An Hand dieses Materials versucht nun die “Times” eine Schuld Deutschlands an den von Dr. Lepsius bestätigten entsetzlichen armenischen Greueln festzustellen. So wird der Artikel sehr bezeichnenderweise mit dem Wortlaut einer dringenden Depesche eingeleitet, die der bayerische General Kress von Kressenstein im August v.Js. aus Armenien an das Auswärtige Amt richtete, in der er, um die Notwendigkeit einer Hilfe so dringlich wie möglich darzustellen, erklärte, daß, wenn die verzweifelten Hilferufe der armenischen Regierung und Geistlichkeit ungehört verhallten, auf Deutschland die Verantwortung liegen bleiben würde. Daß Deutschland aber alles versucht hat, was in seinen Kräften stand, um Abhilfe zu schaffen, ist sogar aus dem “Times”-Artikel zu erkennen, wenn es auch, soweit als möglich, verdeckt oder gar verdreht wird. Das Blatt kann nämlich nicht umhin, zuzugestehen, daß die Deutsche Botschaft, so oft sie auch den Versuch machte, für eine Besserung der armenischen Lage einzutreten, von der türkischen Regierung kurz abgewiesen wurde mit dem Bemerken, daß Deutschland sich nicht in türkische Angelegenheiten zu mischen, sondern den Krieg zu gewinnen hätte. Ferner gibt die “Times” sogar wörtlich eine Schilderung über die Vorgänge in Baku wieder, die vor allem das Verhalten eines deutschen Oberstleutnants hervorhebt, der so entschieden für die bedrängte Bevölkerung eintrat und gegen die Metzeleien Verwahrung einlegte, daß er schon am nächsten Tage vom türkischen Oberstkommandirenden seiner Stelle als Generalstabschef enthoben wurde. Trotzdem aber erhebt das Blatt direkte Beschuldigungen und Anklagen. So wird den maßgebenden amtlichen Stellen und Persönlichkeiten ohne jeden Schein von Recht der Vorwurf gemacht, daß sie über diese furchtbaren Greueltaten der Türken, ja über ihre Absicht einer vollständigen Ausrottung des armenischen Volkes genau unterrichtet waren und doch dafür sorgten, daß nichts in der Oeffentlichkeit bekannt wurde; sie hätten sogar im Gegenteil die türkische Regierung in ihren Ableugnungen und Verschleierungen der furchtbaren Wahrheit geflissentlich unterstützt. Alles in allem kann man aber die Absicht des “Times”-Artikels, Deutschlands Schuldkonto auch noch mit den Armenier-Greueln zu beladen, als kläglich gescheitert ansehen.
Dieselbe Frage einer Mitschuld Deutschlands an dem Schicksal des armenischen Volkes wird auch von einer schweizerischen Zeitung behandelt und beantwortet. Die “Neue Züricher Zeitung” prüft an der Hand der Lepsius’schen Denkschrift die Frage, ob Deutschland eine Verantwortung an dem unsagbar traurigen Geschick Armeniens treffen kann und beantwortet sie mit einem glatten Nein. Das schweizer Blatt bewertet eben das in den Veröffentlichungen des Dr. Lepsius enthaltene amtliche Material mit voller Objektivität. Der Vorwurf, den das englische Blatt den deutschen maßgebenden Personen macht, Mitwissende dieser vor der Oeffentlichkeit geheim gehaltenen Geschehnisse gewesen zu sein, wird als völlig unberechtigt zurückgewiesen. Denn die deutsche Botschaft in Konstantinopel sei zu Anfang durch völlig verschleierte Nachrichten über Armenien vollständig getäuscht worden, und als dann die schreckliche Wahrheit immer mehr durchsickerte, habe sie alles aufgeboten, Abhilfe zu schaffen, was ja auch von der “Times” zugestanden wird. “An ehrlichem guten Willen der deutschen Regierung, den Greueln Einhalt zu tun, lassen die Dokumente keinen Zweifel”, heißt es in diesem schweizer Aufsatz. Auch werden einige Fälle angeführt, in denen sich höhere deutsche Offiziere mit allen Mitteln und Kräften für die Armenier verwandten. Das gilt vor allem für v.d. Goltz und Liman von Sanders. Deutschland ging so weit, als es überhaupt konnte. “Das eigentlich Tragische ist, daß Deutschland mit einem solchen Bundesgenossen belastet war!” - So lautet das Urteil eines neutralen Blattes.