1915-02-22-DE-001-V

DuA Dok. 016 (gk.)

Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Nr. 95

Pera, den 22. Februar 1915.

Unter dem Eindruck, den mein Besuch beim griechischen Patriarchen am 2. d. Mts. auch in weiteren Kreisen hier gemacht hat, hatte der armenische Patriarch den Wunsch geäußert, seinerseits eine Zusammenkunft mit mir zu haben.

Bei dem Besuche, den er mir infolgedessen am 20. d. Mts. abstattete, sprach er zunächst seinen Dank für unsere wohlwollende Politik in der armenischen Reformenfrage aus und knüpfte daran die Hoffnung, dass die Armenier in der Türkei bisher überwiegend unter dem Einfluss der französischen Kultur gestanden hätten, in Zukunft ihre Sympathien dem deutschen Volke zuwenden würden, dessen grosse Charaktereigenschaften ihnen im gegenwärtigen Kriege klar geworden wären; endlich [auch] bat er mich, speziell die armenische Bevölkerung in den vom Kriege heimgesuchten Grenzprovinzen dem Schutze der dort befindlichen deutschen Militärs und Konsuln zu empfehlen. Im übrigen bezeichnete er die Lage der Armenier in jenen Gegenden als "verhältnismäßig befriedigend".

Ich konnte dem Patriarchen nur wiederholen, daß wir uns nach wie vor um die Verbesserung der Lage der türkischen Armenier bemühten, und daß die längere Friedensperiode, die nach Beendigung des Krieges zu erwarten stünde, uns Gelegenheit bieten würde, unsren moralischen und politischen Einfluß weiter in diesem Sinne geltend zu machen; daß der Krieg allen Teilen der Bevölkerung große Opfer auferlege, und gelegentliche Härten nicht zu vermeiden seien, namentlich im eigentlichen Kriegsgebiete, daß aber die deutschen Beamten, soweit angängig, sich der Armenier annehmen würden und ich mir selber vorbehielte, den einen oder den anderen Punkt auf der Hohen Pforte zur Sprache zu bringen.


Wangenheim.

Seiner Exzellenz dem Reichskanzler

Herrn von Bethmann Hollweg.


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