1918-06-01-DE-002-V
DuA Dok. 397 (gk.)

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts (Kühlmann) an die Botschaft in Konstantinopel


No. 876.
Berlin, den 1. Juni 1918
Auf Telegramm Nr. 827[1].

General Ludendorff drahtet:

„General von Lossow war als Vertreter des Deutschen Reiches für die Friedens-Verhandlungen in Batum bestimmt. Nachdem Ort der Verhandlungen nunmehr nach Konstantinopel verlegt und damit deutsche Vertretung auf den Kaiserlichen Botschafter übergegangen ist, erlischt Aufgabe des Generals von Lossow. Er würde fortan mit Genehmigung des Herrn Reichskanzlers lediglich als Vertreter der Obersten Heeresleitung bei den Verhandlungen beteiligt sein und steht jetzt wiederum voll zur Verfügung der Obersten Heeresleitung. Mit seiner Rücksendung [weitere Passagen unleserlich].“

General von Lossow ist mit Wesendonk, Tschenkeli, zwei Begleitern, zwei Armeniern und dem Kalmückenfürsten Tundutoff nach Berlin abgereist, wo er am 3. Juni eintrifft. Vor weiterer Entschließung möchte ich seinen Bericht und das Ergebnis der hiesigen Besprechungen abwarten.

Zum dortigen Telegramm Nr. 807[2] bemerke ich folgendes:

1. Daß die Kaukasier den Brester Vertrag anerkannt haben und die Türken in Batum die Anerkennung verweigert haben, wird bewiesen durch die Euer pp. von General von Lossow übersandte Note Tschenkelis an Halil Bey vom 15. Mai[3], deren Übersetzung mit gestrigen Feldjäger abgegangen ist.

2. Envers Erklärung, er wolle weiter nichts als die militärische Möglichkeit, Truppen unbehelligt nach Persien und Mesopotamien zu senden, gibt nach früheren Erfahrungen zu der Befürchtung Anlaß, daß er sich doch in den Besitz der Bahn Batum-Tiflis-Alexandropol setzen will. Bernstorff behauptet, die Türken machten Anstalten, [unleserlich] die Tiflis-Bahn in ihre [unleserlich] Mesopotamien nicht in Betracht kam. Bitte General von Seeckt zu verständigen. Ferner bitte womöglich Funkverkehr mit Anders in Poti, wo die Loreley zurückgeblieben ist, und mit Graf Schulenburg aufzunehmen.

3. Unabhängigkeitserklärung Georgiens war am 26. Mai erfolgt. Die Sprengung der Transkaukasischen Konföderation ist durch das Verhalten der Türken verschuldet worden. Selbst wenn die neuen drei Staaten, wie Halil Bey meldet, inzwischen die von der Türkei gewünschten Gebietsveränderungen angenommen haben sollten, behalten wir uns demgegenüber freie Hand vor. Zugeständnisse, die wir früher zu machen bereit waren, um schleunigen Friedensschluß mit der Transkaukasischen Republik zu ermöglichen, scheiden jetzt für uns aus. Wir sind durch unsere neuliche Erklärung auf den Boden des Brester Vertrags zurückgetreten, der überdies für uns auch dann maßgebend sein würde, wenn er von den Kaukasiern nicht anerkannt wäre.

4. In der Armenierfrage hat uns Talaat Pascha vor mehr als einem Monat Amnestieerlaß als unmittelbar bevorstehend angekündigt und Veröffentlichung anheimgestellt. (vergleiche dortiges Telegramm Nr. [unleserlich]). Daraufhin ist hier eine solche Veröffentlichung veranlaßt worden. Deshalb und als Beweis für guten Willen der Türken müssen wir erwarten, daß die Amnestie nunmehr ergeht.


[Kühlmann] 




[1] A 22916.
[2] A 22416.
[3] A 22637.


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