"Die Kurden haben einen Angriff in der Nähe der Stadt unternommen. Ein furchtbarer Kampf ist im Gange. Es herrscht Anarchie. Wir sehen dem Tode entgegen. Bitte um Hilfe."
Nach einem gestern hier eingegangenen Telegramm der amerikanischen Missionare in Bitlis sind die Kurden inzwischen in die Vorstädte von Bitlis eingedrungen. Die Türken fliehen.
Pforte sieht die Lage ernst an. Den russischen Agenten, von denen mir Halil Bey seiner Zeit sprach, sei es gelungen, die Kurden gegen die Reformen aufzuwiegeln. Der Regierung werde vorgeworfen, das Land an Rußland ausgeliefert zu haben. Den 2000 Kurden ständen bis jetzt nur 400 türkische Soldaten entgegen, deren Zahl durch Zuzug aus Musch und Wan höchstens auf 1000 gebracht werden könnte. Trotzdem glaubt Pforte der Lage Herr werden zu können. Nach letzten Nachrichten hätten die Kurden bereits Rückzug angetreten. Russischer Konsul in Bitlis habe dem Wali erklärt, daß er sich anheischig mache, die Kurden zu beruhigen, wenn von armenischer Seite nicht mehr geschossen werde.
Halil und Talaat Bey glauben, daß russische Einmischung bevorstehe. Ich habe ihnen diesen Gedanken auszureden versucht. Meines Erachtens handelt es sich um Treibereien der slavischen zahllosen Komitees, von denen die russische Regierung nichts weiß. Nach der Haltung, welche letztere zur Zeit der Türkei gegenüber einnimmt und nach der Sprache des russischen Botschafters ist kaum anzunehmen, daß Rußland nach einem Vorwand zur Einmischung in Armenien sucht. Dagegen besteht zweifellos Gefahr, daß bei Fortdauer der Unruhe die russische Regierung in ein antagonistisches Fahrwasser hineintreiben wird.