplatz, deren ungeschwächte Fortsetzung zu erwarten ist, und angesichts der Operation bei Salonik die Truppen. Es sprechen aber auch andere Gründe dagegen. Da die vom Suezkanal ausgehende Bahn zur Zeit erst bis etwa halbwegs Katia Bir Abu el-Afein fertiggestellt sein kann, würden die Engländer bei einem Vorgehen über El Arisch hinaus auf lange rückwärtige Verbindungen ohne Bahn angewiesen sein. Es wäre daher hier vorläufig nur mit einem Angriff mit begrenztem Ziel, vielleicht mit 2 Divisionen, zu rechnen. Eine Landung bei Alexandrette in größerem Umfang würde viel Schiffsraum erfordern, an dem die Engländer schon jetzt im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen Leben in England Mangel leiden. Ein Einsatz stärkerer Kräfte hier ist also auch wenig wahrscheinlich. Das würde jedoch eine überraschende Unternehmung mit schwächeren Kräften oder eine Demonstration lediglich mit Seestreitkräften zum Binden türkischer Kräfte nicht ausschließen.

Gleichzeitig mit einem englischen Angriff im Irak wäre mit einem erneuten russischen Vorrücken zu rechnen, entweder über Kirmanschah auf Bagdad oder über Revandus auf Mossul.


vGrünau



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