1918-07-27-DE-001-V
DuA Dok.414 (re. gk.)

Aufzeichnung Rosenberg

Die anliegende Aufzeichnung ist am 28. Juli in Spa dem Herrn R. K. vorgetragen worden. Der Abschnitt über Persien kam nicht zum Vortrag.

Kaukasus.

A. Allgemeines.


Von den Kaukasusländern dürfte Georgien am ehesten Lebensfähigkeit besitzen und für Deutschland das wichtigste Gebiet sein. Es besteht die Hoffnung, bei den gegenwärtigen Verhandlungen mit Russland das Einverständnis der Sowjet-Regierung dafür zu erlangen, dass Deutschland Georgien als selbstständiges Staatswesen anerkennt. Um dies zu erreichen, werden wir uns jedoch hinsichtlich der übrigen Kaukasusgebiete zu einem gewissen Desinteressement verstehen müssen. Ferner werden wir nicht umhin können, den Russen zu versprechen, dass Deutschland ausserhalb Georgiens und der Bezirke Ardahan, Kars und Batum militärische Operationen einer dritten Macht (d.h. der Türkei) nicht unterstützen wird. Ebenso werden wir uns verpflichten müssen, die Bildung selbständiger Staatswesen im Kaukasus, von Georgien abgesehen, weder zu veranlassen noch zu unterstützen. Ein solches Versprechen würde uns angesichts der Tatsache, dass Russland in Transkaukasien ausserhalb von Baku keine Regierungsgewalt ausübt, nicht hindern, mit den Regierungen, die sich dort ohne unser Zutun gebildet haben oder bilden sollten, über unsere örtlichen Interessen unmittelbar zu verhandeln.

Russland macht seine Zustimmung zur Anerkennung Georgiens durch Deutschland endlich davon abhängig, dass ihm der ungestörte Besitz von Baku, auf dessen Rohölproduktion  Russland nicht verzichten kann, erhalten bleibt. Es wäre daher erwünscht, wenn wir die Gewähr dafür übernehmen könnten, dass die türkischen Streitkräfte in Kaukasien eine bestimmte, das Gebiet von Baku umgrenzende Linie nicht überschreiten (Kura von der Mündung bis zum Orte Petropawlowskoje, von der Grenze des Kreises Schemacha bis zum Orte Agriola, dann gerade Linie bis zu dem Punkte, wo sich die Grenzen der Kreise Baku, Schemacha und Kuba treffen.) Bei seinen Verhandlungen mit Herrn Joffe hat Exzellenz Kriege den Eindruck gewonnen, dass ohne eine solche Garantie die Russen sich kaum verpflichten können, uns aus Baku die für unseren Bedarf erforderliche Menge von Rohöl und Rohölprodukten zu liefern, weil die Besorgnis vor türkischen Angriffen die Arbeiter in ihrer Tätigkeit stören würde. Wir können die Gewähr nur übernehmen, wenn wir sicher sind, dass die Türken sie respektieren. Dies würde aber wohl nur dann der Fall sein, wenn wir uns wenigstens eine gewisse Kontrolle an der Grenzlinie sichern. Er fragt sich, worin diese Kontrolle zu bestehen hätte, und ob wir die dazu erforderlichen Truppen bereitstellen können.

Lässt sich eine Kontrolle nicht durchführen, so bliebe nur übrig, der Russischen Regierung zu erklären, dass wir bei der Türkischen Regierung dafür eintreten wollen, dass sie die Linie durch ihre Streitkräfte nicht überschreiten lässt und uns entsprechende formelle Zusagen erteilt. In diesem Falle würde uns allerdings die Russische Regierung bezüglich der Rohöllieferung von Baku weniger weit entgegenkommen können als bei der Übernahme einer Gewähr für die Integrität des Gebietes.        


B. Besonderes.

1. Georgien. Wegen der deutscherseits in Georgien zu befolgenden Politik wird auf die Anlage 1 verwiesen. General von Kress ist zu der Überzeugung gelangt, dass es erforderlich ist, weitere deutsche Truppen nach Georgien zu senden. Kann diesem Wunsche entsprochen werden?

2. Armenien. Sind schon die Verhältnisse in Georgien verschwommen und unklar, so ist dies bei den übrigen auf kaukasischem Boden entstandenen Staatsgebilden in weit höherem Masse der Fall. Armenien hat sich zwar zu einer selbständigen Republik erklärt. Sein Gebiet ist aber zum grössten Teil von den Türken besetzt, die Bevölkerung teils in die Berge zusammengedrängt, teils nach Georgien geflohen, und die armenische Regierung ausserhalb des Landes in Tiflis. Unter diesen Umständen erscheint Armenien gegenüber noch mehr Zurückhaltung geboten als gegenüber Georgien. Wie oben ausgeführt kommt eine Anerkennung Armeniens als selbstständiger Staat schon deshalb nicht in Frage, weil unser Desinteressement gegenüber den nichtgeorgischen Ländern im Kaukasus Vorbedingung für Russlands Entgegenkommen in der Frage der Anerkennung Georgiens ist. Die Lage der Armenier ist aber, wie aus den beiliegenden Telegrammen der Kaiserlichen Vertretungen in Konstantinopel und Moskau hervorgeht, derart, dass etwas für sie geschehen muß. Es ist dies auch deshalb wichtig, weil sich in Baku viele vertriebene Armenier befinden, die, wenn ihnen nicht die Rückkehr ermöglicht wird, zu Gewalttätigkeiten schreiten und dadurch die Öllieferungen an uns verhindern könnten.

Das den Armeniern zur Verfügung stehende Gebiet ist so beschränkt, dass die Armenier unmöglich darin leben können und bei Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes dem Untergange geweiht sind. Es wird daher erforderlich sein, die Türken zu bewegen, hinter die Grenze zurückzugehen, die ihnen im Vertrag von Brest–Litowsk zugestanden worden ist und auf armenischem Gebiete höchstens Bahnwachen zu belassen zur Sicherung der ungestörten Abwickelung der Militärtransporte in der Richtung auf Dschulfa und Täbris. Die Armenier werden aber nur dann in ihr altes Gebiet zurückkehren können, wenn ihnen ein Schutz sowohl gegen erneute türkische Einfälle wie gegen Ausschreitungen tatarischer Banden gegeben wird. Dies lässt sich nur erreichen, wenn das Land von zuverlässigen Truppen besetzt wird. Die Russische Regierung würde die Anwesenheit deutscher Truppen in Armenien vielleicht ohne Widerspruch hinnehmen, wenn ihr klar gemacht wird, dass diese Massnahme nur aus humanitären Gründen erfolgt, um die Reste des armenischen Volkes zu retten, und dass es auch in russischem Interesse liegt, wenn die Türken von Armenien ferngehalten werden. Können wir die für diesen Zweck erforderlichen Kräfte zur Verfügung stellen? Es darf darauf hingewiesen werden, dass die Rückführung der Armenier dringlich ist, damit die Ernte in den in Betracht kommenden Gebieten wenigstens noch zum Teil gerettet und Armenien vor einer Hungersnot bewahrt wird.

3. Tatarisch Aserbeidschan. In Aserbeidschan haben wir neben der Sicherung des Gebietes von Baku ein Interesse an dem Schicksal unserer Kolonisten an der Röhrenleitung, die durch das Tatarenland und Georgien von Baku nach Batum führt, sowie an der Bahn von Tiflis nach Baku. Bezüglich der deutschen Kolonisten in Aserbeidschan wird bei den Verhandlungen mit der Türkischen bezw. Tatarischen Regierung das Erforderliche zu vereinbaren sein. Ein ungestörtes Arbeiten der Röhrenleitung dürfte sich nur dann erreichen lassen, wenn diese Leitung, soweit sie auf tatarischem Gebiete läuft, durch deutsche Wachen besetzt wird. Mit der Anwesenheit solcher Wachen, denen keine militärischen Operationen obliegen würden, sondern nur die Sicherung des Betriebs der Rohrleitung und der Bahnstrecke von Tiflis nach Baku, würde sich die Russische Regierung vielleicht abfinden. Können die hierfür erforderlichen Kräfte zur Verfügung gestellt werden? 

An sich wäre es natürlich erwünscht, wenn wir den Türken, um sie zur Nachgiebigkeit in Bezug auf Georgien zu bewegen, Aserbeidschan ganz überlassen könnten. Da wir aber den Türken nach den mit Russland zu treffenden zusätzlichen Vereinbarungen ausserhalb der 3 Bezirke von Ardahan, Kars und Batum keinen Vorschub leisten dürfen, würden wir höchstens soweit gehen können, die türkischen Bestrebungen im Tatarenlande, die auf Annexion oder Schaffung eines türkischen Schutzstaates hinauslaufen, stillschweigend zu dulden.

4. Nord-Kaukasien. Am verworrensten ist die Lage bei den nordkaukasischen Bergvölkern. Welchen Anhang die nordkaukasische Regierung im Lande besitzt, wie weit sie überhaupt organisiert ist und bis wohin ihr Einfluss reicht, lässt dich zur Stunde nicht übersehen. Das Bestreben der einzelnen Bergvölker läuft darauf hinaus, sich in den Besitz des Getreidelandes zu setzen, das von der zaristischen Regierung mit Kosaken besiedelt worden war, um die räuberischen Bergvölker im Zaume zu halten. Die Bergvölker glauben, mit Hilfe deutscher Waffen und mit Unterstützung der Türken in der Lage zu sein, die Kosaken gewaltsam aus ihren gegenwärtigen Siedlungen zu vertreiben. Erstens erscheint es ziemlich ausgeschlossen, dass die Bergvölker, selbst wenn wir ihnen Waffen usw. lieferten, überhaupt imstande sein würden, etwas gegen die Kosaken auszurichten. Sodann haben wir kein Interesse daran, dass im Nordkaukasus mit unserer Hilfe ein Kriegszustand geschaffen und aufrecht erhalten wird. Schon im Interesse der Getreideversorgung Georgiens und Armeniens muss uns vielmehr daran liegen, dass sich die Bergvölker und Kosaken friedlich auseinandersetzen. Wir werden daher den Bergvölkern weder öffentlich noch heimlich Waffen und Munition liefern dürfen, solange sie an den Gedanken einer gewaltsamen Aussiedlung der Kosaken festhalten. Dagegen werden wir den Bergvölkern auf das dringlichste zu empfehlen haben, sich mit den Kosaken gütlich zu verständigen.


Anlage 1

Georgien.


Die anliegenden beiden Telegramme des Kaiserlichen Botschafters in Konstantinopel zeigen, wie richtig es war, wenn die politischen und militärischen Stellen die Sicherheit und Beständigkeit der Verhältnisse in Georgien skeptisch beurteilten und in der Hauptsache eine abwartende Haltung gegenüber den weitgehenden Wünschen der in Berlin eingetroffenen georgischen Delegation befürworteten. Das abschließende Gutachten des Generals Freiherrn von Kress, dessen Eingang auf Anraten der Obersten Heeresleitung vor endgültiger Stellungnahme zur georgischen Frage zunächst abgewartet werden sollte, liegt noch nicht vor. Soweit Äußerungen des Freiherrn von Kress eingegangen sind, decken sie sich mit den vom Botschafter wiedergegebenen Urteilen und lassen sie eine starke Ernüchterung erkennen.

Für den Augenblick dürften sich hiernach folgende Richtlinien für unsere Politik gegenüber den Georgiern empfehlen:

1. Anerkennung.

Solange die Bolschewisten am Ruder sind und Hoffnung besteht, daß wir uns mit ihnen über die Gesamtheit der schwebenden Fragen in Güte einigen, werden wir in der Anerkennungsfrage an unserem bisherigen Standpunkte festhalten müssen, also: Anerkennung als de facto Regierung und Bereitwilligkeit zu formellem Anerkennen, sobald Rußland seinerseits die Loslösung anerkannt oder seine Zustimmung zu unserer Anerkennung erklärt hat.

Dagegen könnte das Bild sich ändern, falls die Bolschewistische Regierung stürzen und an ihre Stelle eine uns ausgesprochen feindlich gesinnte oder zunächst überhaupt keine ordnungsmäßige Regierung treten sollte. Im letzteren Falle ließe sich eine formelle Anerkennung der Georgischen Republik ohne vorherige Zustimmung Rußlands mit der Begründung rechtfertigen, daß wir in dem Wunsch, loyal am Brester Frieden festzuhalten, wegen der Frage der Anerkennung mit der Russischen Regierung in Verbindung getreten seien, daß der Sturz dieser Regierung die Erledigung der Angelegenheit ohne unsere Schuld vereitelt habe und daß wir unsere Entschließung auf den Antrag des inzwischen faktisch selbständig gewordenen Georgischen Staates nicht unbegrenzt verschieben könnten.

Die hiesigen Georgier wünschen, daß wir in der Anerkennungserklärung zugleich das Gebiet Georgiens (die Gouvernements Kutais und Tiflis mit den Bezirken Suchum und Sakataly) angeben sollen. Dies wäre, solange wir unsere Anerkennungserklärung von Rußlands Zustimmung abhängig machen müssen, selbstverständlich nur möglich, wenn Rußland auch dieser Abgrenzung zustimmte, was keineswegs sicher ist. Aber auch dann, wenn Rußland gegen die georgischen Gebietsansprüche keinen Widerspruch erheben sollte, wird es sich empfehlen, in der Anerkennungserklärung von einer Grenzbestimmung abzusehen. Zunächst würden wir bei der Türkei Anstoß erregen, falls wir in einer öffentlichen Erklärung Gebiete, die sie für sich in Anspruch nimmt, als georgischen Besitz bezeichneten. Ferner würden die Georgier sich versucht fühlen, aus der Erklärung zugleich die Zusage herauszulesen, daß wir die Anerkennung der Grenzen gegenüber den Nachbarstaaten durchsetzen wollten. Lehnen wir die Angabe der Grenzen ab, so können wir uns darauf berufen, daß wir auch bei der Anerkennung der Unabhängigkeit Finnlands, Kurlands und Litauens die Grenzen dieser Länder nicht bezeichnet haben.

2. Bündnis.      

Ein Bündnis mit Georgien würde als Bündnisfall in erster Linie einen Angriff Rußlands, in zweiter Linie einen solchen der Türkei ins Auge zu fassen haben. Die Behandlung der Türkei als mutmaßlichen gemeinsamen Gegner würde mit unserem Bundesverhältnis zur Türkei schwer in Einklang zu bringen sein. Was Rußland anlangt, so dürfte jede kommende Russische Regierung am Kaukasus noch lebhafteres Interesse nehmen, als das gegenwärtige bolschewistische Regime. Die Russen werden den Gedanken an die Wiedererwerbung des wirtschaftlich für sie wichtigen kaukasischen Gebietes schwerlich je aufgeben. Konflikte zwischen Rußland und dem Kaukasus liegen daher durchaus im Bereiche der Möglichkeit, sind sogar wahrscheinlich. Daß Deutschland sich für einen solchen Fall durch Abschluß eines Bündnisses zur Waffenhilfe verpflichten sollte, dürfte angesichts der Unsicherheit aller Verhältnisse im Osten, namentlich aber in Georgien selbst nicht zu verantworten sein. Dagegen erscheint es unbedenklich, der Georgischen Republik etwa folgendes zuzusagen:

1. Wir werden auf der Konferenz in Konstantinopel dafür eintreten, daß bei der Grenzführung den Lebensbedürfnissen Georgiens Rechnung getragen wird.

2. Wir sind bereit, den Georgiern unseren diplomatischen Beistand zu leihen, damit die Unabhängigkeit und territoriale Unverletzlichkeit ihres Landes von dritten Staaten, insbesondere von der jetzigen oder einer künftigen Regierung in Rußland geachtet wird.

3. Wir sind bereit, nach Herstellung geordneter Verhältnisse den Abschluß eines
Bündnisses in wohlwollende Erwägung zu ziehen.

4. Wir werden den Georgiern bei der Ordnung ihrer staatlichen Verhältnisse nach Kräften behilflich sein.

3. Militärkonvention.

Eine Militärkonvention ohne gleichzeitigen Abschluß eines Bündnisses wäre eine halbe Maßregel. Außerdem würde bei einem Staate, der noch keine Wehrmacht besitzt, die wichtigste Voraussetzung für eine Militärkonvention fehlen. Dagegen könnten wir den Georgiern zusagen, daß wir ihnen bei Einrichtung ihrer Wehrmacht mit Rat und Tat behilflich sein und, falls der Versuch gelingt, später den Abschluß einer förmlichen Militärkonvention in wohlwollende Erwägung ziehen wollen. Ferner steht nichts im Wege, daß wir unter Vermeidung des Ausdrucks Militärkonvention Abmachungen mit Georgien treffen, die uns die Mitwirkung bei der Aufstellung der georgischen Heeresmacht und die Benutzung Georgiens als Etappengebiet usw. für die militärischen Bedürfnisse des gegenwärtigen Krieges sichern.

4. Wirtschaftliches.

Ein Konsortium von Interessenten, dessen Bildung die Diskontogesellschaft übernommen hat, ist bereit, dem Georgischen Staat zwecks Schaffung einer eigenen Währung und zur Bestreitung der dringendsten finanziellen Bedürfnisse eine Anleihe zu gewähren. Als Sicherheit sollen die Einkünfte einer noch zu gründenden Manganexport-Gesellschaft sowie weiterer Gesellschaften zum Betriebe der Eisenbahn Scharopan-Tschiaturi und des Hafens von Poti dienen. Die Verträge über die Gründung der drei Gesellschaften sind bereits abgeschlossen; die Unterzeichnung des Finanzabkommens würde an sich in den nächsten Tagen erfolgen können.

Die Georgier haben erklärt, daß sie diese Verträge nur dann als endgültig anerkennen, wenn die politischen Beziehungen Georgiens zum Deutschen Reiche ihren Wünschen entsprechend geregelt werden. Nach Mitteilung des Reichswirtschaftsamts haben sie diesen Vorbehalt dahin erläutert, daß sie unter Regelung der politischen Beziehungen lediglich die Anerkennung Georgiens durch Deutschland verstehen.

Über die Sicherung der georgischen Rohstoffe für Deutschland (Erze, Wolle, Felle, Häute, pflanzliche Öle) auch über die Dauer des Krieges hinaus wird noch zwischen den georgischen Delegierten und dem Reichswirtschaftsamt verhandelt. Das Finanzabkommen enthält eine Bestimmung, wonach die Georgische Regierung, falls sie das Eigentum an Eisenbahnen, Telegraphen und Telephonanlagen, sowie an drahtlosen Stationen aufgeben, oder einer Pachtgesellschaft Einfluß darauf einräumen sollte, sich zunächst an das deutsche Syndikat zu wenden und bei gleichen Bedingungen diesem den Vorzug vor anderen Bewerbern zu geben hat. Durch ein Abkommen mit dem Syndikat wird sich die Kaiserliche Regierung die Verfügung über die hieraus erwachsenden Rechte sichern.


Anlage 1a


Abschrift zu A 31331.

Telegramm.
Konstantinopel, den 24. Juli 1918 4 Uhr 30 Min. nachm.

Ankunft: 10 Uhr 50 Min. nachm.


Der K. Botschafter an Auswärtiges Amt.

Nr. 1193.

Übereinstimmend melden alle aus Tiflis hier ankommenden deutschen Herren, daß die Lage dort höchst unsicher ist. Die Georgische Regierung stehe der Roten Garde ziemlich machtlos gegenüber und beherrsche keineswegs die Situation. Immer mehr stellt es sich heraus, daß von Batum und Poti aus seinerzeit die Lage Georgiens sich nicht übersehen ließ und daher viel zu günstig beurteilt wurde. An General von Seeckt hat sogar General von Kress durch Oberstleutnant von Feldmann eine Mitteilung gelangen lassen, wonach er es jetzt lieber sehen würde, daß Nuri in Elisabethpol verbleibe, weil die deutschen Truppen zu schwach seien, falls ernste Unruhen in Georgiern ausbrächen. Wenig hoffnungsvoll lauteten die Mitteilungen der aus Tiflis eingetroffenen, deutschen Herren hinsichtlich der hauptsächlichsten Frage, wie wir das Petroleum von Baku erlangen werden.


[Bernstorff]

Anlage 1b


Abschrift A 31332.

Telegramm.
Konstantinopel, den 24. Juli 1918   7 Uhr 30 Min. nachm.

Ankunft: 25. Juli 1918   4 Uhr 5 Min. vorm.


Der K. Botschafter an Auswärtiges Amt.

Nr. 1195.

Direktor Lebrecht, der aus Tiflis zurückgekehrt, hat den Auftrag von General von Kress nach Berlin zu fahren, um Eurer Exzellenz über die Lage in Georgiern Vortrag zu halten. Lebrecht sagt, General von Kress sehe ein, daß seine dortige Mission auf falschen Voraussetzungen beruhe. Da wir nun anscheinend Georgien vollends eine Anleihe gewähren wollen, so wünscht General von Kress zu vermeiden, daß dieses ebenfalls auf Grund von Hoffnungen geschehe, welche Georgien niemals realisieren könne.


[Bernstorff]

Anlage 2

Telegramm

Moskau, den 25. Juli 1918.

Der Kaiserliche Geschäftsträger an Auswärtiges Amt.

Der armenische Delegierte Sawriew legte mir heute nachdrücklich dar, dass die Lage der Armenier unerträglich sei. Von den von den Türken vertriebenen Bevölkerungen seien grosse Massen von Flüchtlingen über die Berge oder über Baku und Astrachan nach Norden gegangen. Zahlreiche aufs äusserste erbitterte armenische Männer seien in Baku zurückgeblieben, die nun gegen die Türken zögen, um ihre alten Wohnsitze wiederzugewinnen. Die Abmachungen des armenischen Komitees in Tiflis erkenne das Komitee in Baku nicht an und könne das auch nicht tun. In Baku befände sich die faktische Macht in den Händen der Armenier; die bolschewistische Lokalregierung sei von diesen abhängig. Wenn wir nichts für sie täten, müssten die Armenier in ihrer Verzweiflung von anderer Seite Hilfe suchen.

Ich habe den Eindruck gewonnen, dass von den Armeniern eine Regelung der Bakufrage in einem uns genehmen Sinne zu erreichen ist, wenn durch unsere Vermittlung den Armeniern die Möglichkeit gewährt wird, unter gewissen Garantien von unserer Seite, eventuell selbst bei einem türkischen Protektorat, in ihre Wohnsitze auf ehemals russischen Boden zurückzuwandern. Auch von anderer Seite wird mir bestätigt, dass die Armenier in Baku die tatsächliche Macht besitzen. Es ist zweifellos, dass Baku systematische zerstört werden wird, wenn wir uns mit den Armeniern nicht verständigen.


[Riezler]      


Anlage 3

Telegramm.

Pera, den 25. Juli 1918.

Der Kaiserliche Botschafter an Auswärtiges Amt.

Von der hiesigen armenischen Delegation werde ich täglich mit der Bitte bestürmt, deutsche oder österreichische Truppen möchten nach Armenien gesandt werden. Wenn wir den Armeniern nicht in dieser Weise zu Hilfe kämen, würde es unmöglich sein, die Anarchie in Armenien zu unterdrücken. Die armenischen Flüchtlinge würden jede Hoffnung verlieren, sich zusammenrotten und Banden zur Bekämpfung der Türken und Tataren bilden.

Es sei Gefahr im Verzuge. Sogar wenn die Kaukasuskonferenz bald zusammenträte und Beschlüsse fassen würde, so würde man diese in Armenien nicht befolgen, wenn ihre Durchführung nicht von deutschen oder österreichischen Truppen überwacht würde. Der armenische Delegierte Ahäronian übergab Talaat Pascha eine Denkschrift über die Lage in Armenien. Der Grosswesir machte Ahäronian die üblichen Versprechungen. Diese werden natürlich nicht erfüllt werden, denn die türkischen Zivil- und Militärbehörden an Ort und Stelle pflegen bekanntlich Weisungen aus Konstantinopel nicht zu befolgen, und zwar dann am allerwenigsten, wenn ihnen bekannt ist, dass diese Weisungen nur auf einen Druck von deutscher Seite hin erlassen wurden.


[Bernstorff]
Anlage 4

Persien


Die Türken beabsichtigen, soweit hier bekannt, in Nordpersien mit 5 Divisionen zwischen dem Kaspischen Meer und dem Wansee gegen Bagdad vorzudringen. Diese Operation ist, wenn sie wirklich einen militärischen Erfolg gegen die Engländer verspricht, durchaus zu begrüßen. Denn nicht nur ein Vorgehen gegen Bagdad, sondern auch eine Bedrohung der englischen Stellungen in Persien erscheint sehr erwünscht. Nur erscheint es nicht ratsam, die Türken allein in Persien vorgehen zu lassen. Eine militärische Aktion in diesem neutralen Lande können wir zwar immerhin damit begründen, dass es sich nur um eine Gegenwirkung gegen das Auftreten der Engländer handelt, die Persien als ihre politische Einflußsphäre betrachten und als Basis für Operationen gegen die Türkei benutzen. Die auf der Hand liegenden und offensichtlich einen Hauptzweck des türkischen Vorgehens bildenden Annexionsbestrebungen, die sich namentlich auf die Provinz Aserbeidschan und Persisch-Kurdistan richten, haben wir jedoch keinen Anlass zu unterstützen. Einmal würden wir uns damit in Gegensatz setzen zu unseren wiederholten, gemeinsam mit den Türken gemachten Zusicherungen an Persien, dass wir seine Unabhängigkeit und Integrität aufrechterhalten wollen, und mit dem Brester Frieden, der diesen Grundsatz nochmals feierlich betont. Sodann aber würden wir die persische Regierung und die Bevölkerung, die gegenwärtig den Engländern zum mindesten passiven Widerstand leistet, rettungslos in die Arme der Briten treiben. Denn die Annahme, dass die Aserbeidschaner mit Rücksicht auf die Sprach- und Stammesverwandtschaft mit den Osmanen die Türken als Freunde aufnehmen würden, dürfte sich schwerlich verwirklichen. Vielmehr muss damit gerechnet werden, dass sie als Feinde empfangen und in schwere Kämpfe verwickelte werden.

Nachdem einmal die Türkei mit unserer Zustimmung ihre Aktion in Nordpersien unternommen hat, ist es kaum noch möglich, sie rückgängig zu machen. Im Hinblick auf das Ziel, die Engländer zu bekämpfen, wäre das auch gegen unser Interesse. Wenn man die Türken aber allein in Persien schalten lässt, ist es unwahrscheinlich, dass sie etwas gegen die Engländer ausrichten werden. Es ist sogar zweifelhaft, ob die Türken überhaupt ernstlich gegen die Engländer vorzugehen beabsichtigen, oder ob ihnen nicht nur daran liegt, das reiche Nordwestpersien auszuplündern. Regierung und Volk in Persien werden es auf unser Konto schreiben, dass wir die Türken nach Persien hineingelassen haben. Sie werden infolgedessen auch unserm Wort nicht mehr trauen und den Widerstand gegen England aufgeben. Dass aber etwa die Türken ohne unsere Zustimmung nach Persien gegangen sind, wird uns kein Perser glauben, zumal die Türken, um uns zu diskreditieren, es alsbald verbreiten werden, dass wir Persien im Stich gelassen und der Türkei ausgeliefert haben. Daher erscheint eine deutsche Beteiligung an dem Unternehmen erwünscht. Wenn wir uns zu einer solchen entschliessen, so eröffnet sich die Möglichkeit, auch die Perser zur Mitarbeit zu bewegen, da diese in unserm Erscheinen eine Gewähr dafür erblicken werden, dass es sich wirklich nur um eine durch die militärische Lage gegebene zeitweilige militärische Aktion, nicht aber um die dauernde Besetzung Nordwestpersiens handelt. Wir würden dann auch die Sicherheit haben, dass wirklich etwas gegen die Engländer unternommen wird, auch wäre die Gefahr geringer, dass es den Engländern gelingt, ihrerseits etwa einen Erfolg in Nordwestpersien zu erringen, was ihnen leicht möglich wäre, wenn sie den Türken allein gegenüberstehen. Was die erforderliche Zahl deutsche Truppen und die Art ihrer Verwendung betrifft, so kann nur die O.H.L ein Urteil hierüber abgeben. Nach den im Auswärtigen Amt gesammelten Eindrücken wäre es am zweckmässigsten, eine Division zu entsenden; mit etwa 10000 Mann wäre es aber vielleicht auch getan. Diese deutsche Truppe sollte möglicht am linken Flügel angesetzt werden, um mit den die Provinz Gilan beherrschenden Kräften des Mirza Kütschük Khan Fühlung zu nehmen und in der Richtung Sendschan-Kaswin-Teheran vorzugehen. Den Türken wäre die Aufgabe zu stellen, in Richtung Sinnah-Kermanschah gegen Bagdad und Turistan vorzustossen und möglichst ihre eigentliche Aufgabe, die Befreiung Bagdads, zu verfolgen. Ausserdem müssten bei den türkischen Truppen die Stäbe möglichst mit deutschen Offizieren besetzt werden, um deutscherseits einen Einfluss auf die Art der türkischen Operationen ausüben zu können. Je grösser die Zahl der deutschen Offiziere bei den Türken in Persien ist, umso geringer braucht die Anzahl der deutschen Truppen zu sein. Sollten sich überhaupt keine deutschen Kräfte für Persien freimachen lassen, so müssten den türkischen Truppen in Persien wenigstens in ganz erheblicher Stärke deutsche Offiziere zugeteilt werden.

Eine derart betriebene deutsch-türkische militärische Aktion in Persien, aber auch nur eine deutsch-türkische, wird in ganz Zentralasien einen gewaltigen Eindruck machen und für die Engländer einen schweren Schlag bedeuten. Dabei ist es für uns verhältnismäßig leicht, Nordwestpersien gegen die Engländer zu behaupten, da ihre Etappenverbindung von Süden her zu schwierig ist, als dass sie mit der Verbindung über den Kaukasus in Wettbewerb treten könnte. Klimatisch liegen die Verhältnisse in Nordpersien günstig.

Das militärische Vorgehen müssten durch eine diplomatische Aktion unterstützt werden.

Es fragt sich, ob wir ausreichende militärische Kräfte für das Unternehmen in Persien freimachen können.


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